28.02.2022

Themenreihe Digitale Formate

Autor*in

Theresa Schnell
ist Beraterin für Kultureinrichtungen, deren Träger und kulturpolitische Akteure bei der METRUM Managementberatung GmbH. Erfahrungen u.a. in den Bereichen Organisations-, Leitbild- und Strategieentwicklung. Ausbildung in bildender Kunst, Ökonomie und Sozialwissenschaften. Stationen im Ausstellungsmanagement u.a. für die Stiftung Bauhaus Dessau und für freie Projekte. 
 
Digitale Transformation im Kulturbetrieb

Warum digitales Sammlungsmanagement ein Strategiethema ist

Softwarelösungen zum digitalen Management von Sammlungen wirken über das Sammlungsmanagement hinaus: Sie vernetzen sammlungsspezifische Tätigkeiten mit den übrigen musealen Kernaktivitäten. Ihre Einführung und Nutzung erfordert ein Umlernen gewohnter Arbeitsabläufe in nahezu allen Bereichen eines Museums.

Themenreihe Digitale Formate

Digitalisierung erweitert das Angebot von Museen
 
Nicht erst seit der Coronapandemie und den damit verbundenen gesellschaftlichen sowie kulturbetrieblichen Einschränkungen verändert die Digitalisierung die Arbeit von Museen: Viele Häuser bieten einen Online-Zugang zu ihrer Sammlung, welcher Besucher:innen, Interessierten und Forscher:innen zeitlich flexibel und ortsungebunden zugänglich ist. Zudem finden Eröffnungen und andere Veranstaltungen als hybride oder gänzlich virtuelle Events statt. Mittels Multimedia-Guides oder Smartphone-Anwendungen bekommt das Publikum nicht nur diverse Informationen, sondern kann über Umfragetools auch selbst beitragen und kommentieren. Damit wird das Museumsangebot leichter zugänglich und interaktiver.
 
 
Die digitale Sammlung
 
Kern von vielen dieser Angebote sind die Kunstwerke, Archivalien und sonstigen Objekte in der Sammlung des Museums. Softwarelösungen (engl. Collection Management Software, kurz: CMS), mit denen Sammlungen digital erfasst werden, wurden vor gut zehn Jahren noch von einer Vielzahl an Anbietern entwickelt. Heute haben sich einige wenige Firmen im westlichen Museumsmarkt durchgesetzt: Die Anbieter Axiell, Gallery Systems und zetcomsowie die - insbesondere im deutschsprachigen Raum relevante - Firma robotron haben integrierte Gesamtlösungen entwickelt. So sind Systeme für digitales Sammlungsmanagement heute weit mehr als eine Datenbank für Bilder und Basisinformationen. 
 
CMS sind in der Regel webbasierte Lösungen, welche alle Bereiche der Sammlungsverwaltung bedienen und mit diversen anderen Tätigkeiten vernetzt sind. Sie ermöglichen die Ablage und Organisation von vielfältigen Datensätzen. Diese beinhalten neben den zwei- und dreidimensionalen Abbildungen der Sammlungsobjekte und den entsprechenden Basisinformationen auch zusätzliche Medien wie Forschungsergebnisse, Restaurierungsberichte, Provenienzen, Berichte von Zeitzeug:innen sowie sonstige Archivalien. Dokumente, Bilddateien, Audiofiles und weitere Medien können mithilfe von Schlagworten systematisiert und zu Gruppen zusammengefasst werden. Die meisten angebotenen Software-Lösungen verfügen über integrierte Normdatenformate und Thesauri, um eine einheitliche Datenstruktur und Verschlagwortung sicherzustellen. Zusätzlich zu den relevanten Dokumenten können Kontaktdaten von beispielsweise Leihgeber:innen oder Besitzer:innen mit dem Objekt abgelegt und in das Kontaktmanagement des Hauses eingebunden werden. Werden die Sammlungsobjekte und Archivalien digital erfasst und um weitere Informationen ergänzt, wächst ein Daten- und Medienpool, welcher als umfassende Erweiterung der bestehenden oder gar als "zweite", nämlich digitale Sammlung verstanden werden kann.
 
Anwendungsbereiche
 
Die abgelegten und miteinander verknüpften Medien und Informationen können in unterschiedlichen Bereichen des Museums genutzt werden: Mittels diverser Dokumentvorlagen lassen sich beispielsweise Leihverträge, Objektlisten und Scancodes für Transportkisten generieren. Zudem können die digitalisierten Objekte auf verschiedenen digitalen Plattformen genutzt werden. Die Einbindung der Sammlung auf Webseiten ist dabei eine der bekanntesten Anwendungen, aber auch interaktive Multimedia-Guides und digitale Ausstellungen können über eine Schnittstelle mit dem CMS verbunden werden. Ferner ist es möglich, im Rahmen eines inklusiven Führungsangebots zusätzliche Medien wie Audio-Beschreibungen für Blinde oder Videos für Gehörlose über das CMS anzubieten. Durch die Vergabe von Nutzungs- und Schreibrechten können verschiedene Personengruppen wie Mitarbeiter:innen, Besucher:innen und externe Forscher:innen auf vorher definierte Inhalte und Informationen zugreifen und diese ergänzen. 
 
CMS betrifft Strukturen, Prozesse und individuelle Haltungen
 
Die Vielzahl der hier nur beispielhaft angeführten Möglichkeiten von CMS zeigt: Digitales Sammlungsmanagement mit einer zeitgemäßen Software betrifft einerseits diejenigen, welche originär dem Bereich Sammlung zugeordnet sind (Wissenschaftler:innen, Dokumentar:innen, Restaurator:innen, Depotverwalter:innen, Registrars und Kurator:innen). Andererseits erstellen und nutzen aber auch Mitarbeiter:innen aus eher "sammlungsfernen" Bereichen wie Vermittlung, Outreach, Besucher:innendialog, Öffentlichkeitsarbeit und Marketing die Datensätze. 
 
In Folge ändern sich bestehende Arbeitsweisen und Zuständigkeiten oder es werden ganz neue Stellenprofile geschaffen. So gibt es in den Teams zunehmend "Digitalmanager:innen", "Digitale Sammlungsmanager:innen", "Digital Content Manager:innen", "digitale Kurator:innen" oder "Manager:innen der digitalen Community". Und nicht nur die Aufgaben in den einzelnen Bereichen des Museums müssen weiterentwickelt werden, um CMS optimal anzuwenden. Ihre Nutzung fordert und formt vielmehr Prozesse, die quer zu den häufig eher getrennten Abteilungen liegen. Die Implementierung von CMS ist als umfassender Change-Prozess zu verstehen, da sich Aufgaben und Arbeitspraxis der einzelnen Mitarbeiter:innen sowie ihre Zusammenarbeit verändern (müssen). Neben einem Um- bzw. Verlernen gewohnter Routinen gilt es zudem, individuell wie gemeinsam eine "digitale Haltung" zu entwickeln, also das Digitale als integrierten Teil des Ganzen zu begreifen und anzuwenden. 
Auswahl des "richtigen" CMS ist eine strategische Aufgabe
 
Die Möglichkeiten eines CMS können besonders dann umfassend genutzt werden, wenn die Software optimal zu der jeweiligen Kulturinstitution passt. Alle vier genannten Softwarefirmen bieten verschiedene Zusatzmodule (bspw. für Projektmanagement, Kontaktverwaltung, Provenienzforschung, Archive, etc.) und passen das CMS individuell entsprechend der Vorgaben der Kund:innen an. Für den Auswahlprozess empfiehlt es sich darum ein Projektteam zu bilden, in welchem diejenigen Bereiche repräsentiert sind, die künftig mit dem CMS zu tun haben werden.
 
 
Dieses Team sollte die Anforderungen der künftigen Nutzer:innen sammeln, systematisieren und daraus eine Matrix an Auswahlkriterien ableiten. Die möglichen Kriterien sind vielfältig, wie etwa: 
  • Umfang und Systematik von Eingabefelder und -karten,
  • integrierte Thesauri und Normdaten, 
  • Design des Interfaces und dessen Anpassungsmöglichkeiten durch (geschulte) Nutzer:innen, 
  • Aufwand für die Migration vorhandener Daten, 
  • Datenspeicherung und Pflege der Datenbank (cloudbasiertes Hosting vs. eigener Server), 
  • Option offline mit dem CMS zu arbeiten, 
  • Schnittstellen zu vorhandener Hard- und Software, 
  • Schulungsangebote, 
  • Preismodell, Kosten und Erreichbarkeit des Services. 
In einem nächsten Schritt können erste Angebote eingeholt und die verschiedenen CMS auf Basis der (gewichteten) Kriterien verglichen werden. Bei Kriterien wie Userfreundlichkeit und Kund:innenservice bietet sich der Austausch mit Nutzer:innen an anderen Häusern an. Wurden die möglichen CMS anhand der vorab definierten Kriterien bewertet, kann eine fundierte Entscheidung getroffen werden. 
 
Résumé
 
Die immer breiter werdenden Anwendungsbereiche von CMS-Systemen machen zwei Dinge deutlich: Erstens verändert Digitalisierung als gesamtgesellschaftlicher Trend die Beziehung zwischen Museen und ihren Nutzer:innen. Und zweitens liegt es in den Händen der Museen, ob sie diesem Trend aktiv begegnen und ihn im Sinne der eigenen Relevanz zu nutzen wissen. Besser zugänglichere, räumlich flexible und interaktive Angebote gehören zu den großen Potenzialen des digitalen Museums der Zukunft. Eine wichtige Grundlage dafür ist die Digitalisierung der Sammlung und die vielfältige Verwendung der Daten. Doch gibt es, wie eine 2019 durchgeführte Studie des Instituts für Museumsforschung zeigt,[1] gerade hier deutliche Nachholbedarfe: Zwar nutzen viele Museen digitale Datenbanken zur Inventarisierung der Bestände, in den allermeisten dieser Museen sind jedoch höchstens ein Drittel der Sammlungsobjekte online für externe Nutzer:innen verfügbar. Ein umfänglich genutztes CMS ist wesentlich dafür, dass die Sammlungsbestände nicht nur digitalisiert, sondern auch von unterschiedlichen Personengruppen genutzt werden können. Für Entscheidungsträger:innen an Museen bedeutet dies, das digitale Sammlungsmanagement als zentrales und bereichsübergreifendes Strategiethema anzuerkennen und weiterzuentwickeln. Denn am Ende gilt, dass jede Software, egal wie professionell und vielseitig, immer nur so gut ist, wie ihre Anwender:innen, die sie zu nutzen wissen.

[1] Zahlen und Materialien aus dem Institut für Museumsforschung (Bd. 75), 2021, https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/ifmzm/article/view/80323/74310

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