05.01.2007

Autor*in

Birgit Mandel
ist seit 2019 Leiterin des Instituts für Kulturpolitik der Universität Hildesheim und dort Professorin für den Bereich Kultur und Management sowie Kulturvermittlung.
Die Neuen Kulturunternehmer

Motive, Visionen und Erfolgsstrategien

Zwischen 2001 und 2005 sind rund 10.000 Kulturunternehmen in Deutschland neu entstanden. Dabei handelt es sich weniger um "Global player", etwa der Filmwirtschaft, der Popmusikbranche und des Verlagswesens, sondern vor allem um kleine und Kleinstunternehmen (vgl. Söndermann in: Materialien zur 2. Jahrestagung Kulturwirtschaft, Berlin 2005).
Auslöser für diesen Boom kleiner Kulturunternehmen ist zum einen der Strukturwandel des Kultursektors: Im öffentlichen Kulturbetrieb werden zunehmend Stellen abgebaut und Aufgaben an externe Dienstleister vergeben, während im dritten Sektor und in der Kulturwirtschaft neue Anbieter entstehen. Insgesamt ist eine zunehmende Ökonomisierung und zugleich Professionalisierung des Kultursektors zu beobachten. Ein Mangel an Festanstellungen bei gleichzeitig hohem Bedarf an professionellen Serviceleistungen im Kultursektor fordert selbständige Tätigkeiten heraus, nicht nur bei arbeitslosen Kulturschaffenden, sondern auch bei jungen Absolventen kultur- und geisteswissenschaftlicher Studiengänge.

Marktchancen für neue Kulturunternehmen entstehen zum anderen aber auch dadurch, dass kulturelle Dienstleistungen zunehmend von anderen Wirtschaftssektoren nachgefragt werden. Der hier eingeführte Begriff der "Neuen Kulturunternehmer" meint Inhaber von Kleinst- und Kleinunternehmer der Kulturwirtschaft, die jenseits traditioneller Kulturberufe, wie etwa Künstler, Designer oder Architekten, neue Dienstleistungen für den Kultursektor oder kulturorientierte Dienstleistungen für andere Sektoren entwickeln.

Eine unter Leitung von Dr. Birgit Mandel im vergangenen Jahr durchgeführte Studie des Instituts für Kulturpolitik der Universität Hildesheim ging der Frage nach, was diese vor allem in den letzten zehn Jahren neu gegründeten kleinen Kulturunternehmen auszeichnet, welche Ziele und Visionen sie verfolgen, welche Formen kultureller Dienstleistungen sie anbieten und welche Strategien ihnen zum Erfolg verhelfen.

Im April und Mai 2006 wurden 230 Kulturunternehmen in Deutschland angeschrieben, wovon 83 einen auswertbaren Fragebogen zurückgeschickt haben. (Eine Zusammenfassung der Ergebnisse ist auf dem Portal von Kulturmanagement Network zu beziehen.)
Die in die Befragung einbezogenen Kulturunternehmen bieten künstlerisch bzw. kulturell gestaltende, Kultur vermittelnde, Kultur managende und Kultur beratende Leistungen an, arbeiten oftmals in interdisziplinären Zusammenhängen und an Schnittstellen zwischen Kunst und anderen gesellschaftlichen Sphären wie Wissenschaft oder Wirtschaft. Die Unternehmer arbeiten mit wenig Kapital und hohem persönlichen Einsatz. Sie zeichnen sich durch große Flexibilität und hohe Lernbereitschaft aus, mit der sie auf wechselnde Anforderungen und den sich verändernden Bedarf reagieren.

Neue Kulturunternehmer verfügen über ein hohes Bildungsniveau und hohes Humankapital. Sie zeigen eine hohe Weiterbildungsbereitschaft, um neuen bzw. sehr heterogenen Herausforderungen gerecht zu werden, denn als Kleinunternehmer sind Aufgaben nur bedingt zu delegieren. Trotz ihrer Nähe zu den Künsten und der Integration künstlerischer Denk- und Gestaltungsprinzipien in ihre Arbeit sind die Neuen Kulturunternehmer keine "autonomen"
Künstler. Bereits die Geschäftsidee und deren Ausgestaltung bedenkt auch den Absatz und die Wünsche und Bedürfnisse realer oder potentieller Kunden mit.

Neue Kulturunternehmer gehören dem Kulturwirtschaftssektor an, Auftraggeber sind jedoch häufig Institutionen des öffentlichen Kultursektors. Oftmals entwickeln sie sich aus dem dritten, gemeinnützigen Sektor heraus. Obwohl sie darauf angewiesen sind, mit ihrer Tätigkeit Gewinne zu erwirtschaften, verfolgen ihre Unternehmen oft zugleich auch gemeinnützige und ideelle Ziele.
Neue Kulturunternehmer fühlen sich dem Kultursektor zugehörig und sind dort verankert. Sie begreifen sich oftmals weniger als Wirtschaftsunternehmer, sondern viel mehr als Kulturschaffende, was sich auf den finanziellen Ertrag der Unternehmen tendenziell negativ auswirkt. Trotz innovativer und qualitativ hochwertiger kultureller Dienstleistungen ist der Umsatz der meisten kleinen Kulturunternehmen gering.

Neue Kulturunternehmer arbeiten, so lässt sich pointiert festhalten, mit geringem finanziellen und hohem kreativen Kapital. Ihre Motivation und ihr Ehrgeiz bestehen eher in der Verwirklichung von Ideen als in der Expansion. Sie haben eine hohe inhaltliche Motivation und eine hohe Arbeitsethik. Arbeit und Freizeit fließen oftmals ineinander: Die Arbeit als Kulturunternehmer wird nicht nur als eine Tätigkeit zum Geld verdienen, sondern als Lebensprojekt begriffen. Die häufigste Motivation für die Unternehmensgründung besteht darin, eigene Ideen selbstbestimmt und unabhängig von einem Arbeitgeber verwirklichen zu wollen.

Neue Kulturunternehmer sind Netzwerkunternehmer, deren Potential in vielfältigen Kontakten und Kooperationsbeziehungen besteht. Statt feste Mitarbeiter einzustellen, verfügen die meisten über ein großes Netzwerk potentieller Mitarbeiter und Partner, die sie je nach Auftrag aktivieren. Das macht die Unternehmen besonders flexibel und hält das Unternehmensrisiko gering, verhindert jedoch auch die Expansion des Unternehmens. Trotz vergleichsweise niedriger Umsätze begreifen die befragten Neuen Kulturunternehmer sich und ihr Unternehmen mehrheitlich als erfolgreich und gehen zumeist von einer positiven Entwicklung ihres Unternehmens in der Zukunft aus.

Obwohl die Neuen Kulturunternehmer nur in bescheidenem Maße Arbeitsplätze schaffen, sind sie ein nicht zu unterschätzender Faktor für den Kulturarbeitsmarkt. "Die wichtigste Triebfeder für die Wachstumsdynamik in den Kulturberufen sind die Selbständigen unter den Erwerbstätigen in den Kulturberufen. Sie erreichen zusammen eine Wachstumsrate von über 50% zwischen 1995 und 2002 und liegen aktuell bei einer Gesamtzahl von knapp 320 000 Personen. Die Gruppe der selbständigen Kulturberufe wächst vier mal schneller als die Gesamtgruppe aller Selbständigen innerhalb der erwerbstätigen Bevölkerung.", so eine Studie des BMBF. (Söndermann: Kulturberufe. Statistisches Kurzporträt zu den erwerbstätigen Künstlern, Publizisten, Designern, Architekten und verwandten Berufen im Kulturberufemarkt in Deutschland 1995 2003. Im Auftrag der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM), Bonn 2004)

Im Jahr 2004 sind ca. 150.000 steuerpflichtige Kulturunternehmen einschließlich Künstlerateliers und Journalistenbüros registriert worden. Der allergrößte Teil davon entfällt auf Einzelunternehmer bzw. Freiberufler. Analysen des Umsatzpotentials von Kulturwirtschaftsunternehmen in Deutschland zeigen einen starken Zuwachs von Klein- und Einpersonenunternehmen, während die großen. Unternehmen in der Kulturwirtschaft schrumpfen. (vgl. Söndermann, in: Materialien zur 3. Jahrestagung Kulturwirtschaft, Berlin 2006)

Die Expansion der neuen Kulturunternehmen hat jedoch nicht nur einen positiven Einfluss auf den Arbeitsmarkt, sondern sie trägt zu einer vielfältigen Kulturlandschaft bei und befördert die Professionalisierung und Serviceorientierung im Kultursektor. Nicht zuletzt haben die Neuen Kulturunternehmer auch Einfluss auf das gesellschaftliche Innovationspotenzial, indem sie neue Formen und Wege finden, Kultur in unterschiedliche Gesellschaftsbereiche einzubringen.

Einen detaillierten Einblick in die von neuen Kulturunternehmern entwickelten Dienstleistungen und die Strategien, die ihnen zum Erfolg verhelfen vermittelt folgendes Buch:

Birgit Mandel: Die neuen Kulturunternehmer. Ihre Motive, Visionen und Erfolgsstrategien, Transcript Verlag Bielefeld, Erscheinungstermin 2/2007
 

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