17.10.2022

Themenreihe Berufsbild

Autor*in

Vera Hefele
ist Kultur- und Transformationsmanagerin. Vor der Gründung von WHAT IF im Jahr 2020 war sie u.a. beim Ensemble Musikfabrik, an der Oper Köln, bei der musica viva des Bayerischen Rundfunks und an der Bayerischen Staatsoper tätig. Mit WHAT IF arbeiten sie u.a. mit dem Theater Regensburg, mit dem Kulturamt der Stadt Würzburg, dem Mahler Chamber Orchestra und dem Klimafestival "endlich." des Staatstheater Augsburg zusammen.
Teresa Trunk
ist Betriebswirtin, Kultur- und Transformationsmanagerin. Sie arbeitete u.a. beim Jazzlabel ACT Music und der Künstleragentur Künstlersekretariat am Gasteig. Im Jahr 2020 gründete sie mit Vera Hefele das Projektbüro für nachhaltige Kultur. Mit WHAT IF arbeiten sie u.a. mit dem Theater Regensburg, mit dem Kulturamt der Stadt Würzburg, dem Mahler Chamber Orchestra und dem Klimafestival "endlich." des Staatstheater Augsburg zusammen. 
Berufsbilder im Kulturbereich

Gründer*innen eines Nachhaltigkeitsbüros

Ein ökologisch nachhaltiger Kulturbetrieb ist eines der Ziele von Vera Hefele und Teresa Trunk. Um auf dem Weg dorthin möglichst viele Kultureinrichtungen mitzunehmen und zu begleiten, haben sie nach ihrem Masterstudium 2020 WHAT IF gegründet, das Projektbüro für nachhaltige Kultur, und sich zu Transformationsmanagerinnen ausbilden lassen. Was dabei besonders prägend war und welche Relevanz ihr Berufsfeld in Zukunft für den Kulturbereich haben wird, berichten sie in diesem Berufsbild-Interview.

Themenreihe Berufsbild

Was waren eure wichtigsten beruflichen Stationen? Welche haben euch auf besondere Weise geprägt?
 
VH: Das ist gar nicht so einfach zu sagen. Den Weg, den ich jetzt zusammen mit WHAT IF gehe, ist nicht unbedingt die logische Konsequenz meines bisherigen Werdegangs und unsere Tätigkeit unterscheidet sich inhaltlich sehr von meiner bisherigen Arbeit. Ich möchte aber keine einzelne Station meines Berufswegs missen, denn jede hat mich in irgendeiner Hinsicht weitergebracht und geprägt. Ich bin zum Beispiel froh, dass aus einer geplanten einjährigen Pause zwischen Bachelor und Master letztendlich vier Jahre wurden, und ich nach einem dreiviertel Jahr im Tourmanagement des Ensemble Musikfabrik drei Jahre als Intendanzassistentin an der Oper Köln die betrieblichen Strukturen eines großen Theaterhauses kennenlernen durfte. Als ich während meines Kulturmanagement Masters in München bei der Konzertreihe musica viva des Bayerischen Rundfunks gearbeitet habe, habe ich mich verstärkt mit der Tournee- und Reisetätigkeit von Orchestern und Musiker*innen auseinandergesetzt - nicht, weil das bei der musica viva besonders ausgeprägt war, sondern weil ich näher am Konzertbetrieb dran war, wo das ein großes Thema ist. Und diese Frage ist in meiner jetzigen Tätigkeit eines der großen Themen: das Reisen nachhaltiger zu gestalten. 
 
TT: Meine beruflichen Stationen haben mich in ganz unterschiedlicher Weise geprägt, manche mehr persönlich und andere eher fachlich. Ich habe in sehr unterschiedlichen Bereichen innerhalb der Kulturbranche gearbeitet, was mir verschiedene Einblicke ermöglicht hat. Beispielsweise habe ich beim Jazzlabel ACT im Marketing und Product Development gearbeitet und habe dort noch viel mehr den wirtschaftlichen Part der Musikbranche kennengelernt, als ich es bis dahin aus der Klassik kannte. Bei meiner Tätigkeit in der Künstleragentur Künstlersekretariat am Gasteig habe ich mich dann, so wie Vera, auch sehr viel mit Reise- und Tourneetätigkeiten beschäftigt. Ab da hat sich auch mein Interesse für das Thema Nachhaltigkeit immer mehr mit meinem beruflichen Tun verwoben. Insgesamt würde ich sagen, dass ich durch alle Stationen vor allem gemerkt habe, was mir wichtig ist in meiner Arbeit: zum Beispiel, dass ich einen positiven Beitrag für eine bessere Welt leisten möchte, und versuchen will, etwas zu bewegen. Oder auch, wie wichtig für mich die Menschen sind, mit denen ich zusammenarbeite und dass ich eine gute Arbeitsatmosphäre brauche. Das sind u.a. zwei Punkte, die ich jetzt durch WHAT IF selbst gestalten kann, was ich an der Selbständigkeit sehr schätze.
 
Welche Aufgaben fallen in euren derzeitigen Tätigkeitsbereich? Wie sieht ein typischer Arbeitstag von euch aus und was erfüllt euch dabei mit besonderer Freude?
 
Beide: Jeder Tag ist anders. Wir haben reine Bürotage, die wir meistens gemeinsam mit einem Kaffee in der Hand beginnen und uns kurz austauschen, was heute ansteht und wie’s uns geht. An manchen Bürotagen machen wir ganz klassischen Orgakram, wie Angebote und Rechnungen schreiben, Homepage aktualisieren oder - und das macht sehr viel mehr Spaß - Konzepte entwickeln, Analysen und Auswertungen machen oder Workshops vorbereiten. Dadurch, dass wir in unterschiedlichen Städten wohnen - Teresa in München und Vera in Berlin - arbeiten wir größtenteils digital zusammen, was super funktioniert. Wir entwickeln viel gemeinsam und teilen es uns für die Ausarbeitung auf.
 
Wir sind aber natürlich auch viel unterwegs bei unseren Kund*innen. Oft nutzen wir diese Vorort-Termine, um "Deep Dive Phasen" anzuschließen. Dann arbeiten wir gemeinsam an einem Ort so richtig intensiv zusammen. Das ist besonders für Brainstormings und die erste Phase in der Konzeptentwicklung sehr effektiv. Wenn das aber gerade mal nicht möglich ist, ist miro unser Lieblingstool, um gemeinsam co-kreativ unsere Projekte zu entwickeln und zu strukturieren. Unser Tätigkeitsbereich ist insgesamt sehr vielfältig, weil wir alles selbst machen: Akquise, Social Media, Steuer und Analysen sowie Workshopvorbereitung - das macht unsere Arbeit aber auch so abwechslungsreich.
 
Welche Aspekte eurer Ausbildung haben eurer beruflichen Laufbahn am meisten geholfen?
 
Beide: Wir haben uns im Kulturmanagementstudium an der HMT München kennengelernt und schon damals zahlreiche Projektarbeiten in Seminaren sowie in der studentischen Beratungsagentur forwart zusammen gemacht. Zudem haben wir haben im Studium über zwei Semester hinweg gemeinsam einen Businessplan geschrieben. Inhaltlich hat uns die damalige Geschäftsidee nicht nachhaltig beeinflusst, aber der Entrepreneurship Schwerpunkt des Studiums insgesamt und die Arbeit an dem Businessplan hat uns bei der Gründung sehr geholfen. Vielleicht hat uns das auch erst den Mut gegeben, den Schritt zu gehen - wir hatten beide eigentlich nicht vor, uns selbstständig zu machen. Was wir dabei gelernt haben, ist, gemeinsam als Team von Null - also ohne viele Vorgaben und Anweisungen - an eine Fragestellung ranzugehen und sehr selbstständig zu strukturieren. 
 
Die aus heutiger Sicht aber wohl wichtigste Phase unseres Studiums war die Masterarbeit. Wir haben unabhängig voneinander ein fast gleiches Thema gewählt, woraufhin unsere Betreuerin uns angeboten hat, gemeinsam eine Arbeit zu schreiben und dafür die Forschungsfrage mit einer qualitativen und quantitativen Erhebung zu beantworten. Unser erstes Gespräch hatten wir in der ersten Woche des Lockdowns. Unsere Jobs im Konzertbereich waren damals on hold, wodurch wir auf einmal sehr viel Zeit hatten und uns intensiv mit Nachhaltigkeit im Kulturbereich auseinandersetzen konnten. Das hat den Grundstein für die Gründung von WHAT IF gelegt, weil uns klar wurde, dass wir uns auch über die Masterarbeit hinaus mit dem Thema beschäftigen wollen und weil es viel zu tun gibt.
Welche Bereiche haben euch in eurer Ausbildung gefehlt und wie habt ihr diese Kompetenzen stattdessen erworben?
 
Beide: Abgesehen von unserer eigenständigen Beschäftigung mit Nachhaltigkeit im Rahmen der Masterarbeit haben wir das Thema im Studium vermisst. Nach unserer Masterarbeit haben wir dann die Weiterbildung des Aktionsnetzwerks Nachhaltigkeit in Kultur und Medien gemacht und uns zu Transformationsmanager*innen Nachhaltige Kultur ausbilden und von der IHK zertifizieren lassen. 
 
Mittlerweile findet sich das Thema Nachhaltigkeit aber in den Curricula mehrerer Unis und Hochschulen wieder. Umso mehr freut es uns, dass wir im nächsten Semester einen Lehrauftrag an der Uni Salzburg/ Uni Mozarteum haben und Studierenden verschiedener Fachrichtungen das mitgeben können, was wir vermisst haben.
 
Mit der (ökologischen) Nachhaltigkeit befassen sich die Kultureinrichtungen im deutschsprachigen Raum erst seit ein paar Jahren verstärkt. Wie hat sich das auf das Berufsbild der "Kultur- und Transformationsmanager*innen" in den letzten Jahren ausgewirkt? Und wie wird sich dieses Berufsbild voraussichtlich in den nächsten Jahren entwickeln?
 
Wenngleich das Berufsbild der Transformationsmanager*innen ein ganz neues Berufsbild ist, merkt man bereits, dass nach und nach immer mehr Stellen in diesem Bereich geschaffen und ausgeschrieben werden. Und das ist auch wichtig, denn die Aufgabe, einen Betrieb nachhaltig umzugestalten, ist eine sehr komplexe. Wir können von außen unterstützen, eine Struktur aufzubauen, den Prozess zu planen und helfen, den Freiraum für das Thema überhaupt erst einmal zu schaffen. Eine langfristige nachhaltige Transformation funktioniert aber nur, wenn sich in der Institution eine oder mehrere Personen darum kümmern und auch die nötigen Kapazitäten und das Know-how haben. Dafür wird es in der Zukunft Menschen brauchen.
 
Gab es Situationen in euren Karrieren, in denen ihr das Gefühl hattet, das Ziel nicht mehr zu erreichen? Welchen Rat könnt ihr anderen jungen Kulturmanager*innen in solchen Situationen mit auf dem Weg geben? 
 
Beide: Ehrlicherweise muss man bei der Selbstständigkeit immer mal wieder Ungewissheiten aushalten, die zur Frage führen, ob das alles richtig ist. Von langjährigen Selbstständigen wissen wir, dass dieses Gefühl auch nach langer Zeit immer mal wieder auftaucht. Am Ende haben für uns aber bisher die gegenteiligen Momente überwogen, in denen sich alles fügt und so erfüllend ist, dass sie über die etwas schwierigeren Phasen hinweghelfen. Die Selbständigkeit ist natürlich nicht für jede*n etwas und es ist einfach Typsache, ob man die Unsicherheit und die Verantwortung, die man dadurch trägt, aushalten kann und mag. Eine Anstellung mit festem Monatsgehalt, geregelten Arbeitszeiten und abgesteckten Verantwortungsbereichen bietet da natürlich mehr Sicherheit, dafür vielleicht weniger eigenen Gestaltungsspielraum. Aber beides hat Vor- und Nachteile, sodass man sich ehrlich selbst fragen muss, welche Arbeitsform für einen die richtige ist. Wir haben sehr auf unser Bauchgefühl gehört und sind dem Weg gefolgt, der sich richtig angefühlt hat - in unserem Fall war das nicht der Sprung ins eiskalte Wasser. Wir haben aus Teilzeitfestanstellungen heraus gegründet und uns so langsam der vollen Selbstständigkeit angenähert. Auf unser Bauchgefühl zu hören, ist für uns auf jeden Fall auch in anderen Situationen ein wichtiger Indikator, wenn wir eine Entscheidung treffen und bisher sind wir damit ganz gut gefahren. Sich gut zu kennen und zu verstehen, wie man tickt, was einem wichtig ist, ist essenziell, um den richtigen Weg für sich zu finden.
 
Praxiserprobtes Wissen zum Thema "Ökologische Nachhaltig" vermitteln Vera Hefele und Teresa Trunk neben ihrer Tätigkeit bei WHAT IF und ihren Lehraufträgen auch in unserem Leitfaden "Nachhaltigkeitsmanagement".

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