19.06.2019

Buchdetails

Museen und Outreach: Outreach als strategisches Diversity-Instrument
von Ivana Scharf, Dagmar Wunderlich, Julia Heisig
Verlag: Waxmann
Seiten: 138
 

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Autor*in

Markus Wiesenhofer
ist Stv. Leiter der Hauptabteilung Kommunikation & Marketing der Österreichischen Galerie Belvedere in Wien und unterrichtet Kulturtourismus & -marketing u.a. an der FH Wien, JKU Linz und dem Art & Economy Lehrgang der Universität für Angewandte Kunst Wien. Er studierte Tourismusmanagement an der Fachhochschule IMC Krems und Public Communication an der Universität Wien und arbeitet seit 20 Jahren in Kulturtourismus und -management (u.a. Schloß Schönbrunn Kultur- und Betriebsges.m.b.H., Österreich Werbung).
Buchrezension

Museen und Outreach – Outreach als strategisches Diversity-Management

Museen sind zunehmend gefordert, neue Gesellschaftsschichten und Besuchergruppen auf innovative Art und Weise für ihre Aktivitäten zu begeistern. Wie "Outreach" dabei als ganzheitliche Museumsstrategie eingesetzt werden kann, zeigt die gemeinsame Publikation von Ivana Scharf, Dagmar Wunderlich und Julia Heisig.
 
Mit  "Museen und Outreach", erschienen 2018 bei Waxmann, zeigen die Autorinnen auf, wie "Outreach" (und somit die Hinwendung der Museen zu neuen und spezifischen Besuchsgruppen) ausgehend vom angloamerikanischen Raum in den letzten Jahren auch in Deutschland an Bedeutung gewonnen hat. Damit schaffen sie erstmals einen fachlichen Überblick zum Thema in der deutschsprachigen Museumswelt.

Die Bedeutung von Outreach für Museen

Die Bedeutung von "Outreach" als strategisches Instrument zur "Weiter"-Entwicklung von Besucherzielgruppen und Inklusion von bisher ausgeschlossenen - oder nicht erreichten - Gruppen wird durch die ausführliche Grundlagendefinition im ersten Kapitel klar. Ebenso werden die drei grundlegenden Funktionen von "Outreach" als Marketinginstrument, als "aufsuchende Kulturarbeit" der Museen und als Instrument zur Organisationsentwicklung übersichtlich erklärt. Der Begriff bewegt sich dabei im Kontext von Audience Development (Besucherentwicklung), Social Inclusion (Teilhabegerechtigkeit) und Public Engagement (Partizipation) - allesamt wesentliche Aspekte, um die Diversität des Museumspublikums zu erhöhen.

Das zweite Kapitel widmet sich im Detail dem Museumspublikum und erstellt anhand soziodemographischer Daten, Lebensstile und Milieus ein differenziertes Profil von diesem. Die Marktsituation kurz zusammengefasst: Mehr Museen - weniger Besuche - sinkende Nachfrage. Aus der Analyse der vorliegenden Daten ergibt sich für Museen daher die zunehmende Notwendigkeit, neue Zielgruppen zu erschließen.

Im dritten Kapitel wird die weltweite Entwicklung des "Outreach" ausgehend von den USA nachgezeichnet. Dabei werden die drei Formen "School Outreach", "Community Outreach" und "Digital Outreach" und ganz konkrete Outreach-Formate wie z.B. Museumsboxen oder mobile Museen vorgestellt. Auch in diesem Bereich bietet die Digitalisierung besondere Chancen, sodass mit neuen Technologien innovative Formate des "Outreach" möglich geworden sind: Neben Social Media, Apps und der Digitalisierung von Sammlungen sind sogenannte "MOOCs" ("Massive Open Online Courses") eine neue Möglichkeit der Zielgruppen-Ansprache. Das Städel Museum bietet mit dem "Kunstgeschichte Online-Kurs" ein im deutschsprachigen Museumsraum herausragendes Beispiel dafür.

Im vierten Kapitel werden erfolgreiche Praxisbeispiele aus den USA, Großbritannien und Deutschland (wie der MOOC - Kunstgeschichte-Kurs des Städel Museums) erläutert und damit wertvolle Anregungen für die eigene Museumspraxis gegeben.

Die notwendigen Grundlagen für die Entwicklung einer Outreach-Strategie stehen im Mittelpunkt des abschließenden fünften Kapitels. Essenziell sind dabei:
  • Die Haltung der Institution: Welche Rolle und Position in der Gesellschaft nimmt das Museum bisher ein? Welche will es in Zukunft einnehmen?
  • Die Etablierung des Themas auf Führungsebene: Bereitstellung der notwendigen personellen, finanziellen und organisatorischen Ressourcen für einen Wandel
  • Die Diversifizierung und Qualifikation des Personals: Die Glaubwürdigkeit der Strategie hängt auch von der Diversity der Mitarbeiter ab.
  • Ko-Kreation als Arbeitsweise: Ein offenes Museum lebt die Ko-Kreation als Prinzip.
  • Partnerschaften aufbauen: Neue Besuchergruppen werden über nachhaltige Partnerschaften gewonnen.
Dabei geben die Autorinnen der deutschen Kulturpolitik auch noch konkrete Handlungsempfehlungen zur Steigerung der Diversität im Kulturbereich mit:
  • Differenziertere Forschung bereitstellen,
  • eine Fachstelle für Wissenstransfer, Prozessbegleitung, Beratung und Qualifizierung einrichten und
  • Förderprogramme für Outreach anbieten.
Nur wenn diese Punkte konsequent verfolgt und vollständig geklärt werden, kann das Museum den nötigen kulturellen Wandel der Unternehmenskultur schaffen und damit größere und diversere Besuchergruppen erfolgreich ansprechen.
 
Kein bloßes Marketingtool, sondern ganzheitliche Strategie

Sich mit dem Thema "Outreach" zu beschäftigen, ist nicht nur gesellschaftspolitisch, sondern auch ganz konkret für die meisten Museen (überlebens-)notwendig. Westliche Gesellschaften sowie Besucherpotenziale ändern sich rasant. Deshalb müssen sich Museen systematisch mit der Frage auseinandersetzen, wie sie gesellschaftlich "relevant" bleiben und für viele, diverse Besuchergruppen attraktiv und zugänglich sind. Die gesamtheitliche Ausrichtung der Institution auf eine Diversity-Strategie mittels "Outreach" ist aus meiner Sicht einer der Schlüssel dazu. Dabei darf "Outreach" jedoch nicht nur als Marketingtool zur Erschließung neuer Zielgruppen missverstanden werden. Die Fragen der Inklusion und Diversität müssen alle Bereiche des Museums umfassen (von Personal, Programm/Sammlung, Kuratoren, Besucherdienste, Forschung, Kunstvermittlung bis Kommunikation und Marketing).

Um einen derartigen Wandel der Unternehmensstrategie zu schaffen, ist eine grundlegende Auseinandersetzung innerhalb der Institution notwendig ("Vom Outreach zum Inreach"). Die Vergleiche aus den USA, Großbritannien und Niederlanden zum organisatorischen Wandel in den Museen zeigen deutlich, dass hier gerade im deutschsprachigen Raum großer Handlungsbedarf besteht.

Nachholbedarf der deutschen Museumslandschaft

Das Buch zeigt auch zwei offensichtliche Schwachpunkte zu diesem Thema in Deutschland auf: Zum einen wird die fehlende Datengrundlage bei der Analyse des Museumspublikums evident. Die bisherige Datenanalyse stützt sich hierbei im Wesentlichen auf eine Auswertung der Markt-Media-Studie 2016. Dadurch entsteht nur ein sehr unscharfes Profil der diversen Museumszielgruppen. Für präzisere Analysen wären grundlegende, laufende und gesamthafte Studien über Besucher- und Nicht-Besucher von Museen jedoch absolut notwendig. Derzeit können sie dies aber nur sehr aufwendig und im Rahmen ihrer Möglichkeiten mit individuellen Besucherbefragungen für sich selbst lösen.

Zum anderen zeigt das Buch mit den wenigen - vor allem internationalen - Beispielen auf, dass im deutschsprachigen Raum verstärkte Anstrengungen notwendig sind, um jüngere und diversere Zielgruppen für die Museen zu begeistern. Die eindrucksvollsten Beispiele (wie z.B. das Open Museum in Glasgow) in diesem Zusammenhang kommen auch in diesem Buch aus dem angloamerikanischen bzw. skandinavischem/niederländischem Kulturkreis (z.B. "the Project" und "the Wall" in Kopenhagen). Deutschsprachige Museen müssen sich daher noch konsequenter der Frage stellen, wie sie ähnliche Modelle erfolgreich auf unseren Kulturraum umlegen können.

Empfehlung

Das Buch ist sehr hilfreich, um schnell einen ersten Einblick in das aktuelle Thema und die bisherige Entwicklung zu erhalten und daher sicher für Leser aus allen Bereichen des Kulturmanagements interessant. Diese werden besonders von der detaillierten Analyse des Museumspublikums, den Begriffsklärungen und den aktuellen Fällen aus der Museumspraxis profitieren. In seiner leicht verständlichen, übersichtlichen Art ist das Buch darüber hinaus selbst ein sehr gutes Beispiel, wie komplexe Inhalte anschaulich und gleichzeitig anregend vermittelt werden können. Es gibt daher hoffentlich vielen Museumskollegen einen weiteren wichtigen Denkanstoß, dieses Thema anzugehen und eine eigene Outreach-Strategie zu entwickeln. Die Autorinnen bieten zudem mit ihrem Blog www.museum-outreach.de auch im Internet eine praktische Ergänzung mit aktuellen Beiträgen und Informationen zu diesem Thema.

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