10.07.2020

Themenreihe Digitale Formate

Autor*in

David Wagner
ist Professor für International Business & Digital Business an der Munich Business School und Associate Er beschäftigt sich in Forschung, Lehre und Praxis mit dem strategischen Einsatz digitaler Technologien in Organisationen, unter anderem begleitete er bei der Voycer AG namhafte Unternehmen beim Aufbau hauseigenener Communities. Zudem leitet er den Forschungsausschuss des Bundesverbands Community Management (BVCM) e.V. 
Community-Management

Eine Chance für mehr Nähe und Unabhängigkeit

Eigene Online-Communities spielen eine bedeutende Rolle in den Marketingstrategien vieler Unternehmen. Kulturschaffenden und -einrichtungen bieten sie viele Chancen für eine stärkere Kund*innenorientierung und die Schaffung digitaler Vertriebskanäle, auch unabhängig von Social Media. Bedingung dafür ist, dass die Plattformen professionell gemanagt werden.

Themenreihe Digitale Formate

Sich lediglich auf "fremde" Kanäle und Social Media zu verlassen, birgt Risiken. So sinken beispielsweise die organischen Reichweiten der Facebook-Seiten beständig, weshalb Unternehmen diese zukaufen müssen, z.B. über Sponsored Posts oder Facebook Ads. Zudem hat Facebook die Datenhoheit und kann diese für andere Werbetreibende nutzbar machen. Insgesamt ergeben sich dadurch große Abhängigkeiten. Ich plädiere deshalb für mindestens einen eigenen Kanal im Social-Media-Mix, etwa eine hauseigene Community. 
 
Auch sind nicht alle soziodemografischen Gruppen auf allen Kanälen gleich vertreten. Hier lohnt eine gründliche Analyse, bevor man aktiv wird. Dabei sollte der Fokus allerdings weniger auf einem speziellen Netzwerk liegen, sondern darauf, wo sich Menschen zu einem bestimmten Thema austauschen. Hier geht es also um die Frage, wo man die Kund*innen in der Customer Journey abholen und welche Erlebniswelt man ihnen dort bieten kann. Dieser Ort des Austauschs kann eine Facebook-Gruppe sein, aber ebenso ein Twitter-Hashtag, ein klassisches Forum oder eben eine Community. Das hängt ganz vom Thema ab. Gibt es diesen Ort bisher nicht, ist es - insbesondere für unternehmerisch denkende Kulturschaffende - der richtige Zeitpunkt diesen aufzubauen. Interessant in diesem Zusammenhang ist die x-working-Community, ein Beispiel, das ich später näher vorstellen werde. 
 
Zur Bedeutung eigener Communities 
 
Mehr und mehr Organisationen betreiben eine hauseigene Community. Dafür gibt es gute Gründe: Organisationen können auf diesen Plattformen selbst entscheiden, welche Interaktionsformate angeboten werden. Sie können ihre Community-Mitglieder direkt kontaktieren und auch die Community-Daten nutzen, z.B. für das bessere Verständnis von Kund*inneninteressen und -bedürfnissen. Dadurch machen sie sich vor allem weniger abhängig von schnell wechselnden Trends und Social Media-Plattformen. Bei Unternehmen, die eine Community in Kombination mit einem Online-Shop betreiben, geben aktive und besser vernetzte Community-Mitglieder deutlich mehr Geld aus, wie eine Studie (Manchanda, Packard & Pattabhiramaiah 2015) zeigt. Nicht zuletzt verstärkt eine Community spürbar den Fußabdruck eines Unternehmens im Internet, sodass die eigenen Inhalte und Produkte besser und schneller gefunden werden. 
 
Beim Blättern in der Ausgabe des Kultur Management Network Magazins zum Thema Big Data stieß ich auf den Beitrag von Jochen Schlosser, der sich zur Situation im Kulturbetrieb wie folgt äußerte: "Heute erhalten die Interessierten auf den digitalen Präsenzen der Kulturbetriebe häufig nur die Öffnungszeiten und weitestgehend statische Informationen über den jeweiligen Künstler oder die Ausstellung. Brauchen Besucher*innen das? Ja, aber: Sie möchten auch beraten und informiert werden." Was fehlt, ist "eine Plattform zur Exploration und zur Interaktion mit den Angeboten des Kunstbetriebs". Genau darum geht es im Community-Management. Diese Plattform zu schaffen und auf dieser eine lebendige Gemeinschaft von Gleichgesinnten zu kultivieren. 
 
Meiner Erfahrung nach sind folgende Schritte notwendig, um eine hauseigene Community erfolgreich aufzubauen: 
 
1. Community-Strategie 
 
Bei der Strategie-Entwicklung geht es um die Bestimmung der Zielsetzung für eine Community. Hier gibt es eine Reihe von möglichen Szenarien: Die Steigerung der Markenbekanntheit einer Organisation, die Gewinnung und Bindung bestehender Kund*innen oder verbesserter Kund*innenservice sind häufige, aber nicht alle Zielsetzungen. Jede Community besteht aus drei Säulen: 
 
  1. Themen, 
  2. Menschen und 
  3. Interaktionsformaten. 
Diese drei Säulen müssen miteinander in Einklang gebracht werden. Insgesamt gilt, dass die Community in der relevanten Zielgruppe ein relevantes Thema online besetzen und Austausch durch Interaktionsformate fördern muss. Nicht jedes Theater muss also eine eigene Kultur-Community in die Welt setzen, sondern sollte sich die eigene Nische erarbeiten, auch und gerade unter Berücksichtigung des digitalen Wettbewerbs. Ein gutes Beispiel ist hier die Leipziger Buchmesse, die sich zum Beispiel explizit auf eines ihrer Kernpublika, Autor*innen, konzentriert (siehe Beispiel 2 unten). 
 
2. Community-Marketing 
 
Ist der Ort für den Austausch identifiziert, gilt es, die Community groß bzw. bekannt zu machen. Dabei sind zwei Stoßrichtungen entscheidend: 1) Generierung von Traffic und 2) Aktivierung der Nutzer*innen in der Community. Hier ist eine Mischung aus Systematik und kreativem Denken gefragt. In der Regel kann eine Community über das Bestandsmarketing mit beworben werden, also z. B. über die eigene Website, den bestehenden Newsletter, Social Media-Kanäle usw. Dies ist oft ein kostengünstiger Weg. Darüber hinaus gilt es aber auch, strategische Partner*innen zu aktivieren, z. B. Medienpartner*innen oder Sponsor*innen. Nicht zuletzt lässt sich die Community über die Interaktionsformate vermarkten. Hier eignen sich besonders jene Formate, die eine geringe Mitmachhürde aufweisen und leicht geteilt werden können, z. B. Fotowettbewerbe. Das Community-Marketing wird häufig vernachlässigt oder es fehlen die entsprechenden Ressourcen, deshalb ist eine systematische Planung inklusive konkreter Meilensteine für das Community-Wachstum unerlässlich. 
 
3. Community-Management 
 
Das Community-Management kümmert sich um die Belange der Community. Hier geht es etwa um das Anwerben neuer sowie die Bindung bestehender Mitglieder, das Setzen von Anreizen zur Mitwirkung und die Förderung des allgemeinen Engagements. In der Regel gilt es hier auch Content-Pläne zu erarbeiten und die Zufuhr von frischen Inhalten sicherzustellen. Auch die Moderation fällt in das Aufgabengebiet des Community-Managements. Sollte es also Streitigkeiten, destruktive Diskussionen oder Regelverstöße gegen die Community-Richtlinien geben, muss ein*e Moderator*in schlichtend eingreifen. Groß ist die Gefahr, dass sich kleine Dinge viral aufschaukeln, deshalb ist ein konstantes Monitoring der Community und zeitnahes Eingreifen enorm wichtig. Zu guter Letzt ist die Erfolgsmessung der Aktivitäten zu nennen, denn auch die kommunikativen Maßnahmen müssen ausgewertet werden. Hier schließt sich der Kreis zur Community-Strategie. 
 
Community-Management: Nicht nur ein Marketingthema 
 
Zwischenzeitlich gibt es in vielen Einrichtungen Digitalisierungsinitiativen, die oftmals direkt vom Vorstand bzw. der Geschäftsführung getrieben sind. Customer Experience ist dabei nachweislich einer der zentralen Treiber für die Auswahl eines Digitalisierungsprojekts. Da Communities, wie oben erwähnt, einen solchen Erlebnisraum darstellen, überrascht es nicht, dass immerhin ein Zehntel der Befragten in der BVCM-Studie (Ellermann et. al. 2016) angab, direkt dem Vorstand oder der Geschäftsführung zugeordnet zu sein. Dadurch wird besser sichtbar, dass das Thema Community-Management eben nicht nur ein Marketingthema ist, sondern sich in die breitere Debatte zur Digitalisierung und Digitalen Transformation einordnet. 
 
Beispiele für Communities im Kulturbereich 
 
Beispiel 1: x-working Community und Magazin für Kunst & Kultur 
 
x-working steht für NET-working und war ein bis 2018 agierendes internationales Netzwerk für Künstler*innen und Kulturschaffende in den Bereichen Traditionelle Kunst, Modern Art, Digitale Kunst und Darstellende Kunst. Künstler*innen konnten in der Community ein Profil einrichten, Fotos oder Videos posten und hatten eine Pinnwand, auf der sie ihre Werke präsentieren konnten. Sie konnten sich untereinander vernetzen und neue Aufträge generieren. Erweitert wurde das Angebot der Vernetzung durch ein integriertes Online-Magazin, welches über aktuelle Trends und Veranstaltungen berichtet sowie Interviews mit Künstler*innen veröffentlicht hat. Zu der Zielgruppe der Online-Community zählten aktive Künstler*innen, passive Künstler*innen, deren Fans, Kunstexpert*innen, Event-Manager*innen und Hersteller*innen von Werkzeugen für den künstlerischen Schaffensprozess. 
 
Beispiel 2: Autor*innen-Community der Leipziger Buchmesse 
 
Die Aufgabe der Leipziger Buchmesse ist es, die Literaturvermittlung in jeder Hinsicht zu stärken. Die Buchmesse erreicht dies traditionell mithilfe ihres vielfältigen Autor*innenprogramms während der viertägigen Messelaufzeit. Mit einer virtuellen Autor*innengemeinschaft hat die Messe zudem die Online- und Offline-Welt enger verzahnt. Die Community richtet sich vorrangig an Autor*innen, aber auch an Blogger*innen und Zeichner*innen. Ein Foto-Wettbewerb lieferte den Auftakt. Autor*innen sollten dazu ein Selfie mit ihrem Buch vor ihrem Buchregal aufnehmen, ein sogenanntes Autor*innen-Shelfie. Über 600 Personen registrierten sich im Rahmen des Wettbewerbs, mehr als 200 kreative Beiträge wurden eingereicht, welche wiederum mehr als 25.000 Bewertungen erhielten. Ziel für einen möglichen Ausbau der Community war es, den Autor*innen zu helfen sich zu vernetzen, ihre Werke zu präsentieren und eine Schnittstelle zu den Leser*innen zu schaffen. Dadurch ist die Community auch für Aussteller*innen der Buchmesse interessant. Im besten Falle entstünden durch die Community völlig neue, ganzjährige Erlösmodelle, die es im klassischen Messegeschäft derzeit noch nicht gibt. 
 
Beispiel 3: Die PASCH-net Communities 
 
PASCH steht für die Initiative "Schulen: Partner der Zukunft". PASCH ist eine Initiative des Auswärtigen Amtes in Zusammenarbeit mit der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA), dem Goethe-Institut (GI), dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) und dem Pädagogischen Austauschdienst (PAD) der Kultusministerkonferenz. Sie vernetzt weltweit mehr als 1.800 Schulen, an denen Deutsch einen besonders hohen Stellenwert hat. Zwei wichtige Komponenten der PASCH-Initiative sind eine Lehrer*innen- und eine Schüler*innen-Community. In der Lehrer*innen-Community können sich diese mit Kolleg*innen weltweit zu Fragen des Unterrichts austauschen oder gemeinsam Ideen für Projekte finden. Die Schüler*innen-Community bietet verschiedene Aktionen, Projekte und Wettbewerbe, an denen sich Schüler*innen aktiv beteiligen können. Sie können zum Beispiel an der Diskussion des Monats teilnehmen, Texte schreiben, Filme drehen, Podcasts produzieren oder Fotos einstellen. 
 
Literatur
 
  • Ellermann, B., Enke, S., Laub, T., Lämmer, S., Schnurr, J.-M., Wagner, D. 2016. Social-Media- und Community-Management in 2016. Nordkirchen: Bundesverband Community Management e.V. für digitale Kommunikation und Social Media. 
  • Manchanda, P., Packard, G., & Pattabhiramaiah, A. 2015. Social Dollars: The Economic Impact of Customer Participation in a Firm-Sponsored Online Customer Community. Marketing Science, 34(3), 367-387. 
  • Wagner, D., Schnurr, J.-M., Enke, S., & Ellermann, B. 2016. Auf dem Weg zur vernetzten Organisation: Ein Plädoyer für professionelles Community Management in der digitalen Transformation. In A. Rossmann, M. Besch, & G. Stei (Eds.), Enterprise Social Networks: 41-60. Wiesbaden: Springer. 
  • Kraut, R. E., & Resnick, P. 2011. Building Successful Online Communities: EvidenceBased Social Design. Cambridge, MA: MIT Press. 
  • Popp, B. 2016. Brand Communities: Grundidee, Konzept und empirische Befunde. In F.-R. Esch (Ed.), Handbuch Markenführung (pp. 1-15). Springer Fachmedien Wiesbaden. 
  • Wagner, D., Wenzel, M., Wagner, H.-T., & Koch, J. Forthcoming. Making strategic use of online communities. Journal of Business Strategy. 
 
Dieser Beitrag erschien zuerst im Kultur Management Network Magazin "Ein bisschen Marketing"

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