21.01.2014

Autor*in

Jens Michow
ist seit 1985 Präsident und Geschäftsführer des Bundesverbands der Veranstaltungswirtschaft (bdv) e.V. Als Experte der Live Entertainment-Branche wird er regelmäßig von Ausschüssen des  Bundestages zu Anhörungen geladen. Seit 2010 ist er Dozent für den Bereich Recht des Masterstudiengangs Kultur- und Musikmanagement an der Hochschule für Musik und Theater in München. Darüber hinaus ist er Autor diverser Veröffentlichungen zu einschlägigen Rechtsfragen.
Wandel und Herausforderungen der Veranstaltungswirtschaft

Das Ende einer Cashcow

Kultureinrichtungen bieten ein facettenreiches Angebot an Veranstaltungen. Doch die Veranstaltungswirtschaft und deren Rahmenbedingungen haben sich in den vergangenen Jahren erheblich geändert und damit sind auch die Herausforderungen an Veranstalter gewachsen. Prof. Jens Michow, Präsident des Bundesverband der Veranstaltungswirtschaft, gibt einen kurzen Einblick in die wesentlichsten Veränderungen, um die auch Kultureinrichtungen wissen sollte, vor allem wenn sie sich zu einer Stippvisite in die Veranstaltungsbranche begeben, ob nun Livemusik im Museumsfoyer, Lesungen im Theater, Popkonzerte in der Oper usw.
Veranstaltungswirtschaft als Kulturmanagement
 
Der breiten Öffentlichkeit mag es kaum bekannt sein: die deutsche Veranstaltungswirtschaft hat sich längst zu einer der sowohl wirtschaftlich als auch kulturell bedeutendsten Säulen unseres Kulturbetriebs entwickelt. Hinter dem Umsatz des Buchhandels und weit vor Games, Tonträgern und Kino rangieren Live-Veranstaltungen an der Spitze des deutschen Entertainment-Marktes. Nach dem Rekordjahr 2011 mit einem Umsatz von fast 4 Milliarden Euro erwirtschaftete der Wirtschaftsbereich im Jahr 2012 mit 110 Millionen verkauften Eintrittskarten einen Gesamtumsatz von rund 3,3 Milliarden Euro eine Schwankung, die aufgrund des sich ständig wechselnden Veranstaltungsangebots nicht untypisch ist.

Veranstalter sind heute weitaus mehr als lediglich wie sich die Veranstalterlegende Fritz Rau gerne mit Bescheidenheit selbst bezeichnete Kartenverkäufer, mithin Dienstleister für die ausübenden Künstler. Häufig sind sie neben ihrer Eigenschaft als Financiers auch Produzenten, Choreografen, Regisseure von Kulturereignissen und übrigens mehr denn je auch zuständig für den Aufbau des ünstlernachwuchses. Die Branche zählt damit zu dem großen Bereich der nationalen Kreativwirtschaft. Typischerweise hat man sie allerdings in den 11 von der Europäischen Union definierten Kreativwirtschafsbereichen in der Kategorie Musikwirtschaft versteckt. Dabei steckt nur bei etwa zwei Dritteln der Veranstaltungsangebote tatsächlich Musik drin. Das restliche Drittel besteht aus den Angeboten von Theater, Lesungen, Comedy, Politischem Kabarett, Zirkus etc.
 
Der privatwirtschaftliche Veranstaltungsmarkt

Der Veranstaltungsmarkt teilt sich in Angebote privater Veranstalter einerseits und andererseits in Angebote öffentlicher Einrichtungen des Bundes, der Länder, Städte und Gemeinden. Zahlen zu den jeweiligen Marktanteilen gibt es nicht. Gemäß Einschätzung des Verfassers lässt sich jedoch davon ausgehen, dass die privatwirtschaftlichen Angebote bei weitem überwiegen.

Das Alleinstellungsmerkmal des privatwirtschaftlichen Veranstalters besteht darin, dass er die mit seinen Veranstaltungen nicht selten in Millionen höhe verbundenen Kostenrisiken allein schultern muss. Nicht einmal Banken beteiligen sich an seinen stets spekulativen Risikogeschäften. Das Veranstaltungsangebot der Gebietskörperschaften hingegen ist regelmäßig zu weit mehr als 100 Prozent von der öffentlichen Hand subventioniert. Private Veranstalter müssen daher an erster Stelle exzellente Kaufleute sein. Sie müssen aber auch ein gutes Näschen für die Beurteilung haben, was beim Publikum ankommt, damit die Investitionen wieder eingespielt und möglichst ein Gewinn erwirtschaftet wird.
 
Problembereiche im Veranstaltungsmanagement

Letzteres allerdings ist jedenfalls für die Musikveranstalter in den letzten zehn Jahren zunehmend schwerer geworden. Das hat seine Ursache in den Umwälzungen insbesondere der Musikindustrie, also der Hersteller bespielter Tonträger. Während noch bis Mitte der 90er Jahre das Live-Geschäft für Künstler vornehmlich ein Promotion-Tool für den Verkauf ihrer Aufnahmen war, mit denen sie ihre wesentlichen Einnahmen erzielten, sind der Ton- und Bildtonträgerverkauf und die zunehmend digitale Vermarktung von Musik heute für sie ganz überwiegend zu einer zu vernachlässigenden Größe geschrumpft. An seine Stelle sind die Honorare für Live-Auftritte getreten. Noch schmerzlicher dürfte jene Entwicklung für ausübende Künstler gewesen sein, die neben ihren Verkaufslizenzen durch hohe Vergütungen aus der Verwertung ihrer Autorenrechte verwöhnt waren. Rückläufige Verkäufe sowie illegale Downloads und Kopien bis hin zu den besonders geringen Einnahmen aus der digitalen Vermarktung ihrer Werke lassen heute auch diese Einnahmequelle weitaus weniger sprudeln. Da war für sie die nicht zuletzt aufgrund der demoskopischen Entwicklung der Bevölkerung wachsende Nachfrage im Live-Bereich der rettende Anker. Nicht selten gehen Künstler heute sogar dazu über, ihre Tonaufnahmen kostenlos zum Download ins Netz zu stellen. Damit Appetit auf den Konzertbesuch zu machen, erscheint ihnen lukrativer als die Hoffnung auf die zusammengeschmolzenen Einnahmen aus dem Verkauf ihrer Aufnahmen.

Das gewachsene Interesse von Künstlern am Live-Geschäft war zunächst aus Sicht der Veranstalter eine durchaus erfreuliche Entwicklung. Dass damit allerdings einherging, dass die Manager der Künstler nunmehr mit gleichem Nachdruck um die Höhe der Konzerthonorare kämpften, wie sie vorher mit den Tonträgerfirmen um die Höhe ihrer Verkaufslizenzen gestritten haben, war eine unangenehme Folgeerscheinung. Nachteilig wirkte sich auch aus, dass sog. Toursupports finanzielle Unterstützungen seitens der Tonträgerfirmen so gut wie gar nicht mehr gezahlt wurden. Die Veranstalter mussten nun ihrerseits darum kämpfen, dass ihnen von dem zu verteilenden Kuchen überhaupt noch etwas übrig blieb. Ein Beispiel: Noch Anfang der 90er Jahre war es üblich, dass Künstler für ein Konzert oder eine Tournee vom Veranstalter ein ausgehandeltes Festhonorar erhielten. Der Veranstalter hatte dann zusätzlich die sogenannten örtlichen Kosten also die Kosten der Durchführung des Konzertes oder der Tournee zu tragen. Waren die Produktionskosten also das Honorar nebst Reisekosten, Ton, Licht und Personal und die sogenannten Durchführungskosten eingespielt, begann die Verdienstschwelle des Veranstalters. Diese Zeiten sind Vergangenheit. Heute fordern Künstler regelmäßig eine sogenannte Festgarantie, deren Höhe sich bestenfalls noch an den bisher üblichen Festhonoraren orientiert: Darüber hinaus lassen sie sich am Gewinn beteiligen, schreiben regelmäßig den Eintrittspreis vor und limitieren nicht selten die Durchführungskosten, um es nicht dem Zufall zu überlassen, ab welcher Einnahme ihre Beteiligung unabhängig von den tatsächlich angefallenen Kosten beginnt. Die Gewinnmarge des Veranstalters ist damit erheblich gesunken, gestiegen sind in den letzten zehn Jahren aber nicht nur die Honorarforderungen der Künstler. Das gesamte Kostenumfeld von Veranstaltungen hat sich gewandelt. Einerseits sind Produktionen insbesondere im Bereich der Popularmusik weitaus aufwendiger und damit kostenintensiver geworden. Andererseits sind aber auch die Durchführungskosten von Konzerten aller Art rundherum erheblich angestiegen. Erwähnt seien nur beispielhaft die seit 2010 von der GEMA erheblich angehobenen Autorenrechtsvergütungen, die gerade soeben wieder rasant ansteigende Künstlersozialabgabe und natürlich auch die erheblich gestiegenen Personalkosten sowie Hallenmieten.

Die wesentliche Ursache für die ständig beklagten hohen Eintrittspreise von Konzerten dürfte damit hinreichend veranschaulicht sein. Die Besucherzahlen sind seit 2007 trotz gestiegenen Umsatzes rückläufig. Das ist ein deutliches Signal dafür, dass etwas unrund läuft. Die Künstler werden darüber nachdenken müssen, ob sie ihr Publikum mit ihren erheblichen Einnahmeerwartungen nicht längst überfordert haben. Die Politik sollte im Interesse der gesamtwirtschaftlichen Bedeutung des Wirtschaftszweiges zumutbare insbesondere steuer- und abgabenrechtliche Rahmenbedingungen schaffen. Denn sie sind nicht nur die conditio sine qua non für die Existenz des Wirtschaftszweigs sondern sichern auch zigtausende Arbeitsplätze bei den zahlreich vom Veranstaltungsgeschäft abhängigen Dienstleistungsbetrieben. Dabei sollte auch berücksichtigt werden, dass Veranstaltungsangebote sich längst zu einem harten Standortfaktor entwickelt haben. Sie sind für Länder, Städte und Gemeinden nicht nur im erheblichen Maße imageprägend, sondern haben unmittelbare Auswirkungen auf das Wachstum einer Region und ihre städtebauliche Entwicklung. Die Zeiten, in denen man Veranstalter als Cashcow für all jene nutzen konnte, die von Veranstaltungen und der Veranstaltungswirtschaft leben und abhängig sind, sind allerdings endgültig vorbei.

Prof. Jens Michow ist Seniorpartner der von ihm gegründeten Hamburger Medienrechtskanzlei Michow & Partner Rechtsanwälte. Er begann seine berufliche Karriere mit Gründung der unter der Firma Michow Concerts & Management auftretenden Künstleragentur. 1985 gründete er den Bundesverband der Veranstaltungswirtschaft e.V., dessen Präsident und Geschäftsführer er ist. Im Juli 2013 wurde Michow vom Freistaat Bayern eine Professur an der Hochschule für Musik und Theater in München verliehen.
 
Dieser Beitrag erschien erstmals im KM Magazin 10/2013.
 
Ein Interview zum Wissensmanagement in der Veranstaltungsbranche finden Sie hier.

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