02.05.2022

Themenreihe Berufsbild

Autor*in

Hannes Tronsberg
gründete future demand Anfang 2019 auf der Basis von 5 Jahren Beratungserfahrung im Live-Entertainment-Markt mit dem Fokus auf digitale Transformation und über 7 Jahren Praxiserfahrung im Kulturmanagement. Die Mission: mehr Publikum für herausragende Live-Erlebnisse - mit moderner Technologie und Data Science.
Julia Jakob
studierte Musikwissenschaft und Kulturmanagement in Weimar. Praktische Erfahrungen im Kulturbetrieb sammelte sie bei unterschiedlichen Festivals und in verschiedenen Veranstaltungsbüros sowie als Agentin bei weim|art e. V. Seit 2021 ist sie die Chefredakteurin des Kultur Management Network Magazins und stellvertretende Leiterin der Redaktion.
Berufsbilder im Kulturbetrieb

Gründer*in eines Software-Startups für den Kulturbereich

Bei einem Studienabschluss in Musikwissenschaften und Philosophie denken wohl die wenigsten an eine Unternehmensgründung in den Bereichen Tech und Data Science. Zugegeben - das ist zwar untypisch, aber nicht unmöglich, wie Hannes Tronsberg uns im Interview berichtet. Mit Julia Jakob spricht er darüber, warum es mitunter hilfreich sein kann, keinem straighten Karriereweg zu folgen.

Themenreihe Berufsbild

Lieber Hannes, du hast 2019 future demand gegründet, wobei laut eurer Webseite zu eurem Team Datengurus, Softwareingenieur*innen, Berater*innenn, Marketers und Branchenspezialist*innen gehören. Zu welcher Gruppe zählst du dich? 

Hannes Tronsberg: Das kann ich nie so genau einordnen. Stand heute würde ich sagen, ich bin Unternehmer, Gründer oder "Builder". Das ist auch eng verbunden mit dem, was mich letztlich antreibt: Neues zu erschaffen, Neues zu entwickeln und etwas Neues aufzubauen. 
 
Was waren auf deinem bisherigen Weg zum Unternehmer die wichtigsten beruflichen Stationen? Welche davon haben dich auf besondere Weise geprägt?

HT: Ich habe keinen straighten Lebenslauf. Dennoch hat jede Station dazu beigetragen, dass ich dort hingekommen bin, wo ich heute beruflich stehe. So habe ich direkt nach dem Abi ein Jahr bei der Internationalen Bachakademie in Stuttgart gearbeitet. Diese Zeit hat mich vielfältig geprägt: sei es, weil ich beim europäischen Musikfestival den Festivalwahnsinn mitbekommen habe; weil ich Künstler*innen gefahren sowie Einlasskontrolle gemacht habe oder eine halbe Stunde vor einem Konzert beauftragt wurde, bei der Liveübertragung vom SWR auf der Bühne zu sitzen, um Noten umzublättern - ohne, dass ich das schon mal gemacht hatte oder zumindest die Werke zu kennen. Hier habe ich den Arbeitsalltag und auch (belebenden) Irrsinn der Branche mitbekommen. 
 
Für die Gründung war sicherlich meine Zeit als Berater und Projektleiter bei actori ein maßgeblicher Punkt- mit all den Personen und handelnden Akteur*innen, die ich dort kennengelernt habe und deren Unterstützung ich nach wie vor erfahre. Das hat sowohl mein Denken und auch mein Verständnis sehr geprägt, mir aber auch einen Entwicklungsschub verpasst. Außerdem wurde ich im Vorstellungsgespräch bereits gefragt, was ich machen würde, wenn ich 5 Millionen Euro bekäme - ob ich gründen würde. Und das hätte ich gern gemacht, hatte aber noch keine Idee. Über die Zeit bei actori kamen dann die entscheidenden Gedanken, sodass die Idee zu future demand im Rahmen dessen entstanden ist.
 
Zudem hat Ben Thompson mit seinem kostenpflichtigen Blog "Stratechery" meine Gedanken rund um future demand maßgeblich beeinflusst: In den Blogbeiträgen geht es um Strategiethemen im Tech Business, wobei er auch über eine Theorie schreibt, die er "Aggregation Theory" nennt, und darin etwa überlegt: Warum ist Google so stark? Warum ist Amazon so stark? Damit habe ich mich dann auch beschäftigt und mich gefragt, was es für den Veranstaltungsbetrieb bedeutet, diese Theorie zu übertragen: Wo sind die Hebel, die Wertschöpfungsketten verändern? 
 
Welche Aufgaben fallen aktuell in deinen Tätigkeitsbereich? Und wie sieht ein typischer Arbeitstag bei dir aus?
 
HT: Ich sehe ich meine Verantwortung und meine Aufgaben vor allem darin, dafür zu sorgen, dass unsere aktuell 15 Teammitglieder, ihren Job bestmöglich machen können - indem ich sie unterstütze und ihnen all die Informationen, Ressourcen und die Tools zur Verfügung stelle, die sie brauchen. Das ist meine Hauptaufgabe, in Kombination dem Blick auf die Vision unserer Company und entsprechenden Priorisierungen. Auf einem sehr operativen Level mache ich im Moment auch noch sehr viel selbst und bin aktuell auch viel unterwegs. Aber ich springe auch dort ein, wo entweder Teammitglieder ausfallen, wir nicht genug Personen haben oder wenn wir Positionen nicht schnell genug besetzt bekommen. Das bringt also eine extreme Vielfältigkeit in meinem Alltag mit sich. Hinzukommen an einem Bürotag in Berlin zahlreiche Meetings - im Schnitt sind es ungefähr 8 bis 10 pro Tag.
 
Was erfüllt dich in deinem Job mit besonderer Freude? 

HT: Aus Unternehmersicht freue ich mich natürlich besonders, wenn ein Vertrag unterschrieben ist. Das ist umso erfreulicher, wenn Kund*innen überraschend auf uns zukommen und wir so nur sehr wenig Aufwand in diesen kompletten Vorgang stecken. Das passiert leider noch nicht ganz so oft, aber solche Momente sind natürlich super. Zudem arbeite ich sehr gern an der Produktweiterentwickelung und entsprechenden Produktfragestellungen mit.
 
Wie sieht eure Firmenentwicklung derzeit aus? 

HT: Aktuell haben wir acht offene Stellen, wobei es keinen Bereich gibt, in dem wir nicht suchen. Generell hinken wir zwar hinter unserem Businessplan von 2019 her - damals ging ich für 2022 von 50 bis 60 Mitarbeitende aus. Das liegt aber zum einen daran, dass manche Dinge weniger aufwendig sind, als gedacht, oder wir stärker automatisieren können, so dass wir weniger Personal brauchen. Zum anderen sind wir durch die Pandemie auf Kundenseite nicht so gewachsen, wie wir das ursprünglich geplant hatten. Das holen wir aber gerade ordentlich raus: So haben wir in den letzten fünf Monaten unsere Umsätze versechsfacht. Gleichzeitig ist es so, dass vor allem die zweite Jahreshälfte 2021 im Recruiting katastrophal war. Davor hatten wir normalerweise 80 bis 100 Bewerbungen pro Monat. In diesem Zeitraum gab es jedoch nur drei Bewerbungen pro Monat, wobei wir nichts an unserer Kommunikation o.ä. verändert haben. Seit Mitte Februar ist das wieder besser. Aber es gibt auch gewisse Positionen, die ich einfach besetze, wenn ich jemanden finde, der*die sehr gut ist, ohne dass eine Stelle ausgeschrieben ist. 
 
Wenn du auf deine Ausbildung schaust, welche Aspekte haben dir denn dabei in einer beruflichen Laufbahn am meisten geholfen? Und was hat dir wiederum gefehlt?

HT: Ich habe Musikwissenschaft, Wirtschaftswissenschaft und Philosophie studiert. Und am meisten für den Beruf hat mich von diesen drei Fächern die Philosophie qualifiziert. Das klingt immer absurd, aber dieses Fach hat mich gelehrt, in der Art zu denken, die mich für den Beraterjob grundlegend befähig hat. Ohne wäre ich gnadenlos gescheitert, weil ich mich Problemfragestellungen nicht so genähert hätte, wie man es in dieser Tätigkeit muss, um jeden Aspekt abzudecken, ohne überhaupt zu wissen, was einen am Ende erwartet. Dabei ist es egal, ob es sich um musikästhetische Fragestellungen handelt oder um Fragen zu Transformationsprozessen im Theater. 
 
Allerdings habe ich für meinen Bachelor 10 Jahre gebraucht und dabei 380 Credits gemacht, weil ich sehr viel nebenbei gearbeitet habe sowie entweder umgezogen bin, Leistungen aus dem vorherigen Studium an der neuen Uni nicht anerkannt wurden, oder der Studiengang ist ausgelaufen. Vor allem aber haben sowohl die Musikwissenschaft als auch das wirtschaftswissenschaftliche Studium mich nicht für das Kulturmanagement qualifiziert. Für Bewerbungsgespräche war zwar das Label dieser beiden Fächer wichtig, aber für die Praxis konnte ich nur sehr wenig mitnehmen. Vielmehr waren das viele praktische Erfahrungen im Kulturbereich, wie etwa die Geschäftsführung eines Klassikfestivals in der Schweiz, die ich nach einem Jahr Studium in Basel übernommen hatte. Vielleicht wäre ich aber auch an einer Fachhochschule mit entsprechendem Praxisbezug viel besser aufgehoben gewesen.
Gab es Punkte in deiner Karriere, bei denen du das Gefühl hattest, dein Ziel nicht mehr zu erreichen? Und wie bist du damit umgegangen? 

HT: In meinem Abi-Jahrbuch steht bei Berufswunsch: "Intendant der Berliner Philharmoniker". Davon könnte ich aktuell nicht weiter entfernt sein und kann mir das für mich auch gar nicht mehr vorstellen. Aber dieser Wunsch war sehr geprägt von einer großen Leidenschaft für dieses Orchester und zu wenig Wissen über den Berufsalltag eines Intendanten. Allerdings sehe ich das weniger als ein "Ziel nicht erreicht". Vielmehr hat sich meine Zielsetzung durch jeden einzelnen Stopp, den ich eingelegt habe, maßgeblich verändert. So habe ich Chancen genutzt, die wiederum zur nächsten geführt haben: Bei actori habe ich mich beispielsweise auf eine Projektleitungsstelle beworben, für die ich überhaupt nicht qualifiziert war. Und diese Stelle habe ich zwar nicht bekommen, war aber im Gespräch offensichtlich so überzeugend, dass ich zunächst als Consultant eingestellt wurde. In dieser Zeit habe ich dann auch all das Handwerkszeug gelernt, das mir zuvor für einen Projektleiterposten gefehlt hat, und bin nach eineinhalb Jahren schließlich auf diese Position gewechselt.
 
Zudem hatte in den letzten Jahren nie das eine klare Ziel, wohin sich meine Karriere entwickeln sollte. Deshalb kann ich auch nicht sagen, ob ich irgendwelche Karriereziele nicht erreicht habe. Auch meine Tätigkeit bei future demand mache ich super gerne - aber ich kann nicht sagen, dass das auch in 40 Jahren noch so sein wird. 
 
Welchen Rat möchtest du angehenden Kulturmanager*innen oder auch angehenden Gründer*innen im Kulturbereich geben, um in Situationen weiterzumachen, die vermeintliche Wendepunkte darstellen? 
 
HT: Einen wichtigen Wendepunkt in meinem Werdegang gab es, als ich beim Klassikfestival als Geschäftsführer aufgehört habe. Das kam sehr abrupt, zumal ich mein Studium in Basel für diese Stelle vernachlässigt hatte und somit keinen Studienabschluss hatte. Um das zu ändern, schrieb ich mich in München für Musikwissenschaften ein und musste mich noch für ein Nebenfach entscheiden. Kurzfristig und ohne größeres Auswahl- oder Aufnahmeprocedere ging das jedoch nur noch für Informatik und Philosophie, wobei ich mich für beides sehr interessiert habe. Allerdings wusste ich, was mich bei Informatik als Universitätsstudium erwartet und dass das nicht mein Ding sein wird. Also blieb nur noch Philosophie, was mir außerdem passend erschien, da ich gerne diskutiere und es mir Spaß macht, Themen durch Fragestellung zu erörtern. Diese Entscheidung ist also stark davon geprägt gewesen, was mir Spaß macht und worin ich meine persönlichen Stärken sehe - und weniger, was strategisch sinnvoll gewesen wäre. Mein Rat ist also: immer das zu tun, worin man wirklich Freude hat, weil dort die eigenen Stärken liegen. Denn zudem habe ich mich irgendwann gefragt: Stärke ich meine Stärken? Oder ist es besser, meine Schwächen zu stärken? Und ich denke, egal wie viel Zeit ich in meine Schwächen investiere und in diesen besser werde, so wird es immer andere Leute geben, die ohne großen Aufwand sehr viel besser in dieser Sache sind. Also konzentriere ich mich lieber auf das, worin ich wirklich gut bin. Und für alles, was ich nicht so gut oder gar nicht kann, such ich Mitstreiter*innen, die genau darin ihre Stärken haben. Erkennt also, worin ihr wirklich gut seid und konzentriert euch darauf, anstatt zu versuchen, eure Schwächen besser zu machen oder auszugleichen.

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