22.07.2008

Autor*in

Dirk Heinze
Rückblick Workshop von Kulturmanagement Network 2008

Großes Potenzial für Anwendung der TRIZ-Methode im Kultursektor

Am 29. Juni 2008 fand in Kassel ein Workshop von Kulturmanagement Network statt, bei dem die Beraterin Barbara Gronauer (StrategieInnovation, Hannover) und TRIZ-Experte Horst Nähler vom Center for Product-Innovation mit Teilnehmern herausfinden wollten, ob eine im Technikbereich etablierte Problemlösungsmethode auch im Kultursektor erfolgreich anwendbar ist. Insofern stellte die kurzfristig organisierte Veranstaltung für die Organisatoren wie für die Teilnehmer ein Experiment dar, auf dessen Ergebnis man sehr gespannt wartete.
Nähler, der seit 8 Jahren Schulungen durchführt, begann den Tag mit einer ausführlichen Vorstellung zur TRIZ-Methode. Sie wurde vom russischen Wissenschaftler Genrich S. Altshuller (1926-1998) entwickelt und basiert auf der Analyse tausender Patente und erfolgreicher technischer Weiterentwicklungen. Das russische Akronym steht für "Theorie des erfinderischen Problemlösens". Die Entwicklung von TRIZ begann vor mehr als 50 Jahren in Russland, fand seinen Durchbruch dann später in Amerika und beinhaltet praxiserprobte Werkzeuge zur Problemlösung, Fehleranalyse und -vermeidung sowie zur Ideengenerierung.

Die Analyse zeigte, dass technische Systeme in ihrer Entwicklung bestimmten Mustern und Gesetzmäßigkeiten folgen, und diese Gesetzmäßigkeiten wiederum genutzt werden können, um technische Systeme weiter zu entwickeln. Altshuller fand heraus, dass einer großen Anzahl von Erfindungen eine vergleichsweise kleine Zahl von Lösungsprinzipien zugrunde liegen. Ausgangspunkt für eine Erfindung ist dabei stets ein Widerspruch, dessen Überwindung erst eine innovative Entwicklung ermöglicht. Altshuller und jene Wissenschaftler, die TRIZ in den 50er und 60er Jahren weiterentwickelten, untersuchten nun akribisch jene Parameter, die die Widersprüche ausmachten und welche Lösungen letztlich gefunden wurde, um diesen Widerspruch aufzulösen.

Eine Matrix zeigte den Workshopteilnehmern 39 verbessernde und verschlechternde Parameter sowie die bei ihrer Kombination vorgeschlagenen Lösungen. Das Spannende bestand jetzt darin, dass jeder Teilnehmer anhand eines mitgebrachten eigenen Problems aus dem Kulturbereich herausfinden sollte, welche technischen Parameter zu ihren Problemen, also Widersprüchen, passen könnte und welche Lösung TRIZ dafür vorschlägt.

Dr. Mechthild Klotz, eine erfahrene Theaterdramaturgin und seit einiger Zeit erfolgreich als Mediatorin aktiv, brachte aus ihrer aktuellen Arbeit ein interkulturelles Projekt mit, bei dem Migranten sich künstlerisch mit Tanz, Musik, Theater oder Bildender Kunst betätigen. Sie entwickelte dafür ein Revue, die biografische Elemente ihrer Gruppenteilnehmer bewusst aufgreift. Mit der Rainbow Paper Initiative Hannover lieferte Klotz vor allem einen wichtigen Beitrag zum europäischen Jahr des interkulturellen Dialogs und steht nun sogar kurz vor einer Vereinsgründung. Eine ihrer Herausforderungen bestand aber darin, eine breitere Basis für ihre Arbeit mit Migranten zu erhalten, dafür mehr finanzielle Unterstützung zu bekommen und letztlich die höchst mögliche Akzeptanz für dieses Projekt zu erreichen. Gemeinhin bestehende Vorurteile und Berührungsängste gegenüber ausländischen Mitbürgern erweisen sich nicht nur hier als Hürde. Gemeinsam mit den anderen Teilnehmern wurde nun das Problem so weit wie möglich herunter gebrochen auf den Kern, um aus der mitgebrachten Widerspruchsmatrix von TRIZ passende Parameter herauszufinden. Für den zu verstärkenden Parameter "Akzeptanz" wurde der physikalische Begriff "Helligkeit" gewählt, als gegensätzlicher Parameter der Begriff "Leistung". Ziel war demzufolge, eine größere Helligkeit (gesellschaftliche Wahrnehmung) zu erzeugen, ohne das man mehr Leistung (Geld, Marketing o.ä.) dafür benötigt. Aus der Matrix wurde für diese beiden Parameter als Lösung der Aspekt der Farbänderung vorgeschlagen. Es wurde schnell klar, dass dieser Vorschlag tatsächlich eine geeignete Denkhilfe war, denn nun trugen die Teilnehmer alle Ideen zusammen, die sich aus dem Impuls der Farbänderung ergaben. So kam man u.a. darauf, dass es im Projekt darum gehen müsse, die Migranten in erster Linie als Künstler bzw. in ihren Berufen (Ärzte, Chemiker, Krankenschwester, Lehrer usw.) wahrzunehmen. Der Blickwinkel des Publikums müsse also verändert werden. Mindestens ein Dutzend anderer Vorschläge sorgten dafür, dass Mechthild Klotz nun mit neuen Ideen das Projekt weiterentwickeln und es damit sicher noch erfolgreicher machen wird .

Der Künstler Franz Betz aus Hannover beschäftigt sich neben Bildhauerei sehr viel mit Lichtkunst. So entwickelte er ein eigenes Alphabet, bestehend aus charakteristischen Buchstabenfiguren in Form von Lichtröhren, bei denen die Aneinanderreihung im Sinne eines Codes neue kommunikative Ausdrucksformen erschafft. Betz stand vor der Frage, wie es ihm einerseits gelingt, das andere Künstler oder Produktdesigner diese Lichtskulpturen aufgreifen, er andererseits aber immer noch als Urheber der künstlerischen Idee eine gewisse Kontrolle darüber behält. Für dieses sehr aktuelle, typische Problem aus dem Gebiet des Copyrights gelang es ebenfalls, mit der TRIZ-Methode zahlreiche Lösungsansätze zu finden. So kamen Ideen, zu den Buchstaben eigene Minigeschichten zu erfinden, Projekte mit Musik, Tanz oder Film daran anzuknüpfen oder - nicht ganz ohne Humor - eine Buchstabensuppe oder Lakritze davon zu kreieren.

Ähnlich hilfreiche Erkenntnisse brachte die TRIZ-Methode für die Teilnehmerin Elke Brommer aus Kassel, die sich nebenberuflich für die stärkere gesellschaftliche Anerkennung privater Musikschulen stark macht. Hier nutzten die Anwesenden mit der Methode der Idealisierung anstelle der Widerspruchsmatrix ein anderes TRIZ-Instrumentarium. Dabei stellte sich heraus, dass der Versuch, sich ein Ideal von kultureller Bildung vorzustellen, alles andere als einfach ist. Zu viele unterschiedliche Konzepte, aber auch Hemmschwellen spielen hier eine Rolle. Dennoch ist das Vorgehen der Idealisierung ein guter Ansatz und half, Denkblockaden zu beseitigen. Die Trainerin Barbara Gronauer sorgte mit ihrer Erfahrung dafür, dass man in einer überschaubar kurzen Zeit eine ideale Zielbeschreibung formulieren konnte. Eines der Vorschläge war u.a. die Idee eines Bildungs-BAföGs, bei dem Eltern die Möglichkeit erhalten, durch einen staatlichen Zuschuss leichter zu entscheiden, welche der zahlreichen Angebote - Theater, Musikschule, Tanz usw. - sie ihren Kindern anbieten wollen. Dies entspricht im übrigen einem Trend in der Kulturförderung, mehr Wettbewerb und Vielfalt zwischen den Kulturangeboten durch eine teilweise Verlagerung der Finanztransfers hin zum Nutzer zu erreichen. So wird die Gefahr bedeutend gesenkt, dass sich nur die finanziell besser gestellten Elternhäuser den Musikschul- oder Tanzunterricht ihrer Kinder leisten.

Gerade aufgrund der Tatsache, dass die Teilnehmer des Workshops aus ganz unterschiedlichen Bereichen der Kultur kamen, konnte wirkungsvoll überprüft werden, ob TRIZ in wirklich vielen Fällen Denkmuster bereit halten würde, die die Lösungssuche für Probleme erleichtert. Das positive Ergebnis überraschte in seiner Deutlichkeit alle Beteiligten und sorgte für eine rundum gelungene Veranstaltung. Es lohnt sich ganz offensichtlich, in seinem Bereich mit fachfremden Methoden eigene Lösungsstrategien zu entwickeln. Während das Brainstorming in vielen Kultureinrichtung aufgrund der offenen, unbeschränkten Ideenfindung bereits an der Tagesordnung ist, stellt TRIZ eine interessante Alternativ dar, die den Vorzug hat, viel systematischer und umfassender sich Problemen zu nähern. Man war sich in Kassel sicher, nicht das letzte Mal zu diesem Thema zusammengekommen zu sein. Das Experiment war rundum geglückt.
 

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