02.09.2021

Themenreihe Berufsbild

Autor*in

Holger Simon
ist geschäftsführender Gesellschafter der Pausanio GmbH & Co. KG und Direktor der Pausanio Akademie für Cultural Entrepreneurship. Der habilitierte Kunsthistoriker ist außerplanmäßiger Professor an der Universität Köln und gründete diverse Internetprojekte wie das Prometheus Bildarchiv, das Historische Archiv Köln und die Calaios Plattform für Online-Führungen und Vorträge.
Veronika Schuster
ist ausgebildete Kunsthistorikerin und Kulturmanagerin. Sie hat mehr als 10 Jahre als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Co-Kuratorin für verschiedene Ausstellungsprojekte und Kultureinrichtungen gearbeitet. Sie verantwortet bei Kultur Management Network die Leitfäden und Arbeitshilfen und arbeitet als Lektorin und Projektleiterin für unterschiedliche Publikationsformate.
Berufsbild Kunsthistoriker*in

Weiterbildung wird essenziell

Das Berufsbild der Kunsthistoriker*innen wandelt sich gerade nachhaltig. Das bedarf ein Umdenken sowohl in den Ausbildungsstätten als auch bei den Arbeitgeber*innen, wie Holger Simon erklärt. Er bringt sein Know-how zur Weiterbildung und zu Gründungen von Geisteswissenschaftler*innen u.a. in den Verband Deutscher Kunsthistoriker ein.

Themenreihe Berufsbild

Lieber Herr Prof. Dr. Simon, der Kulturbetrieb wandelt sich stetig. Wie gestaltet sich dabei aktuell das Berufsbild von Kunsthistoriker*innen?
 
Das Berufsbild Kunsthistoriker*in umfasst eine immense Breite an Tätigkeitsfeldern und diese wandeln sich ebenso stetig wie der Kulturbetrieb. Das beginnt mit der Arbeit als Wissenschaftler*in, als Mitarbeiter*in im Museum, in der Denkmalpflege usw. und reicht bis in den sehr umfassenden Bereich der freiberuflich tätigen Kunsthistoriker*innen. Alle Bereiche haben dabei sehr unterschiedliche Anforderungsprofile. In den deutschen Kulturbetrieben herrscht dagegen ein sehr klassisches Bild von Kunsthistoriker*innen und deren Tätigkeiten. Das können Sie etwa an den Stellenausschreibungen im musealen Bereich beobachten. Da wird das klassische Studium der Kunstgeschichte inklusive Promotion selbstverständlich erwartet, obwohl das Arbeitsfeld sich extrem diversifiziert hat und eine Vielzahl an neuen Aufgaben hinzu gekommen ist, die nicht originär an das Kunstgeschichtsstudium gebunden sind. Quereinsteiger*innen gibt es noch sehr selten. Bei unseren europäischen Nachbarn, etwa in den Niederlanden, gibt es ein sehr viel gemischteres Bild. 
 
Wie haben sich bei diesem Wandel die Ansprüche an angestellte Kunsthistoriker*innen verändert?
 
Wenn man die Arbeit in den Wissenschaften außen vorlässt, kann man deutliche Veränderungen gerade im Bereich Museum und Denkmalpflege sehen: Die Aufgaben sind vielfältiger geworden. Es geht nicht mehr ausschließlich um inhaltliche Konzeptionen von Ausstellungen, sondern um komplexes Projektmanagement, um umfangreiches Wissen zu Finanzierungsmöglichkeiten und Drittmittelanträgen, um professionelles Knowhow zum Marketing und zu Themen der Digitalisierung. Die wachsenden Aufgaben sind ein Phänomen der heute sich schnell verändernden Umwelt und das betrifft alle Berufsfelder. Das bedeutet, dass sich Arbeit und das Arbeitsumfeld verändern müssen - auch im Museum. Ein zentraler Punkt ist dabei, dass wir heute nicht wissen können, welche Fähigkeiten und welches Wissen wir in 10 Jahren benötigen. Folglich wird der Fort- und Weiterbildung eine besondere Aufgabe zu kommen. 
 
Blicken wir auf den Großteil der deutschen Museen in Klein- oder Mittelstädten, bei denen wir häufig von nur drei bis fünf Angestellten sprechen: Wird hier nicht die eierlegende Wollmilchsau erwartet bei den Ansprüchen, die Sie schildern? Sind Kunsthistoriker*innen dafür überhaupt ausgebildet?
 
Das ist die zentrale Frage. Als Kunsthistoriker*in muss man heute ein Museum managen können. Ja, dafür sind und werden die meisten Kunsthistoriker*innen nicht ausgebildet. Die hauptsächlich wissenschaftlich arbeitenden Museumsdirektor*innen gehören aber der Vergangenheit an. Man hat nun zwei Möglichkeiten. Zum einen kann diskutiert werden, ob man auf der Seite der Institutionen die Ansprüche verändert und etwa eine Doppelspitze mit ausgebildeten Betriebswirt*innen einsetzt. Oder man muss Kulturmanagement in Museen nachhaltiger zum Thema machen. Aber bleiben wir realistisch: Es wird auf die zweite Lösung hinauslaufen müssen. Das bedeutet auch, dass Kunsthistoriker*innen an einer unternehmerischen Zusatzausbildung nicht vorbei kommen. 
 
Bei diesen Diskussionen wird die größte Hürde sein, solche dringend notwendige Themen in das Curriculum des Kunstgeschichtsstudium aufzunehmen. Universitäten sind aber in diesem Zusammenhang die sich am langsamsten verändernden Institutionen. Die Institute stehen unter dem Druck, Spitzenforschung zu liefern. Sie verstehen sich - vor allem im Bereich der Geisteswissenschaften - nicht als Einrichtungen zur Berufsausbildung. Sie bilden Wissenschaftler*innen aus. Und Seminarangebote zu unternehmerischem Denken und Handeln sind eine absolute Seltenheit. Es wird also eher eine Aufgabe der Weiterbildung während des Angestelltenverhältnisses sein und muss von den Institutionen, die dieses Wissen benötigen, unterstützt werden. 
 
Findet das aber aktuell in den betreffenden Institutionen statt? 
 
Viel zu selten. Die Forderung nach Weiterbildung wird von der Kulturpolitik gestellt werden müssen. Sie ist es aber auch, die mit ausreichenden Mitteln die Möglichkeiten dazu schaffen muss. Aktuell ist es doch so, dass klassisch ausgebildete Kunsthistoriker*innen z.B. Leitung der Kommunikationsabteilung werden und dies in den Museen als Marketing verstanden wird. Marketing ist aber mehr als Kommunikation und greift weit in die kundenorientierte Produktentwicklung hinein. Das haben Kunsthistoriker *innen schlicht nicht gelernt. Und ob das vom Management gewünscht wird, steht nochmal auf einem ganz anderen Blatt. Aber solche unternehmerischen Aufgaben werden ein großes Thema der Zukunft werden. 
 
Im Kulturbetrieb kennt man einige Museumsdirektor*innen, die mit einem Handwischen Marketing zu einem Klacks erklären. Sind betriebswissenschaftliche Aspekte nicht eher verpönt bzw. werden in ihren Möglichkeiten nicht ernst genommen? 
 
In Deutschland herrscht durchaus die Vorstellung, dass man als Kunsthistoriker*in, Archäolog*in oder Historiker*in Wissenschaft betreiben muss und möchte. Zu einem Problem wird das, wenn man auf die Aufgaben eines Museums blickt. Diese sind nicht nur wissenschaftliche Einrichtungen, sie sind vermittelnde Institutionen. Und dieser Vermittlungsaspekt steht aktuell nicht auf dem gleichen Rang wie die Wissenschaft und wird immer noch stiefmütterlich behandelt. Vor allem im internationalen Vergleich stehen die deutschen Einrichtungen bei diesen Themen noch weit hinten. Hier wird sich vieles ändern müssen. Aber dennoch will ich betonen, dass es viele Beispiele in Deutschland gibt, die den Weg schon aufzeigen. Aber es sind noch zu wenige. 
 
Blickt man in die Besetzungskommissionen, sitzen dort aber eher diejenigen, die ein klassisches Berufsbild vertreten, und so werden die Leitungsposten sehr klassisch besetzt. 
 
Das scheint so zu sein. Aber all das, was wir gerade angesprochen haben, wird sich sehr langsam verändern und das deshalb, weil Museen noch nicht dem nachhaltigen Druck ausgesetzt sind, etwas zu ändern. Blicken Sie in den Theaterbereich, dort sieht es schon ganz anders aus. Hier herrscht ein immenser Veränderungsdruck. Nur man darf nicht glauben, dass der auf die Museen nicht zukommen wird. Er wird kommen und vor allem die kleineren und mittelgroßen Einrichtungen betreffen. 
 
Museen sollen nun auch noch zu sogenannten Dritten Orten werden, sie sollen Integration und Teilhabe für jeden ermöglichen. Aufgaben, für die noch gar nicht definiert ist, was dafür benötigt wird.
 
Das wird der Veränderungsdruck sein, der zu erwarten ist. Sollen Museen diese Aufgaben erfüllen, müssen sie besser ausgestattet werden. Da geht kein Weg vorbei. Aber ein anderer Aspekt ist hier viel spannender: Das Thema der Dritten Orte kommt aus den Museen selbst, sie haben erkannt, dass sie diese Räume sein können. Die Politik hat sich lediglich dieses Begriffs für ihre eigenen strategischen Gedanken bedient. Daran sieht man, wie viel Ideen- und Innovationskraft in Museen existiert, diese muss nur kanalisiert und professionalisiert werden. Und wenn das gelingt, dann gehen Museen in die richtige Richtung für eine nachhaltige Zukunft. 
 
Aber müssten die Museen nicht mehr Kulturpolitik machen, um für solche Aufgaben und Themen mehr Ressourcen zu bekommen? 
 
Diejenigen, die solche Veränderung vorantreiben, argumentieren gegenüber der Politik sehr selbstbewusst. Das liegt auch daran, dass sie ihr Potenzial erkannt haben und es als gewichtiges Argument nutzen. In diesem Sinne sind sie sicher ihre eigenen Kulturpolitiker*innen. Das könnte in der Breite mehr genutzt werden. Aber um kulturpolitisch aktiv zu werden, muss man die Ressourcen haben. Die Entwicklung hin zu befristeten Verträgen ist bei all unseren besprochenen Themen eine fatale Entwicklung. Denn so geht nicht nur Wissen verloren, sondern auch Stabilität und Planungssicherheit, die dafür so wichtig sind. 
 
Dieses Interview erschien zuerst im Kultur Management Network Magazin "Kultur politisch".

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