07.06.2007

Autor*in

Andrea Hausmann
ist Professorin für Kulturmanagement an der PH Ludwigsburg. Zuvor war sie Professorin und Leiterin des Masterstudiengangs Kulturmanagement und Kulturtourismus an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder). Sie berät Kulturbetriebe bei der Umsetzung von Maßnahmen der Personal- und Organisationsentwicklung. 
Demographiedebatte im Kulturbereich

Älter, bunter, weniger

Seit seine dramatische Bedeutung für die Zukunft Deutschlands erkannt wurde, ist der demographische Wandel in den Fokus zahlreicher Untersuchungen und Debatten gerückt. Im Kern geht es hierbei um die Auseinandersetzung mit den Perspektiven, Chancen und Risiken für eine Gesellschaft, die in den kommenden Jahren und Jahrzehnten älter, bunter (heterogener) und weniger wird.
Vorrangige Aufmerksamkeit erhalten dabei derzeit noch Fragestellungen, die sich mit den Konsequenzen für die sozialen Sicherungssysteme, die Arbeits- und Kapitalmärkte, den Wohnraumbestand und die Produkt- und Dienstleistungsmärkte beschäftigen. Noch relativ wenig Beachtung finden dagegen die Auswirkungen, die der demographische Wandel auf die kulturelle Infrastruktur haben wird. Selbst so mancher Kulturpolitiker und Kulturpraktiker schätzt die Demographiedebatte als für den Kulturbereich noch wenig relevant ein oder beschränkt sich auf den Hinweis, dass damit kein Abbau scheinbar überflüssiger Kultureinrichtungen verbunden sein dürfe. Diese abwartende Einstellung dürfte allerdings kurzsichtig sein, denn auch im Kunst- und Kulturbereich wird nur überleben, was auch (künftig noch) vom Publikum nachgefragt wird. Vor diesem Hintergrund scheint es daher eine sinnvolle Empfehlung für die Kulturinstitutionen aller Sparten, möglichst frühzeitig aus der Defensivrolle herauszukommen und in die Debatte einzugreifen, um Veränderungsprozesse aktiv mitgestalten zu können.
 
 
Tab. 1: Älter, Bunter, Weniger Prognosen für Deutschland im Jahre 2050
 
Was aber kommt auf die Kultureinrichtungen im Kontext des demographischen Wandels in den nächsten Jahren zu? Wenngleich hierzu keine abschließenden Aussagen getroffen werden können, da verschiedene Einflussparameter die wahrscheinlichen Entwicklungen in bestimmten Städten, Regionen oder auch insgesamt verstärken bzw. abschwächen können (Plus- und Minus-Faktoren), so gelten nachfolgende Projektionen zumindest doch als sehr wahrscheinlich.
 
  • Durch die Schrumpfung der Bevölkerung wird es zu einem quantitativen Rückgang von tatsächlichen und potenziellen Nutzern kommen; ein Teil der derzeitigen kulturellen Infrastruktur wird künftig weniger in Anspruch genommen.
  • Die Bevölkerung wird nicht nur weniger, sondern auch internationaler. Durch diese zuwanderungsbedingte Veränderung der Bevölkerungsstruktur wird es zu neuen (inhaltlichen) Anforderungen an die kulturelle Infrastruktur vor allem in den Großstädten kommen.
  • Durch die Überalterung der Gesellschaft werden sich die Bedürfnisse, das kulturelle Nutzungsverhalten und die Erwartungen an die Leistungen von Kulturanbietern verschieben. Die jugendliche Minderheit wird es zudem in Zukunft schwerer haben, ihre kulturellen Interessen durchzusetzen.
  • Aufgrund der Veränderung der Haushalts- und Familienstrukturen und der damit einhergehenden sozialen, zeitlichen und finanziellen Handlungsspielräume wird sich die Art und Intensität der kulturellen Teilhabe verändern.
  • Durch den Bevölkerungsrückgang wird es v.a. in wenig dicht besiedelten Räumen zu Konsequenzen für die Kulturfinanzierung kommen (sinkende eigene Einnahmen der Einrichtungen, sinkende Zuweisungen aus dem kommunalen Finanzausgleich, weniger Einnahmen aus der Einkommensteuer etc.). Der Verteilungskampf um die knappen Mittel der öffentlichen Hand wird zwischen den einzelnen Einrichtungen und Sparten noch weiter zunehmen.

Alle hier genannten Entwicklungen werden Konsequenzen sowohl für die inhaltliche Arbeit der Kultureinrichtungen als zum Beispiel auch für das Marketing und die Ausgestaltung von Serviceleistungen von Kultureinrichtungen haben. So werden die Einrichtungen beispielsweise nicht umhin kommen, sich mit Aspekten wie Erreichbarkeit mit dem öffentlichen Nahverkehr, Schriftgrößen (Internet etc.), Akustik, Länge der Pausen zwischen den Stücken, bauliche Beschaffenheit von Gebäuden (Barrierefreiheit), Schulung von Personal, Anpassung von Einführungsveranstaltungen, Übersichtlichkeit von Informationen etc. noch stärker und mit Zukunftsorientierung auseinanderzusetzen. Hierbei kann auch ein Blick über den eigenen Tellerrand auf privatwirtschaftliche Dienstleistungsunternehmen helfen, die schon gute Strategien für den richtigen Umgang mit den Kunden von morgen entwickelt haben.

Es bleibt festzuhalten, dass der demographische Wandel nicht erst morgen beginnen wird, sondern sich schon heute mit ersten Anzeichen in unserer Gesellschaft zeigt. Deutschland wird älter, weniger und bunter werden in welchem Umfang das konkret geschehen wird hängt von verschiedenen Einflussparametern ab. Wenngleich manche Entwicklungen schon als unumkehrbar gelten, so scheinen doch auch noch Weichenstellungen möglich und letztlich sind auch noch nicht alle Auswirkungen des demographischen Wandels bis ins Detail erforscht. Vor allem die Konsequenzen für die kulturelle Infrastruktur bleiben in einigen Bereichen aufgrund der fehlenden empirischen Unterfütterung weitgehend hypothetisch. Laufende Forschungsprojekte werden hier hoffentlich mehr Licht in das Dunkel bringen können. Daneben muss das Thema aber auch stärker in der Ausbildung künftiger Kulturmanager Berücksichtigung finden. So wird derzeit im Masterstudiengang Kulturmanagement und Kulturtourismus an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) von den Studierenden ein Symposium zu den Auswirkungen des demographischen Wandels auf das Kulturangebot und die Kulturnachfrage vorbereitet, dessen Ergebnisse weitere Aufschlüsse darüber bringen sollen, welche Handlungsoptionen den Einrichtungen für den Umgang mit dem Kulturpublikum von morgen zur Verfügung stehen.
 

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