13.05.2008

Autor*in

Werner Schretzmeier
Best Practice

Tanz im Theaterhaus Stuttgart

Vom Gastspiel zum festen Ensemble. Das Theaterhaus Stuttgart begann im ersten Jahr seiner Existenz -1985- mit der Programmsparte Tanztheater.
Ismael Ivo, der brasilianische Tanzstar, in Berlin ansässig, stellte seine Soloproduktion Phoenix mit vier Auftritten vor und hatte auf Anhieb, im ballettberauschten Stuttgart - Namen wie Cranko, Neumeier, Haydee, Madsen, Cragun, Keil, Malakov pflastern die Stuttgarter Ballettherrlichkeit einen nachhaltigen Erfolg. Von diesem Zeitpunkt ab war Ismael Ivo fester Programmbestandteil im Theaterhaus. Weitere Soloprojekte folgten, das Theaterhaus begann mitzuproduzieren. Die Tanzkunst in Stuttgart hatte Ende der 80er Jahre plötzlich zwei Adressen: Staatstheater und Theaterhaus. Ivos Pläne und die des Theaterhauses wurden immer ehrgeiziger. Der vorläufige Höhepunkt kam 1993 mit der ersten Mehrpersonenproduktion Francis Bacon. Die Idee stammt von Ivo, die choreographische Realisation übernahm der Tanztheatererneuerer Hans Kresnik. Die Produktion war national und international ein großer Erfolg. Das Theaterhaus war zum Tanztheaterproduzenten geworden. 1995 folgte die Ensembleproduktion Othello wieder in der Regie von Hans Kresnik. Weltweite Einladungen folgten. Ismael Ivo und das Theaterhaus waren ganz oben angekommen. Es fehlte nur noch ein festes Theaterhaus-Tanzensemble unter der Leitung von Ismael Ivo. Das Land Baden-Württemberg stellte jährlich eine Viertelmillion D-Mark in Aussicht, allein die politischen Verantwortlichen der Stadt Stuttgart konnten sich zu keiner Finanzierung durchringen, die Tänzer der Othello-Produktion gingen auseinander, Ismael Ivo verließ enttäuscht Stuttgart und wurde Tanzchef beim Nationaltheater Weimar. Später haben wir erfahren, dass wichtige kulturpolitische Strippenzieher Stuttgarts diese erfolgreiche Entwicklung des Theaterhauses als zu große Konkurrenz für das schwächelnde Stuttgarter Ballett angesehen haben und auf die Bremse traten. Cest la vie!

Ende der 90er Jahre gab es einen nochmaligen Versuch von Ismael Ivo und dem Theaterhaus, dem Tanztheater ein kontinuierliches Gesicht zu geben. Keine geringere als Marcia Haydee wurde Ivos Partnerin, aber auch die großen Erfolge der Beiden wie z.B. Tristan & Isolde oder Maria Callas oder Oedipus in der Regie von George Tabori, reichten nicht aus, dass Stuttgarts Kulturpolitik zur Finanzierung und zu einer festen Einrichtung bereit war. Ein zweiter Fehlschlag, der die Einen zum endgültigen Aufgeben veranlasst und wenige Andere weiterhin nicht ruhen lässt. Die zweite Sorte sind die Theaterhausverantwortlichen, so dass das Jahr 2007 kommen musste und mit ihm der wunderbare junge Ballettstar des international wieder hoch gehandelten Stuttgarter Balletts, Eric Gauthier. Er wollte nach 11 Jahren Balletttanz, einen neuen Abschnitt in seinem Künstlerdasein beginnen: eine eigene Tanztheatercompagnie! Und wer ist da die geeignetste Adresse? Das Theaterhaus Stuttgart. Eric Gauthier hatte aber noch eine weiter Idee: den Tanz zu Menschen zu bringen, die nicht ins Theaterhaus kommen können oder die keinen Zugang zum Theater haben, also Kranke, alte Menschen, Behinderte und ganz junge, die wegen ihrer Herkunft nie an einen Theaterbesuch denken würden. Die Idee hieß Gauthier Dance Mobil. Diese beiden Bereiche, die eher konventionelle Bühnenpräsenz und die mobile Tanzperformance in improvisierten Räumen, sind das innovative künstlerische Paket das Eric Gauthier und seine Tanzcompagnie so einmalig macht und die Verantwortliche des Theaterhauses letztlich überzeugt hat, das Risiko eines zweiten festen Ensembles einzugehen. Da seit 1990 bestehende Schauspielerensemble mit neun fest angestellten Schauspielerinnen und Schauspielern und das 7-köpfige Tanzensemble bilden nun den Kern, die Identifikation, die Seele des Hauses. Gerade in einem Haus, das so reichhaltig Gastspiele in den Bereichen Klassik, Neue Musik, Rock, Pop, Jazz, Comedy, Literatur, Entertainment anbietet (im Jahr 2007 wurden insgesamt 907 Vorstellungen bzw. Veranstaltungen angeboten, davon 225 des Ensembles) ist die Eigenproduktion der geistige Zusammenhalt der Theaterhaus-Belegschaft. Aber auch das Publikum genießt die Mischung aus Produktion und Reproduktion. Das Tanzensemble ist auch ein Zeichen an die Menschen der Region Stuttgart, dass Kultur, wenn sie sich weiterentwickelt, spannend und attraktiv bleibt. Diese Merkmale braucht ein so großer Kulturbetrieb, der im Augenblick 78% seines Jahresetats selbst einspielen muss. Natürlich ist die Finanzierung 10 neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Tanzbereiches zunächst einmal eine penible Rechenaufgabe schließlich verfügt der Jahresetat über keine Haushaltsposition mit dem Titel Produktionen. Alles muss sich selbst tragen bzw. mehr einspielen, damit schwierige Programmpunkte finanziert werden können. Die Investition, die bisher in das neue Tanzensemble des Theaterhauses getätigt wurden, sind bis dato voll aufgegangen, was nicht so selbstverständlich war. Der Erfolg der Tanzcompagnie hat das Grand Theatre de Luxembourg ermutigt, ab sofort als Co-Produzent mitzuwirken. Die Stadt Stuttgart erklärt in der Zwischenzeit ihrer Absicht, das Mobil Konzept des Tanzensembles finanziell zu fördern. Mit dem Hinzufügen der Tanzsparte erhält das Theaterhaus neue Partner, neue Ressourcen, neue Synergien. Der nächste Weiterentwicklungsschritt des Theaterhauses wird nicht lange auf sich warten lassen.

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