21.03.2012

Autor*in

Birgit Mandel
ist seit 2019 Leiterin des Instituts für Kulturpolitik der Universität Hildesheim und dort Professorin für den Bereich Kultur und Management sowie Kulturvermittlung.
Kommentar

Eine breite Debatte über die Ziele öffentlicher Kulturförderung ist überfällig

Ein Kommentar zur Diskussion über das Buch "Der Kulturinfarkt" von Birgit Mandel, Professorin am Institut für Kulturpolitik, Universität Hildesheim und Autorin diverser Studien zur Kulturnutzerforschung und Kulturpolitik.

Das Kulturfördersystem in Deutschland ist uneffizient und ungerecht - so kritisieren die Autoren des Buches Kulturinfarkt. Die Wellen der Empörung schlagen hoch in den Feuilletons, wie immer wird reflexartig der Untergang der Kulturnation beschworen, sobald jemand wagt, einen öffentlichen Diskurs darüber zu führen, für was, mit welchen Zielsetzungen und welchen Wirkungen eigentlich öffentliche Gelder für Kulturförderung eingesetzt werden. Unter der Prämisse der Kunstfreiheit, die ohne Zweifel ein hohes Gut ist, werden inhaltliche Diskussionen kulturpolitischer Leitlinien über Parteigrenzen hinweg vermieden. Diese wären jedoch notwendig, um angesichts stagnierender öffentlicher Kassen, mit dem Geld, das wir aktuell einsetzen (übrigens mehr als jeder andere Staat auf der Welt) möglichst vielfältige kulturelle Anregungen für möglichst viele Menschen, und nicht nur für eine kleine hochgebildete Elite zu erreichen.

Aktuell gehören gerade mal 5 bis 10 Prozent der Bevölkerung zu den regelmäßigen Nutzern der öffentlich geförderten Kulturangebote, darum muss es erlaubt sein zu fragen, warum eigentlich eine Opernkarte mit mindestens 150,-Euro subventioniert wird, während der Fan populärer Musik seine teure Eintrittskarte fürs Konzert ohne staatlichen Zuschuss selbst bezahlen muss.

Zwei große Probleme gibt es im derzeitigen Kulturfördersystem in Deutschland:

  1. Es liegt ihm ein normativer Kulturbegriff zugrunde, der bestimmte Kulturformen für wertvoll und förderungswürdig erklärt und andere für nicht-förderungswürdige Unterhaltung, die man dem freien Markt überlassen müsse.
  2. Immer mehr sogenannte Hoch-Kulturangebote wurden in Deutschland institutionalisiert, so dass inzwischen fast die gesamten Kulturetats in den Unterhalt der öffentlich subventionierten Apparate geht und es für neue Kulturformen neuer Generationen keine Mittel mehr gibt, der Kuchen ist verteilt.
Würden Mittel in den Kulturetats freigesetzt, könnten neue Projekte und vor allem der in Deutschland sträflich vernachlässigte Bereich der Kulturellen Bildung finanziert werden. Wenn Menschen schon in möglichst frühem Alter die Chance bekommen, sich differenziert und reflektiert mit Kunst und Kultur auseinander zu setzen, so wäre das die beste Basis für eine Kulturnation Deutschland. Damit wäre auch garantiert, dass bei Wegfall von Hochkultureinrichtungen nicht die ganze Nation auf sogenanntes RTL Niveau sinkt.

Sicherlich wäre die Schließung von Einrichtungen sehr differenziert zu betrachten: schließt man etwa ein Theater in einer strukturschwachen Gegend, so würde damit möglicherweise der letzte Kulturort dort wegfallen, der zugleich auch symbolische Wirkung hat als ein öffentlicher Ort kulturellen Zusammentreffens. Zu differenzieren wären Einrichtungen vor allem auch in Bezug auf ihr Engagement, möglichst vielfältige Bevölkerungsgruppen in ihre Arbeit zu involvieren, ihre Fähigkeit mit unterschiedlichen Partnern zu kooperieren und ihre Bereitschaft, sich gemeinsam mit neuen Zielgruppen (interkulturell) zu verändern, ohne dabei an künstlerischer Qualität zu verlieren. Aber damit wären wir schon inmitten einer Diskussion darüber, was wir eigentlich von Kunst und Kultur für unsere Gesellschaft wollen, die nun hoffentlich durch die etwas zugespitzte Prophezeiung eines Kulturfinfarktes angestoßen und auch von breiteren Bevölkerungsgruppen geführt wird, nicht nur von einer kleinen Kulturlobby, die Angst hat, Besitzstände zu verlieren.

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