29.11.2021

Themenreihe Berufsbild

Autor*in

Jorin Zschiesche
gründete recordJet 2008 und ist bis heute in allen Unternehmensbereichen involviert. Zuvor war er bei der Berlin Music Commission eG und im Management Label und Vertrag tätig. Er gründete 2016 das Label Filter Music Group, bei dessen CEO er ist. Seit 2016 ist er zudem Vorstand im Verband unabhängiger Musikunternehmen (VUT).
Kristin Oswald
leitet die Online-Redaktion von Kultur Management Network. Sie studierte Geschichte und Archäologie in Jena und Rom sowie Social Media-Marketing in Berlin. Sie ist freiberuflich in der Wissenschaftskommunikation und im Museumsmarketing mit Schwerpunkt online tätig.
Berufsbilder im Kulturbetrieb

CEO & Gründer von Musikvertrieben

Wer in der Musikindustrie Fuß fassen möchte, kommt um die Zusammenarbeit mit einem Musikvertrieb selten drumrum. Findet man dabei keinen Vertrieb, der mit den eigenen Werten übereinstimmt, kann man entweder weitersuchen - oder seinen eigenen gründen. Für letzteres hat sich Jorin Zschiesche entschieden. Über seinen damit verbundenen Weg sowie die Entwicklung der Musikindustrie berichtet er uns im Interview.

Themenreihe Berufsbild

KMN: Lieber Herr Zschiesche, was waren Ihre wichtigsten beruflichen Stationen? Welche haben Sie auf besondere Weise geprägt?
 
Jorin Zschiesche: Bevor ich recordJet ins Leben rief, war ich selbst Musiker. Als DJ und Produzent wollte ich ein Album veröffentlichen und vertreiben. Allerdings stand ich vor einem Problem: Ich fand keinen Vertrieb, der fair und transparent gegenüber Künstler*innen war. Also entschloss ich mich, das selbst in die Hand zu nehmen und gründete im Jahr 2008 einen Musikvertrieb, bei dem die Rechte und Einnahmen bis zu 100 Prozent bei den Künstler*innen landen: recordJet. Bis heute bin ich dessen CEO, aber die Gründung war erst der Anfang von vielen Stationen. 
 
Im Jahr 2013 wurde ich Kurator der Berlin Music Commission, ein Netzwerk für Musiker*innen und Akteur*innen aus der Musikwirtschaft. Anschließend war ich beim Label Lichtdicht Music für Label und Verlag zuständig. Auch hier übermannte mich der Gründungsdrang und 2016 entsprang daraus als Nachfolger von Lichtdicht Music die Filter Music Group, bei der ich nach wie vor als Geschäftsführer fungiere und das Artist & Repertoire Management betreue. Zudem bin ich seit 2016 Vorstand im Verband unabhängiger Musikunternehmen (VUT). Natürlich war die erste Gründung die aufregendste und ich bin stolz darauf, dass recordJet mittlerweile ein europaweit erfolgreiches Unternehmen ist. Nichtsdestotrotz waren alle Stationen wertvoll und prägend für mich, jede auf ihre eigene Art und Weise samt unterschiedlichster Erfahrungen. 
 
KMN: Welche Aufgaben fallen in Ihren derzeitigen Tätigkeitsbereich? Wie sieht ein typischer Arbeitstag von Ihnen aus und was erfüllt Sie dabei mit besonderer Freude?
 
JZ: Bis vor ein paar Jahren begann mein Tag erst gegen elf Uhr vormittags. Das änderte sich mit meinem Nachwuchs. Mittlerweile bin ich ein Frühaufsteher und meistens schon um acht Uhr auf dem Weg ins Büro. 
 
Besonders viel Freude bereitet mir unsere zwischenmenschliche Dynamik im Team. Wir arbeiten alle gerne hier und das merkt man nicht nur in unserem Arbeitsalltag, sondern auch im Umgang miteinander. 
 
Meine Aufgabenbereiche haben sich in der Zeit stark verändert. Anfangs war ich für fast alle Bereiche zuständig; vom Support bis hin zu den Abrechnungen. Im Laufe der Zeit sind allerdings immer mehr Mitarbeiter:innen hinzugekommen, die mir die meisten Aufgabenbereiche abnehmen konnten, damit ich mich nun vorrangig um strategische Entscheidungen, essenzielle Meetings und Führungsaufgaben kümmern kann. Meine Familie steht währenddessen stets hinter mir, voller Verständnis und Unterstützung. 
 
Spannend finde ich, weiterhin an neuen Visionen zu tüfteln und sie auch anschließend umzusetzen. Ich möchte das Unternehmen stets weiterentwickeln und vorantreiben. Außerdem liebe ich alles was mit der Technik zu tun hat. Lustigerweise gehört sogar das Prüfen der Store-Abrechnungen zu meinen liebsten Aufgaben. 
 
KMN: Welche Aspekte Ihrer Ausbildung haben Ihnen bei Ihrer beruflichen Laufbahn am meisten geholfen?
 
JZ: Mein Studium war sehr vielfältig, es wurden einige Bereiche angeschnitten und viele Basics sowie auch einiges an Grundwissen vermittelt. Natürlich kann man viele Aufgaben bei weitem nicht so gut lösen wie die entsprechenden Expert*innen, jedoch kann man die Ergebnisse beurteilen und professionelles, konstruktives Feedback geben.
 
KMN: Welche Bereiche haben Ihnen in Ihrer Ausbildung gefehlt und wie haben Sie diese Kompetenzen stattdessen erworben?
 
Leider gibt es kein Studium für Musikdistribution. Damals war alles neu und musste von Grund auf gedacht werden. Mein treuer Begleiter war mein Bauchgefühl und das gute alte "learning by doing”. Es war schon immer eine meiner Stärken, mich in komplexe Sachverhalte hineinzudenken, sie zu analysieren und eigene Lösungen zu entwickeln. Für mich hat das auf diese Weise super funktioniert. Was das Führungsteam betrifft, haben wir uns stetig insbesondere bezüglich Führung und strategischem Management weitergebildet. Ansonsten setzen wir auf weitreichenden Austausch mit Kolleg*innen, um die besten Ideen und Lösungen für alle Bereiche zu finden.
 
KMN: Wie hat sich Ihr Berufsbild in den letzten Jahren verändert? Und wie wird es sich voraussichtlich in den nächsten Jahren entwickeln?
 
JZ: Mein Beruf hat sich auf Grund der Digitalisierung enorm verändert, insbesondere als damals das Internet und bald darauf das Streaming bekannt wurden. Was früher die CDs waren, ist heute das Musikstreaming. Laut BVMI stammten im Jahr 2020 ganze 71,5 Prozent des Gesamtumsatzes der Musikindustrie aus digitalen Einnahmen. Darunter vor allem Downloads und das Audio-Streaming.  Zum einen bedeutet das, dass vieles schneller und vereinfachter möglich ist, wie beispielsweise Musik zu veröffentlichen. Zum anderen wird es jedoch immer schwerer, als Newcomer*in im Schwall der neuen Releases nicht unterzugehen. Das bedeutet, dass man als Künstler*in ein starkes Sendungsbewusstsein braucht, um die Vielzahl der heutzutage relevanten Kanäle bespielen zu können. Musiker*innen müssen sich kontinuierlich informieren und weiterbilden, um am Puls der Zeit zu bleiben und zu wissen, was aktuell gefragt ist und was funktioniert. Das kann sich nämlich genauso schnell wieder ändern. Authentizität ist dabei der springende Punkt, denn diese Aufgaben werden nur teilweise an andere übertragen. 
 
Prognosen in einer so schnelllebigen Zeit - und Industrie - zu stellen, ist sehr schwierig. Von heute auf morgen gibt es oft neue Entwicklungen und Innovationen wie beispielsweise Spotify, mit denen niemand gerechnet hätte, die aber erheblichen Einfluss auf die Branche haben. Für mich bedeutet das, immer am aktuellsten Stand zu bleiben und stets die neusten Trends im Blick zu haben.
 
KMN: Gab es Situationen in Ihrer Karriere, in denen Sie das Gefühl hatten, das Ziel nicht mehr zu erreichen? Welchen Rat können Sie jungen KulturmanagerInnen in solchen Situationen mit auf den Weg geben?
 
Das Gefühl zu scheitern hatte ich vor allem ganz am Anfang. Da lag ich oft nachts wach und wusste nicht, ob und wie ich das alles schaffen soll. Dieses Gefühlt hat sich erst gelegt, als ich von recordJet leben konnte. Zugegeben: Ich hätte gedacht, dass recordJet nach zwei Jahren scheitern würde. Ich passte nicht unbedingt in das stereotypische Raster des "harten Chef aus dem Musikbusiness” und dachte, das wird mir noch zum Verhängnis. Das Gegenteil war jedoch der Fall und recordJet entwickelte sich immer weiter und weiter. Von da an waren die Zweifel wie weggeblasen.
 
Verlasst euch nicht nur auf euer Bauchgefühl. Man kann nicht immer alles intuitiv richtig machen. Auf Dauer zahlt es sich aus, in die eigenen Führungskompetenzen und die persönliche Weiterentwicklung zu investieren. Eine gute Intuition entscheidet vielleicht darüber, ob man gründet, ein guter Führungsstil und eine starke Persönlichkeit - zusammen mit einer Portion Glück - führt jedoch zu anhaltendem Erfolg. Und vor allem: Fördert Diversität und Frauen in den Führungsreihen! In unserer Geschäftsführung bei recordJet ist neben mir noch Carolin Wohlschlögel tätig. Ihre Einschätzung und Expertise sind in allen Unternehmensbereichen eine große Bereicherung, die ich nicht mehr vermissen möchte.
 

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