13.05.2020

Themenreihe Digitale Formate

Autor*in

Holger Kurtz
ist selbständiger Kulturmanager für Digitales und unterstützt Kulturorganisationen bei der Umsetzung ihrer Digitalen Transformation - in Form von Beratungen, Workshops und freier Mitarbeit. Zu diesem Thema gründete er bereits den Fachblog KulturData. Zuvor war er als Online-Marketing-Manager für Konzertveranstalter in DACH tätig und studierte Kultur- und Musikmanagement an der Hochschule für Musik und Theater München. Er sammelte praktische Erfahrungen in der Kulturberatung und im Online-Journalismus und ist Gründer des sarkastisch-klugen Blogs Musik - mit allem und viel scharf
Chatbots im Kulturbetrieb

Bots mit Besucher*innen sprechen lassen

Chatbots werden seit einiger Zeit als nächster großer Trend in der digitalen Kommunikation betrachtet. Auch für den Kulturbereich bieten sie viele Anwendungsmöglichkeiten, sofern sie denn klug konzipiert sind.

Themenreihe Digitale Formate

Eine acht Meter große Robbe schwimmt im Hafen von Sydney. Sie ist jedoch so unecht wie die Robbe, auf die sie Aufmerksam macht: den Chatbot des Sydney Opera House mit dem Alter Ego einer Robbe, der im Mai 2018 gelauncht wurde.
 
Chatbots sind textbasierte Dialogsysteme zur Kommunikation mit einer Software. Dabei werden Messenger-Dienste wie WhatsApp oder Facebook Messenger zum Dialog zwischen Mensch und Maschine genutzt. Chatbots können aber auch in Websites integriert werden. Zudem sind sie die Basis für Sprachassistenten wie Apples Siri oder Amazons Alexa. Hierfür müssen Textbausteine zum jeweiligen Thema erstellt werden, die das Gespräch leiten und natürliche Sprache verarbeiten können. Dabei gibt es verschiedene Anwendungsmöglichkeiten, die abhängig sind von der Menge der Daten, auf die sie zugreifen können. Umso mehr Daten, umso komplexer und hilfreicher für die Nutzer*innen. Ein sogenannter nicht-intelligenter Chatbot ist dabei einer, der nur vorgegebenen Leitlinien folgt und nicht mittels Künstlicher Intelligenz "lernt", beispielsweise die natürliche Sprache der User*innen oder die meistgestellten Fragen.
 
"To be honest, working with the seal was a little tough at first. He sleeps like 14 hours a day so planning around his schedule was a nightmare. I think becoming the Opera House ‘frontseal’ got to his head.” kommentiert Guy Patrick, Creative Director von "The Works Sydney”, der diesem Chatbot mit der sonnenbadenden Robbe vor der weltbekannten Architektur des Syndey Opera Houses ein digitales Gesicht gegeben hat. 
 
Die Chatbot-Robbe informierte u.a. über kommende Veranstaltungen und die Geschichte des Hauses. Dabei war der Chatbot in einem Social-Messenger-Dienst beheimatet. Dort konnte man ihm wie einer Person Nachrichten senden, auf die der Bot mit vorher definierten Antworten reagierte. Doch leider erging es ihm wie der aufblasbaren Achtmeter-Robbe und den meisten Chatbots in Kultureinrichtungen: Ihm ging die Luft aus.
 
Status quo
 
Auch in Deutschland löste die Chatbot-Hysterie die App-Hysterie in Kulturbetrieben ab. Wo vorher Apps programmiert werden musste, damit man die Jugend erreicht, holte man nun die Chatbots als Gegenschlag zum alternden Publikum aus der Werkzeugkiste. Sogar diverse kleine Museen schmückten ihre Presseseiten mit großen Worten wie "künstliche Intelligenz" und setzten einen logikbasierten Chatbot in die Welt. Doch das Problem ist oft ein ähnliches wie mit Apps: Sind die Inhalte nicht sinnvoll und zielgruppengerecht - bieten sie also keinen Mehrwert gegenüber einer normalen Website - und gibt es kein gutes Marketing, werden sie schlicht nicht genutzt. Weitere Gründe für abgeschaltete Chatbot-Projekte können die projektorientierte Finanzierung und mangelndes Nutzer*inneninteresse sein. Und so lässt sich sagen: Bisher gibt es im deutschsprachigen Raum keinen einzigen Chatbot, der einen Mehrwert gegenüber einer Webseite bietet. 
 
Kund*innenkommunikation
 
Prof. Dr. Peter Genscher ist Entrepreneur und Experte im Bereich Digital Management, AI und Big Data. In seinem Buch "Künstliche Intelligenz für Sales, Marketing und Service" beschreibt er Chatbots als eine potenziell sinnvolle Anwendung von künstlicher Intelligenz in der Kundenkommunikation. Dabei bieten Chatbots in der Theorie zwei große Vorteile gegenüber Menschen:
 
1. Jederzeit erreichbar für jeden
2. Massenhafte Personalisierung
 
Oder anders formuliert: Chatbots können Personalkosten einsparen, indem mehrere Service-Mitarbeiter*innen (z.B. im Ticketbüro) durch einen Chatbot ersetzt oder ergänzt werden. Dieser kann durch den Zugriff auf alle Daten zu eine*r Kund*in über Vorlieben, Ansprüche und Historie mit dem Betrieb Bescheid wissen und diese beratend anwenden, beispielsweise in Bezug auf passende Programmangebote. 
 
In der kulturbetrieblichen Praxis hält sich die Anzahl an Anfragen jedoch im menschenmachbaren Rahmen bzw. ist die Zielgruppe noch so wenig technisch versiert, dass selbst der Ticketkauf meist via Telefon möglich ist. Dennoch sollte man diese Möglichkeit aus zwei Gründen nicht außer Acht lassen: Erstens sind möglichst einfache digitale Ticketkäufe gerade für ein jüngeres Publikum wichtig. Und zweitens ist die individualisierte Beratung ein Aspekt, den die Mitarbeiter*innen im Ticketoffice ohne längere Gespräche nicht abdecken können. 
 
Die massenhafte Personalisierung scheitert aktuell jedoch an Datensilos und unstrukturierten Datenbergen, die für solche Fälle nicht genutzt werden können. Denn um eine Personalisierung zu ermöglichen, müssen z.B. Kundenanfragen auf Facebook, Telefonate, Ticketbuchungen über Telefon und Internet, per Email und an der Abendkasse einem Kunden zugeordnet werden können. Auch die DSGVO und die damit generelle Unsicherheit der Nutzung von Social Media war für die Entwicklung von Chatbots nicht förderlich.
 
Guides
 
Meist beschränkt sich auf die Nutzung von Chatbots auf Museumsguides. Informationen zu Objekten werden häppchenweise und multimedial in Messengerdiensten an die Interessent*innen kommuniziert. Dies hat durchaus viele Vorteile gegenüber einer App, da die meisten Besucher*innen Messenger nutzen. Auch für die Bereiche Musik oder Darstellende Kunst wäre das eine Möglichkeit, parallel Hintergrundinformationen zum Stück oder Konzert zu vermitteln. Bisher scheint es in diesen Kultursparten aber keine Chatbots zu geben. 
 
Möchte man einen Chatbot lokal im eigenen Haus verwenden, um einen Besuchsanreiz zu schaffen, muss vor Ort darauf hingewiesen werden, etwa durch ein Schild vor Ort oder einen Aufdruck auf dem Ticket. QR-Codes und NFC-Chips klingen wie ein gutes Mittel, sind aber den meisten Menschen unbekannt. Daher ist eine einfach (kurze) URL mit einer Anleitung der beste Weg. Die Nutzer*innen besuchen diese Website und werden zum jeweiligen Messenger verlinkt. Sobald sie "START" schreiben, erhalten sie eine automatische Begrüßung mit einer kurzen Anleitung. Objekte oder Teile von Aufführungen können dann mit IDs versehen werden. Geben die Nutzer*innen diese in den Chatbot ein, erhalten sie weitere Informationen. Um einen der Vorteile eines Chatbots zu nutzen und ihn von der eigenen Website abzusetzen, kann man die Nutzer*innen zudem nach individuellen Informationen befragen, um die Inhalte zu personalisieren. Auch kann man sie zu Co-Creation bewegen, etwa indem sie weitere Informationen und Beschreibungen hinzufügen können. 
 
Zudem eignen sich Chatbots gut als Ergänzung des eigenen Bildungs- und Vermittlungsangebots, auch unabhängig von Formaten im eigenen Haus oder etwa abgestimmt auf schulische Lehrpläne. RadioEins hat beispielsweise zum 250. Geburtstag des Entdeckers Alexander von Humboldt ein gelungenes Beispiel veröffentlicht. Der Chatbot-Guide "Alex" konnte über den Facebook Messenger angeschrieben werden, erzählte von seinen Reiseerlebnissen und spann dabei auch einen Bogen zur heutigen Gesellschaft. Dabei wurden immer wieder Fragen gestellt, sodass der Nutzer aktiv in das Gespräch involviert wurde. Auch der preisgekrönte Chatbot zu Kurt Eisner des BR ist eine gute Inspiration.
 
Webseiten
 
Besucht man heute eine Website, fällt immer öfter im unteren rechten Bereich der Seite ein Chatsymbol auf. Wenn man dieses anklickt, öffnet sich ein Messenger, über den man eine*n Mitarbeiter*in kontaktieren kann. Möchte man sich beispielsweise über die angebotenen Leistungen informieren oder hat eine Frage, muss man nicht mehr selbst die oft wenig hilfreichen Suchergebnisse durchsehen oder die Unterseite finden, auf der diese gelistet werden. 
 
Die Komische Oper Berlin bietet auf ihrer Webseite bereits seit einigen Jahren eine solche Chatmöglichkeit an. Webseitenbesucher*innen, die Probleme oder Fragen haben, kann damit geholfen werden. Hier sind Chatbots als eine sinnvolle Anwendungsmöglichkeit. Es sollte jedoch jederzeit möglich sein, zu einem "echten Menschen" weitergeleitet zu werden, damit Fragen, die der Bot nicht beantworten kann, nicht ungelöst bleiben.
 
Umsetzung
 
Ein guter Chatbot muss also einen Mehrwert für die Besucher*innen bieten und leicht zu bedienen sein. Grundlegend dafür ist eine gut strukturierte und verständliche Kommunikationsstruktur und in diese sollten auch die meisten Zeitressourcen bei der Erstellung fließen. Es ist nicht nötig, Chatbots technisch selbst zu erstellen. Hierfür sollte ein externer Anbieter genutzt werden. Die Kosten werden meist nach der Anzahl der Nutzer*innen berechnet und monatlich abgerechnet. Die Inhalte, also den Chatverlauf, sollte eine Kultureinrichtung jedoch selbst beisteuern. Beratungen mit erfahrenen Chatbot-Anbietern können aber auch hier hilfreich sein. 
 
Wichtig ist in jedem Fall, dass die Anwendung günstig ist, Statistiken über die Nutzung bereitstellt und Logik-Ketten beherrscht, also auf einen Input mit "Wenn A, dann b" reagieren kann. Künstliche Intelligenz wäre nur wichtig, wenn man eine "natürliche Konversation" simulieren und den Chatbot lernen lassen möchte, aber für erste Anwendungen im Kulturbereich ist das nicht notwendig.
 
Trends
 
Wir haben bisher über nicht-intelligente Chatbots gesprochen - also Bots, die nicht in der Lage sind, freien Input von Nutzer*Innen zu verstehen und diesen selbstständig zu verarbeiten. Dabei machen intelligente Chatbots bemerkenswerte Fortschritte: Das Forschungslabor OpenAI hat im Februar 2019 ein neuronales Netz veröffentlicht, dass erstaunlich gut in der Lage ist, Sätze zu generieren. Die Furcht des Missbrauches dieser Technologie war so groß, dass anfänglich nur Teile veröffentlicht wurden. Heute kann man jedoch auf das gesamte Netz zugreifen und Textanfänge eingeben, die dann von der KI vervollständigt werden. 
 
Auf Kulturdata habe ich eine "kleine" Version dieses Netzes mit der Bibel "feingetuned", sodass die Texte, die generiert werden, im Stil der Bibel verfasst werden. Um eine solche Technologie z.B. für einen Chatbot zu einem Ausstellungskatalog zu nutzen, müsste man sie mit Texten dieser Art "füttern". So würden Texte in diesem Stil entstehen. Je zugänglicher und besser diese intelligenten Chatbots werden, desto näher rückt deren praktische Anwendung in Kulturbetrieben.

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Kommentare (2)
K
Re: Sehr interessant!
von Kultur Management Network Redaktion, 15.05.2020 09:42
»Lieber Arno B.,
am 27. Mai werden wir einen KM Treff zu Chatbots mit Holger Kurtz veranstalten. Vielleicht möchten Sie teilnehmen? In der Diskussion können wir gern über neuronale Netze sprechen. Nähere Infos folgen nächste Woche.
Herzliche Grüße
Kristin Oswald«
A
Sehr interessant!
von Arno B., 14.05.2020 21:13
»Wo kann man mehr Informationen zum neuronalen Netz von OpenAI erfahren? Das Thema interessiert mich wirklich sehr und ich denke viele weitere Menschen auf Xing auch!«

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