24.06.2020

Themenreihe Corona

Autor*in

Elisa Bortoluzzi-Dubach
ist Beraterin für Sponsoring, Stiftungswesen und Mäzenatentum und Dozentin an internationalen Universitäten und Fachhochschulen. Sie ist Verfasserin zahlreicher Fachbeiträge in Zeitungen, Zeitschriften und Kompendien. Von ihr stammen etwa die Handbücher "Sponsoring - der Leitfaden für die Praxis" (Bortoluzzi/Frey, 2011), "Stiftungen - der Leitfaden für Gesuchsteller" (2011) sowie das Buch "Mäzeninnen. Denken-Handeln-Bewegen" (Bortoluzzi/ Frey, 2015) über weibliche Philanthropie.
Corona und die Schweizer Kulturlandschaft

Vielfältige Unterstützungsmöglichkeiten

Auch die Kulturlandschaft der Schweiz ist schwer von der Coronapandemie betroffen. Die heterogene Kulturförderlandschaft des Landes sorgt zugleich für eine Vielzahl an Unterstützungsmassnahmen sowohl von öffentlicher als auch von privater Seite.

Themenreihe Corona

Liebe Frau Bortoluzzi Dubach, wie ist die Situation durch Corona für die Schweizer Kulturschaffenden? 
 
Elisa Bortoluzzi Dubach: Die Covid-19-Pandemie hat eine Krise im Kulturbetrieb verursacht, die wir so noch nicht gesehen haben. Die Absage aller Veranstaltungen hatte schwere wirtschaftliche Folgen für die meisten Kulturschaffenden, aber natürlich besonders für Branchen wie Musik und Theater, die das Rampenlicht und ein grosses Publikum brauchen. 
Praktisch sämtliche Theater und Museen der Schweiz sind privat organisiert und haben eine private Trägerschaft, auch wenn sie zum großen Teil durch öffentliche Mittel finanziert werden. Deshalb findet öffentliche Kulturförderung vorwiegend nach dem Prinzip der Subsidiarität statt:  zuerst in der Gemeinde, dann im Kanton und erst danach im Bund, sodass die nun entfallenden Eigenannahmen nur einen eher geringen Teil ausmachen. Dies bringt eine gewisse Grundsicherheit für die öffentlichen Kultureinrichtungen und ihrer festen Mitarbeiter mit sich, aber auch eine Abhängigkeit vom politischen Förderwillen. Zugleich sind freie Kulturschaffende und Initiativen wie in Deutschland und Österreich besonders stark von der Coronapandemie betroffen. 
 
Die Krise hat zudem gezeigt, wie wichtig eine funktionierende Kulturszene für unsere Zivilgesellschaft sein kann und wie fragil die wirtschaftliche Basis des Kulturbetriebes geworden ist. Damit die notwendigen Erkenntnisse daraus gezogen werden können, gilt es, den Zustand der kulturellen Organisationen, ihre Mängel und ihr Potenzial gründlich zu analysieren, zu verstehen, welche Formate und Modalitäten überdacht werden müssen, und zu hinterfragen, wie Kultur und Gesellschaft in Zukunft interagieren. Dies bedeutet unter anderem auch, die Zusammenarbeit mit den bisherigen Trägern zu prüfen und die Rolle der lokalen Kultur, dem Rückgrat der Zivilgesellschaft zu festigen.
 
Welche Maßnahmen wurden Unterstützung von Kulturschaffenden auf EU Ebene getroffen worden? 
 
EBD: In Europa sind zur Unterstützung von Kulturschaffenden verschiedene Initiativen gestartet worden: Die Europäische Kommission koordiniert die gemeinsame Corona-Krisenreaktion. Um sicherzustellen, dass die EU-Mittel die Betroffenen erreichen, forderten die Abgeordneten die Kommission auf, eine Aufstockung der Garantiefazilität für den Kultur- und Kreativsektor (Programm "Kreatives Europa") zu prüfen. Das bedeutet, dass der Europäische Investitionsfonds als Garant gegenüber Banken usw. eintritt, die etwa Kredite den Kultur- und Kreativbereich anbieten. Damit sollen die finanzielle Leistungsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit gesteigert werden.
 
Die Kommission unterstützte zudem die Einrichtung der neuen Plattform Creatives Unite, die dem Kultur- und Kreativsektor einen Raum zum Informationsaustausch bietet. Geleitet wird die Initiative unter anderem vom Goethe-Institut sowie dem European Creative Hubs Network. Creatives Unite sammelt alle Initiativen und Informationen zum professionellen Kultur- und Kreativsektor im Kontext mit Corona zentral auf einer Plattform. Akteure außerhalb der EU können dieses Projekt ebenfalls nutzen.
 
Und welche Massnahmen wurden in der Schweiz von staatlicher Seite getroffen?
 
EBD: Mehrere Kulturverbände haben zur Solidarität mit Künstler*innen aufgerufen. Im Vordergrund standen dabei Kompensationen für Veranstaltungen und Angebote, die wegen der Covid-Krise nicht durchgeführt oder nicht verkauft werden konnten, obwohl Vorbereitungsarbeiten und Vorauszahlungen bereits geleistet worden waren, oft in beträchtlichem Umfange. Zudem ging es darin um für den Kulturbereich wenig alltägliche Probleme rund um Fragen der Arbeitslosenversicherung für selbständig Erwerbende sowie die schnelle Einführung von Kurzarbeit für kleinere und mittelständische Unternehmen im Kulturbereich. 
 
Am 12. März 2020 haben das Bundesamt für Kultur (BAK) und die Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia ausgewählte Kulturverbände zu einer Anhörung empfangen. Der Bundesrat beschloss am 13. März 2020 Massnahmen zur Abfederung der wirtschaftlichen Auswirkungen des Coronavirus. Diese Massnahmen gelten für alle Branchen und damit auch für den Kultursektor. Am 20. März hat dann der Bundesrat ein vom Bundesamt für Kultur und Pro Helvetia mitentwickeltes Paket an Mitteln zur Milderung von Härtefällen im Kulturbereich bewilligt, womit sowohl dringliche Nothilfen wie auch spätere Ausfallsentschädigungen geleistet werden können. Der Bund stellt dabei eine erste Tranche von 280 Millionen CHF zur Verfügung, die Soforthilfen für nicht gewinnorientierte Kulturunternehmen (100 Mio. CHF) und Kulturschaffende (25 Mio. Franken), Ausfallentschädigungen für gewinnorientierte und nicht gewinnorientierte Kulturunternehmen und Kulturschaffende (145 Mio. CHF) sowie Finanzhilfen für Kulturvereine im Laienbereich (10 Mio. CHF) umfassen. Die finanziellen Hilfen können bei den Kantonen bzw. dem Verein Suisseculture Sociale und den Laienkulturverbänden beantragt werden. Die Richtlinien zur Umsetzung stehen bereit und es können Gesuche zu den ergänzenden Massnahmen für den Kultursektor eingereicht werden.
 
Zudem behandelt Pro Helvetia während der Covid-19-Pandemie Kriterien für aller geförderten Disziplinen sehr flexibel. Die zuständigen Abteilungen reagieren auch auf Gesuche, die aufgrund der aktuellen Situation die in den Wegleitungen aufgeführten Kriterien nicht vollumfänglich erfüllen können. Im Weiteren sucht Pro Helvetia über die Ausschreibung "Close Distance" seit Anfang April neue Kunstformate, die in Covid-19-Zeiten innovativ mit Mobilitätseinschränkung umgehen und mit neuen Strategien Distanzen überwinden.
 
Obwohl der Bund schnell reagierte und die Stiftung Pro Helvetia sofort eine Informationskampagne mit regelmässigen Updates auf ihrer Website startete, war es angesichts der sehr kurzen "Vorwarnzeiten" dennoch nicht in allen Fällen möglich, Schäden zu verhindern. Die hohe Professionalität in vielen Bereichen der Kulturarbeit in Hinblick auf die arbeitsmarktliche Situation darf vielleicht besonders erwähnt werden. 
 
Den betroffenen Akteuren im Kultursektor und ihren Partnern auf Seiten der Kommunen, der Privatwirtschaft, der Kantone und der Bundesstellen darf für die Qualität und die entsprechende Wirkung ihrer Bemühungen ein grosses Dankeschön gesagt und ein gutes Zeugnis ausgestellt werden. 
 
Wenn die staatlichen Fördermaßnahmen nicht ausreichen, wie können Stiftungen helfen? 
 
EBD: Stiftungen können den Staat nicht ersetzen, aber sie können komplementär als Innovationstreiber handeln: Kurzfristig können Stiftungen helfen, indem sie finanzielle Mittel auf unkomplizierte Weise zur Verfügung stellen und den Zugang zu neuen Mitteln erleichtern. Weiterhin können sie die Schaffung neuer kultureller Formate erleichtern. Einen wesentlichen Beitrag sehe ich bei der Unterstützung in Form von Selbsthilfe: die Einrichtung von Kursen und anderen Formaten, die es den verschiedenen Akteuren ermöglichen, sich zu informieren. 
 
Langfristig halte ich Aktivitäten für sinnvoll, die sich mit den Ursachen der Krisenauswirkungen auf die Kultur zu befassen. Kurz gesagt geht es darum, mit allen Stakeholdern eine Analyse der Erkenntnisse zu erarbeiten und daraus Ansätze für die Transformation von Strukturen, Mentalitäten und die Finanzierung der Kultur auf lokaler und nationaler Ebene zu finden. Stiftungen können einen wichtigen Beitrag leisten, indem Sie Risikokapital zur Verfügung stellen, Expertise, Know-how, Netzwerke und Leadership.
 
Lässt sich schon etwas dazu sagen, wie Corona die Schweizer Kulturlandschaft im Allgemeinen verändern wird?
 
EBD: Angesichts der Schnelligkeit, mit der sich die Umwelt verändert, ist es schwierig vorherzusagen, was sich in der Kulturlandschaft verändern wird. Ich bin überzeugt, dass sich Strukturen, Organisationen und Arbeitsumfelder ändern werden. Ich glaube deshalb nicht, dass die Antwort auf die aktuelle Situation von einer Lobby in Bern kommt, sondern dass die Kulturschaffenden selbst mit Unternehmertum, Mut und neuen Initiativen ihre Rolle in der Gesellschaft definieren werden. 
 
Weiterführende Informationen
 
Ausgewählte Initiativen von Schweizer Stiftungen
 

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