02.04.2008

Autor*in

Sven Gábor Jánszky
Trendanalyse

Wie entstehen Innovationen?

Sven Gábor Jánsjky vom forward2business- Thinktank über "Brücken über die Leere" statt Gedankengefängnisse
Der forward2business-ThinkTank hat in den vergangenen Wochen eine erstaunliche Entdeckung gemacht: Trotz angekündigter Massenentlassungen und Krisengerede wird Deutschland innovativer! Auffällig viele große und mittlere Unternehmen haben sich seit Jahresbeginn bei uns gemeldet und um Unterstützung beim Aufbau eigener, neuer Trendabteilungen oder Innovationsprozesse nachgefragt. Hätten Sie es gedacht?

Doch Vorsicht! Eine eigene Innovationsabteilung ist noch nicht innovativ. Nicht wenige der großen Unternehmen geben viele hunderttausende Euro aus, um eigene Innovationsprozesse und einzurichten, die anschließend von der Innovationsabteilung bewacht werden. Die Folge: Jede kreative Idee die anders ist und deshalb nicht in die eingerichteten Schubladen passt, wird verdammt. Sie wollten Innovation und haben Gedankengefängnisse bekommen, bewacht von einer Abteilung "Gedankenpolizei".

Aus diesem Grund will ich Ihnen in der heutigen Trendanalyse darstellen, wie Innovationen funktionieren. Wenn Ihr Unternehmen innovativ werden soll, verzichten Sie bitte auf starre Prozesse! Verzichten Sie auf quälende Festlegungen von Innovationsbereichen nach Metatrends! Innovationsfähigkeit ist keine Frage von Trends sondern eine Frage der Lebenseinstellung. Sinnvolles Innovationsmanagement motiviert Ihre Mitarbeiter nach der Leere zu suchen und darüber Brücken zu bauen. Lesen Sie was Innovation ist? Wo Innovation entsteht? Und wohin Sie Ihre Mitarbeiter schicken müssen, um Innovationen zu finden?
 

Von der guten Idee zur Innovation

Sie kennen die Situation vermutlich: Wieder einmal hat der ambitionierte Chef zum Brainstorming geladen. Wieder einmal wurden keine Kosten und Mühen gescheut, eine Atmosphäre zu schaffen, die angeblich ungewöhnlich und inspirierend sein sollte. Wieder einmal hatten vorher alle das Gefühl, sogleich in wundersamer Weise kreativ zu werden und Innovationen am Fließband zu produzieren. Und dann? Es ist immer wieder das Gleiche: Brainstorming ist, wenn viele Menschen wirres Zeug reden, sich nicht zuhören und am Ende mit einer handvoll unsinniger Ideen und einem unzufriedenen Gefühl auseinander gehen. Brainstorming ist ein probates Mittel zur Analyse gruppendynamischer Prozesse, zur Identifizierung unstrukturierter Vielschwätzer, ratlos schweigender Perfektionisten, langsam resignierender Arbeitstiere und ignoranter Mentalkündiger leider selten eine Inspirationsquelle für Ideen oder gar Innovationen.

Von einer guten Idee zur Innovation gibt es eine Reihe interner und externer Faktoren. Interne sind zumeist die menschlichen, unbeeinflussbaren: das Alter des Einzelnen, seine Reflexionskraft, seine intellektuelle Kapazität, seine offene, kreative Persönlichkeit, seine effektive Denkweise. Wenn diese in einem günstigen Verhältnis stehen, sollte der Mensch in der Lage sein, gute Ideen hervorzubringen. Vielleicht sogar in einem Brainstorming.

Die äußeren Faktoren aber sind jene, die von guten Ideen zur Innovation führen. Sie sind durch ein kluges Innovationsmanagement strategisch planbar, sowohl für Unternehmen als auch den Einzelnen. Die drei wichtigsten Schritte zu einem erfolgreichen Innovationsmanagement sind hier zusammengefasst. Doch vorher eine Warnung:

 

Innovation ist nicht gleich Innovation


Machen wir uns nichts vor: Die Masse der Menschen hält Innovation nur dann für etwas Erstrebenswertes, wenn davon die eigene Arbeitsweise, Lebensart oder eingeübte Verhaltensmuster nicht beeinflusst werden. Solange Innovation mit unserem Leben nichts zu tun hat, finden wir sie sexy, spannend oder spektakulär. Wenn sie aber in unsere Lebensbereiche einfällt wird sie oft bedrohlich. Insofern gibt es subjektiv verschieden gute und böse, oder "interessante" und "uninteressante" Innovationen, abhängig von der Konstellation der betroffenen Personen.

Ein Beispiel aus dem Themengebiet des forward2business-ThinkTanks: Seit fast 10 Jahren ist die technische Möglichkeit bekannt, Radio und Fernsehen statt in analoger Technologie wie bisher, künftig digital zu senden und zu empfangen. Die etablierten Sender und Telekomtechniker machten sich an die Arbeit und entwickelten mit DAB, DMB, DVB-T, DVB-H usw. Technologien, mit denen sich auf herkömmlichen Frequenzen digital senden lässt. Diese Technologien sollen seit Jahren mit jährlich neuen millionenschweren Informationsoffensiven in den Markt gedrängt werden. Ergebnis: Keines. Das Problem: Die Innovation ist uninteressant, weil sie kein Problem der Zuschauer und Sender löst. Sie ist böse weil sie den Sendern und Zuschauern zusätzlich Geld für neue Geräte kostet, ohne einen Mehrwert zur alten analogen Übertragung zu bringen.

 

1. Schritt: Problemorientiertes Denken


Ein anderes Herangehen an das Problem hätte schon viel früher zu einer anderen Innovation geführt: Hätten sich jene Techniker und Entwickler zuerst gefragt, was Zuschauer und Sender wollen könnte, wären sie auf einfache Möglichkeiten gekommen: eine größere Auswahl von Sendern, neue TV-Anbieter, selbst sendende Filmproduzenten, ausblendbare Werbeblöcke, Fernsehen integriert in Desktops, Handys, Badspiegel Sie hätten schnell festgestellt, dass all diese "Wünsche" nicht mit der Digitalisierung der alten analogen Frequenzen möglich sind. Sie hätten festgestellt, dass die Problemlösung aber sehr wohl durch Übertragung von Radio und Fernsehsignalen über Internet, also IP-basiert, möglich wird. Inzwischen (aber mind. 5 Jahre zu spät) ist IP-TV in aller Munde und wird in den kommenden Monaten zu einer Fernsehrevolution neuer Anbieter, neuer Geräte, neuer Kulturtechniken führen. Getrieben wird diese "gute", "interessante" Innovation nicht durch Telekom und etablierte Sender sondern andere Telcos, große Konzerne aus anderen Branchen und Internetfirmen.

Eine Hauptaufgabe für Innovatoren ist deshalb, Innovationen dort zu schaffen, wo sie Probleme von Menschen lösen. Entsprechend müssen Manager Innovationsprozesse gestalten und Methoden vorgeben, die zu "guten" Innovationen führen können. Sinnvoll sind dabei oftmals Methoden wie das "Problemorientierte Denken" POD, die von Grundproblemen der Menschen in verschiedenen Lebenslagen ausgehend, generelle Lösungsideen entwickeln und bei diesen dann die Schnittstelle zu dem eigenen Produkt suchen.
 

2. Schritt: Suchen Sie die Leere!

Doch das beste POD nützt nichts, wenn man sich innerhalb der eigenen gedanklichen Beschränktheit bewegt. Innovationen entstehen interessanterweise nicht an jenen Punkten über die wir am meisten wissen. Sondern an jenen Punkten, mit denen wir uns bisher am wenigsten beschäftigt haben. Dies mag anfangs kurios klingen, doch stellen wir uns es so vor: Aus einem Lehrbuch das wir bereits komplett verinnerlicht haben und täglich anwenden, werden wir nichts Neues mehr lernen. Hingegen werden wir aus einem bislang unbekannten Lehrbuch viele neue Sichtweisen und Techniken lernen. Wir werden überlegen und Ideen haben, wie diese neuen Sichtweisen und Techniken für uns nützlich sind und unsere Probleme lösen können. Nichts anderes ist: Innovation!

In der Wissenschaft wird dieses Phänomen mit verschiedenen Begrifflichkeiten beschrieben: Von einer "bridge-and-cluster-structure" schreiben Watts und Strogatz ("Collective dynamics of 'small world' networks", Nature 393: 440-442, 1998) und meinen das Brückenbauen zwischen den verschiedenen Milieus, Branchen und Welten, von "opinion leadern" die diese Brücken zwischen den sozialen Welten spannen, schrieben schon Merton (Patterns of influence: local and cosmopolitan influentials, in Social Theory and Social Structure, New York, 1949) und Katz, Latzarsfeld (Personal Influence, New York, 1955), vom "small world" Phänomen der verblüffend geringen Kommunikationsdefizite der opinion leader aufgrund dieser Brücken schreiben Travers und Milgram (An experimental study of the small world phenomenon, in: Sociometry 32: 315-349, 1969): Und letztlich prägte Burt (Toward a Structural Theory of Action, New York, 1982 und Structural Holes, Cambridge, 1992) den Begriff der "structural holes" und beschrieb welchen Innovationsgewinn es bringt, wenn Netzwerke diese Leere zwischen den sozialen Gruppen überspannen.

 

2 1/2. Schritt: Structural Holes als Innovationschance


Structural Holes sind Unterschiede zwischen Gruppen und Individuen. Dadurch dass soziale Schichten, Milieus, Branchen, Communities, Nationalitäten usw. dazu tendieren, sich ausschließlich untereinander zu begegnen und zu kommunizieren, entstehen zwischen diesen Individuen, Schichten, Milieus, Branchen, Communities, Nationalitäten Informationsdefizite und Wissenslücken.

Auch die Wirtschaft kennt diese Phänome. Am anschaulichsten ist in der Überlieferung der Ausspruch von Jean René Fourtou, dem ehemaligen CEO des französischen Chemiegiganten Rhone-Poulence. Auf die Frage, wie er seinen Forscher innovativ hält, spricht er von "le vide", übersetzt: "Die Leere". Gemeint sind erneut die Informationsgräben zwischen Milieus, Branchen, Kulturen, jene structural holes also, deren Überbrückung Innovationen hervorbringt: "Shock comes when different things meet. Its the interface, thats interesting", so Fourtou.

Ein einfaches, aktuelles Beispiel zur Illustration: Alles redet über die Demographie. Aber wissen Sie welche Folgen die demografische Entwicklung für die Finanzströme in unserer Volkswirtschaft haben werden? Welche Auswirkungen hat es, wenn Eltern älter werden, Kinder später erben und das Erbe entsprechend weniger investiert und damit unproduktiver wird? Und welche innovativen Geschäftsmodelle haben Banken und Finanzwirtschaft schon für die Generation 50+ entwickelt?

Die meisten von uns wissen dies nicht. Obgleich hier viele Ideen und Innovationen für die eigene Branche schlummern. Innovative Manager gehen intensiv auf die Suche nach jenen structural holes. Sie schauen sich ihre eigenen Verantwortungsbereiche bewusst und immer wieder aus anderen Blickwinkeln an. Sie suchen das Gespräch mit ganz und gar "artfremden" Personen, um aus deren Sicht- und Denkweise Ideen für die eigenen Probleme abzuleiten. Sie beschäftigen sich intensiv mit branchenfremden Ideen, um neue Lösungen für eigenen Probleme zu finden.

 

3. Schritt: Die 4 Level der Innovationsfähigkeit


Natürlich führt die Entdeckung von "structural holes" noch nicht zwingend zur Innovationskraft. Ein Manager der Stahlindustrie wird sein Unternehmen noch nicht zum Innovationsführer machen, indem er erkennt, dass zwischen ihm und der Computerspieleindustrie ein recht großes structural hole klafft.

Ich verweise an dieser Stelle gern auf Ronald S. Burt. Der weltbekannte Innovationstheoretiker der Business School der Universität von Chicago hat 2003 eine Studie zu den sozialen Ursprüngen guter Ideen veröffentlicht ("Social origins of good Ideas", Chicago, 2003) in der er untersucht, was jene Manager mit vielen gute Ideen von jenen Managern unterscheidet, die weniger Ideen produzieren und welche Art von Managern wodurch in der Lage sind ihre guten Ideen zu tatsächlichen Innovationen zu führen.

Das Ergebnis ist nicht sonderlich überraschend: Am innovativsten sind jene Manager, die ein lebendiges Netzwerk in andere Milieus, Branchen und Nationalitäten pflegen, welches die "structural holes" überbrückt. Darüber gibt es aber große Unterschiede zwischen den Managern. Manche verstehen es besser, die structural holes effektiv zur Gewinnung echter Innovationswerte in ihrem eigenen Unternehmen einzusetzen. Anderen gelingt die weniger gut. Aus dieser Erkenntnis leitet Burt 4 Level der effektiven Nutzung dieser structural holes ab.

Das erste und einfachste Level ist, die Personen auf beiden Seiten sensibel für die Interessen und Schwierigkeiten der jeweils anderen Seite zu machen. Man könnte auch sagen, die ist die Fähigkeit sich eine andere Brille aufzusetzen und die Welt mit anderen Augen zu sehen.

Ein zweites Level ist, best practice Beispiele aus der einen Welt in die andere zu transferieren. Manager die mit beiden Seiten eines structural hole vertraut sind, tun sich naturgemäß leichter zu erkennen, welche Vorstellungen und Geschäftsmodelle von einer Seite auf der anderen Seite neue, echte Werte schaffen können sowie dies auch noch verständlich in beiden Welten zu kommunizieren.

Das dritte Level ist laut Burt, Analogien zwischen Welten aufzuzeigen, die oberflächlich überhaupt nichts miteinander zu tun haben. "Something about the way in which those people think or behave has implications for the value of operations in my group" (Social Origins of Good Ideas, page 4, Chicago, 2003) Burt verweist darauf, dass es sehr einfach sei Unterschiede zwischen den beiden Seiten eines structural hole aufzuzeigen und anhand dessen zu erklären, dass die eine Welt mit der anderen nicht vergleichbar sei. Gleichzeitig gibt es aber auf beiden Seiten eines structural hole Elemente in Denkweisen und Geschäftsmodellen die wertvoll für die jeweils andere Seite sind. Diese zu finden ist das Wesentliche eines Innovationsprozesses.

Das vierte Level ist die Synthesis aus 1-3. Manager die mit den Vorgängen in beiden Welten vertraut sind, sind in der Lage jeweils neue Denk- und Verhaltensweisen auf beiden Seiten zu erkennen und durch Kombination von Elementen aus beiden Seiten Innovationen hervorzubringen.
 

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