24.11.2017

Buchdetails

Management von Künstlernachlässen. Wissenschaftliche Betreuung, Strukturierung, Finanzierung und Vermarktung
von VAN HAM Art Estate in Kooperation mit dtb Rechtsanwälte
Verlag: VAN HAM Art Estate
Seiten: 142
 

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Autor*in

Isabel Ohst
Isabel Ohst ist Kunsthistorikerin und Kulturmanagerin. Sie leitet das Produktionszentrum Tanz und Performance in Stuttgart und arbeitet für die Adolf Hölzel-Stiftung Stuttgart in der Nachlassbetreuung.
Buchrezension

Management von Künstlernachlässen

Die professionelle Aufarbeitung von Künstlernachlässen ist eine komplexe Aufgabe, dem sich im Jahr 2016 ein Symposium gewidmet hat. Dessen Dokumentation versucht an konkreten aktuellen Beispielen einen umfassenden Einblick in die verschiedenen Bereiche des Themas zu geben.
 
Das Symposium Management von Künstlernachlässen und die zugehörige Publikation der Van Ham Kunstauktionen in Zusammenarbeit mit dtb rechtsanwälte Berlin sind eine Reaktion auf die gestiegene Nachfrage nach dem Thema Nachlassbetreuung und -verwaltung sowohl im Kunsthandel als auch im rechtlichen Sektor. Im Zentrum steht die Frage nach der korrekten Bewahrung und Betreuung von Künstlernachlässen. Qualifizierte Persönlichkeiten aus der Finanz- und Kunstbranche geben dabei in Vorträgen und Interviews mal tiefer, mal oberflächlicher Einblicke in ihre Arbeit und präsentieren mögliche Lösungen und Vorgehensweisen. Zudem bildet die Publikation auch die Fragen aus dem Publikum sowie die Moderation von Stefan Koldehoff ab, Kulturredakteur Deutschlandfunk und Autor.

Wer vom Titel eine genaue Anleitung für den Aufbau und die Verwaltung eines Künstlernachlasses erwartet, wird enttäuscht, denn die Publikation ist auf ein fachfremdes Publikum ausgerichtet. Die Autoren umreißen jeweils nur grob die verschiedenen Themenbereiche und geben durchaus interessante Impulse für eine intensivere, weitergehende Beschäftigung mit dem Thema.

Im ersten Teil finden sich Vorträge, die leider den Fragen des Moderators ausweichen oder das Hauptaugenmerk nur auf die eigene Institution richten und daher das Thema Management von Künstlernachlässen nur unzureichend behandeln.
 
  • Im Interview mit dem geschäftsführenden Vorstand der Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst, Dr. Urban Papi, erfährt der Laie etwa, was die VG-Bild-Kunst ist. Für ein Fachpublikum im Kulturmanagement ist das kaum erkenntnisreich.
  • Auch der Direktor der Berlinischen Galerie, Dr. Thomas Köhler, bezieht sich in seinem Vortrag Deep storage welche Aufgaben kann ein Museum bei Künstlernachlässen übernehmen? lediglich auf die Berlinische Galerie und ihre Sammlungsgeschichte, nicht jedoch auf die Museumslandschaft im Allgemeinen. Er thematisiert die Möglichkeit des Zerstörens von Sammlungen nach einer vollständigen Digitalisierung und äußert damit, was viele insgeheim schon länger denken: Ob das Zerstören von Kunstwerken die einzige Lösung ist, der Masse an Nachlässen Herr zu werden? Die Frage Was passiert mit meiner Kunst, wenn ich nicht mehr da bin? ist allgegenwärtig und betrifft alle Bereiche der Nachlassbetreuung. Ob allerdings Zerstörung die Antwort und wie eine umfassende Digitalisierung gemanagt und finanziert werden kann, wird nicht thematisiert.
Aus der Sicht eines Künstlers

Spannend ist die Schilderung des Künstlers Frank Michael Zeitler. Er verdeutlicht die Künstlersicht auf das Thema und kritisiert das fehlende Engagement bei der Auseinandersetzung mit dem eigenen Nachlass. Obwohl es vor allem um persönliche Gedanken geht, zeigt Zeitler deutlich die eigentliche Problematik der Verwaltung von Künstlernachlässen auf: die fehlende Auseinandersetzung mit dem eigenen Nachlass. Wie wichtig dies für eine erfolgreiche Nachlassverwaltung ist, zeigt auch Rechtsanwältin Anna Kathrin Distelkamp auf.

Die digitale Entwicklung

Positiv hervorzuheben ist auch die Auseinandersetzung der Publikation mit dem digitalen Fortschritt im kunsthistorischen Aufgabenfeld und den damit einhergehenden Problemen für den Nachlass-Bereich. Auch wenn viele Museen keine Mittel zur Verfügung haben, um diesen Bereich professionell zu bedienen, ist die digitale Erfassung jedoch grundlegend für die Erstellung eines zukunftsfähigen Werksverzeichnisses. Deshalb appellieren die Autoren an Politik und Geldgeber und legen aktuelle Missstände im Museumswesen offen.

Finanzierung und Rechtsform

Zudem greift die Publikation auch die zentralen Aspekte des Bereichs Finanzierung von Künstlernachlässen immer wieder auf, von der erbrechtlichen Gestaltung bis zur Nennung von konkreten Preisen. Die Autoren sind sich dabei einig, dass eine eigenständige, gesicherte Finanzierung die Basis der erfolgreichen Nachlassarbeit ist, sonst können Sammler und Künstler nicht darauf vertrauen, dass ihr Nachlass von den Erben oder einer musealen Institution übernommen und verwaltet wird. In diesem Kontext präsentiert der Band verschiedene Beispiele einer erfolgsversprechenden Umsetzung, wie den beschränkten Verkauf von einzelnen Werken zur Finanzierung einer erfolgreichen Nachlassarbeit, geleitet von den Erben oder einer musealen Institution.

Einhergehend mit der Finanzierung eröffnet sich auch die Frage nach einer geeigneten Rechtsform. Die Rechtsanwälte Anna Kathrin Distelkamp und Dr. Markus Heuel versuchen zu beantworten, ob Stiftungen heutzutage noch den hohen Anforderungen gerecht werden. Sie machen auf aktuelle Entwicklungen und Beschlüsse, wie die neuen Rechtsformen der Verbrauchsstiftung oder der Stiftung auf Zeit, aufmerksam als Alternativen zur klassischen Stiftung. Damit greifen sie auch die Frage nach der Dauer eines künstlerischen Werkes auf und hinterfragen den Sinn von dessen unendlicher Existenz eines Kunstwerkes.

Beispiele

Der spannendste und konkreteste Teil der Publikation ist der Einblick in die Ernst-Wilhelm-Nay-Stiftung durch den geschäftsführenden Vorstand Christian A. J. Klein. Er zeigt Schritt für Schritt anhand konkreter Beispiele und Zahlen auf, wie eine Stiftung erfolgreich arbeiten kann. Von der Stiftungsgründung im ehemaligen Atelierhaus des Künstlers über die eingebrachte Finanzmasse aus Immobilie, Kunstwerken und Kapitalertrag bis hin zur Vermarktung des verstorbenen Künstlers im Ausland und der Finanzierung der laufenden Kosten ruft Klein auch dem Fachpublikum in Erinnerung, dass erfolgreiches Management von Künstlernachlässen immer eine konkrete, minutiöse Planung voraussetzt. Erfrischend sind der mit Zahlen unterlegte Einblick in die Erstellung des Werkverzeichnisses der Papierarbeiten Ernst-Wilhelm-Nays und die Aufstellung der Personal- und Verwaltungskosten. Hier bekommt der Leser ein konkretes Beispiel zur Tätigkeit einer Nachlassstiftung an die Hand gelegt.

Abschließend kommt Markus Eisenbeis, geschäftsführender Gesellschafter von Van Ham Kunstauktionen, doch noch den Erwartungen eines Kulturmanagers nach, indem er eine Schritt-für-Schritt Anleitung für erfolgreiches Nachlassmanagement anführt. Von der fotografischen Erfassung über die konservatorische Betreuung und die fachgerechte Einlagerung bis hin zur inhaltlichen Erstellung eines Werkverzeichnisses erfasst er alle Punkte und lässt Beispiele zur erfolgreichen Vermarktung eines Nachlasses einfließen. Dass er damit das Angebot der Nachlassbearbeitung durch Van Ham bewirbt, tut der wissenschaftlichen Vollständigkeit keinen Abbruch. Vielmehr bietet dieser Umstand einen profunden Einblick in die Arbeit eines Nachlassbetreuers, die durch die Veröffentlichung zahlreicher Werkverzeichnisse, zum Teil im Eigenverlag, etwa von u.a. Fritz Klimsch (1991), Karl Hofer (2008) und Franz Roubaud (2012), dargestellt wird.

Fazit

Die Publikation zielt auf Nachlasserben und Kunstsammler ab, also in erster Linie auf Kunden von Van Ham und dtb rechtsanwälte, und nicht auf ein kulturmanageriales Fachpublikum. Es dient zum ersten Kontakt mit der Thematik, jedoch nicht als fachliches Handbuch über den konkreten Aufbau eines Künstlernachlasses. Trotzdem können Kunsthistoriker, die im Nachlassbereich arbeiten, die ein oder andere interessante Erkenntnis mitnehmen. Erfreulich ist, dass das Ergebnis eines geschlossenen Symposiums durch die Publikation einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Dabei bringt sie mehrere Fachreferenten zusammen und eröffnet somit verschiedene Blickwinkel.

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