05.01.2007

Autor*in

Andri Jürgensen
Gründen im Kunst- und Medienbereich

Künstlersozialkasse - Hilfe in der Existenzgründung. Und danach?

Eine Existenzgründung im Kunst- und Medienbereich ist besonderen Bedingungen unterworfen. Oft geringe und zudem stark schwankende Einkünfte der Selbständigen machen den Start in die eigene berufliche Existenz nicht leicht. Auf der Strecke bleibt unter solchen Bedingungen in vielen Fällen die eigene Vorsorge für Krankheit und Alter - das eingenommene Geld wird für andere Dinge ausgegeben, aber nicht für eine Rentenvorsorge, zuweilen bleibt auch die Krankenversicherung auf der Strecke.
Um diesem Umstand abzuhelfen, hat die Bundesregierung in den 70er Jahren das Projekt Künstlersozialkasse auf den Weg gebracht. Der Grundgedanke: für die selbständigen Künstler und Publizisten wird die Pflichtversicherung in der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung eingeführt. Um die Finanzierung der Beiträge zu erleichtern, zahlt die Künstlersozialkasse 50 % der Beitragshöhe als Zuschuss. Selbständige Künstler und Publizisten sind damit ähnlich abgesichert wie Arbeitnehmer.

Erwirtschaftet werden die Beitragszuschüsse insbesondere durch die Künstlersozialabgabe. Diese müssen alle Unternehmen leisten, welche regelmäßig künstlerische oder publizistische Leistungen verwerten: Bühnen, Verlage und Museen ebenso wie TV-Produktionsfirmen oder Musikschulen. Abgabepflichtig sind aber auch die sog. Eigenwerber, also Unternehmen und Einrichtungen, welche Werbung für sich betreiben und freie Grafiker, Designer, Texter oder Fotografen hiermit beauftragen.

Der Vorteil für die freien Künstler und Publizisten liegt auf der Hand: sie erhalten trotz ihrer Selbständigkeit eine geförderte Absicherung in der gesetzlichen Renten- und Krankenversicherung sowie der sozialen Pflegeversicherung. Natürlich lässt sich fragen, warum gerade Künstler und Publizisten diese bevorzugte Behandlung erfahren und nicht auch andere Freiberufler. Kritisch wird auch angemerkt, dass der Aufwand durch die Künstlersozialabgabe für die Unternehmen in keinerlei Verhältnis steht zu der geringen Anzahl der Versicherten - derzeit sind rund 150.000 Personen bei der KSK als versicherungspflichtig gemeldet.

Im Alltag stellen sich den Versicherten aber andere Fragen. Zunächst einmal natürlich: Welche Berufsgruppen sind künstlerisch oder publizistisch tätig und damit versicherungspflichtig? Wonach bemisst sich die Beitragshöhe? Und welche Veränderungen wird es künftig geben?

Schon die erste Frage gehört zu den schwierigsten im ganzen Recht der KSK. Denn eine Definition der Begriffe Kunst und Publizistik der Gesetzgeber - in weiser Zurückhaltung - gar nicht erst versucht. Es wäre ihm auch nicht gelungen. In § 2 KSVG heißt es lediglich, dass Kunst im Sinne des KSVG das Ausüben, Schaffen oder Lehren von Musik, darstellender Kunst oder bildender Kunst sei. Was aber darstellende Kunst oder bildende Kunst sind, wurde ebenso wie der Begriff der Publizistik der Ausarbeitung durch die Praxis der Verwaltung und Gerichte überlassen.

Im Laufe der Jahre hat sich in der Rechtsprechung herausgebildet, dass Kunst stets ein "Mindestmaß eigenschöpferischer Gestaltung" erfordere. Wer nicht schöpferisch tätig wird -wobei ein geringes Niveau ausreicht - ist nicht Künstler im Sinne des KSVG. Kuratoren oder Ausstellungsgestalter sind beispielsweise nicht nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) selbst schöpferisch tätig, sie stellen lediglich fremde Kunst aus. Assistenten sind ebenfalls nicht eigenschöpferisch tätig, sondern weisungsabhängig, und damit keine Künstler (sie versuchen dies oftmals dadurch zu umgehen, dass sie ihre Rechnungen an die Auftraggeber anders formulieren. Dann allerdings muss der Auftraggeber auf die vermeintlich künstlerische Leistung die Künstlersozialabgabe leisten).

Die KSK prüft die Voraussetzungen der Versicherungspflicht und insbesondere die ausgeübte Tätigkeit inzwischen sehr viel genauer als noch vor einigen Jahren. Denn infolge des steten Anstiegs der Versichertenzahlen ist auch der Zuschussbedarf gestiegen und damit auch der Abgabesatz für die Künstlersozialabgabe. Die Bundesregierung hat deshalb erheblichen Druck auf die KSK ausgeübt, den Anstieg der Versichertenzahlen abzubremsen. Manche Berufsgruppen, die früher problemlos aufgenommen wurden, werden deshalb heute aus der Versicherungspflicht rausgehalten. Betroffen waren beispielsweise Trauerredner, die erst nach einem Urteil des Bundessozialgerichts im vergangenen Jahr wieder von der KSK aufgenommen werden.

Wer zum Kreis der Versicherungspflichtigen gehört, zahlt monatliche Beiträge an die KSK. Diese leitet die Beiträge mitsamt den Zuschüssen an die zuständige Krankenkasse weiter als der Einzugsstelle für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag. Die Höhe der Beiträge stellt eine Besonderheit dar, die immer wieder Anlass für Kritik und Irritationen gibt. Denn Grundlage für die Beitragshöhe ist eine Prognose: Welchen Gewinn erwartet der Versicherte im kommenden Kalenderjahr? Jeder Versicherte muss der KSK zum 1. Dezember eines Jahres melden, welchen Gewinn er im kommenden Jahr erwartet. Gibt er beispielsweise 10.000 also Prognose an, berechnen sich die Beiträge auf der Grundlage dieser Zahl.

Natürlich ist der künftige Gewinn nur schwer abzuschätzen, kaum eine Prognose wird sich einmal genau mit der Realität treffen. Deshalb kann der KSK jederzeit im Laufe des Jahres auch eine Korrekturmeldung vorgelegt werden. Die Beiträge werden dann anhand der neuen Gewinnprognose nach oben oder unten angepasst - dies allerdings nur für die Zukunft, nicht für die bereits vergangenen Monate des Jahres.

Faktisch aber nutzen viele der Versicherten die Prognose, um wissentlich eine zu geringe Gewinnerwartung abzugeben und darüber eine günstige Absicherung in der Sozialversicherung zu erhalten, insbesondere in der gesetzlichen Krankenversicherung. Damit aber stehen den heuten Sozialkassen weniger Einnahmen zur Verfügung, als dies bei realistischen Prognosen der Fall wäre. Das wiederum hat die Bundesregierung auf den Plan gerufen: sie will durch verstärkte Überprüfungen der Versicherten erreichen, dass realistische Prognosen abgegeben werden. Die KSK hat bereits zum Ende des vergangenen Jahres eine solche Prüfungswelle eingeleitet und wird diese auch weiterhin fortführen. Die statistisch geringen Durchschnittseinkünfte der KSK-Versicherten von jährlich nur rund 10.000 - eine stete Quelle für Forderungen der einschlägigen Verbände wie dem Deutschen Kulturrat an die Politik - wird sich in der kommenden Zeit daher von ganz alleine auf einem höheren Niveau einpendeln. Dass die bisherigen Werte mit der Realität nicht übereinstimmten, musste jedem Fachmann bekannt sein.

Wie beim Arbeitnehmer steigt mit einem zunehmenden Einkommen auch der monatliche Beitragssatz. Gut verdienenden Künstlern und Publizisten stellt sich daher oft die Frage, ob sich die KSK für sie noch "lohnt" - oder ob eine private Absicherung nicht lukrativer wäre. Nur: es handelt sich um eine Pflichtabsicherung, es besteht keine Freiwilligkeit und kein Wahlrecht. Man
kann der KSK also nicht durch einen einfachen Brief mitteilen, dass man "austreten". Wer einmal als Versicherungspflichtig bei der KSK gemeldet ist, bleibt es auch, solange er eine selbständige künstlerische Tätigkeit ausübt. Auch, wenn das Einkommen steigt.

Ausnahmen gibt es laut KSVG nur, wenn ein Versicherter noch andere Tätigkeiten ausübt, entweder eine selbständige nichtkünstlerische oder in abhängiger Beschäftigung arbeitet, und die Einkünfte hieraus über bestimmten Werten liegen.

Jeden selbständigen Künstler und Publizisten trifft eine gesetzliche Pflicht, sich bei der KSK zu melden, damit diese die Versicherungspflicht prüfen und dann feststellen kann. Allerdings regelt das KSVG keine Sanktionen, wenn sich ein selbständiger Künstler bei der KSK nicht meldet. Die KSK sucht auch nicht aktiv nach Versicherungspflichtigen, die noch nicht gemeldet sind. Die Versicherungspflicht gilt auch stets erst ab der Meldung bei der KSK, so dass keine Beiträge für die Vergangenheit nachzuentrichten wären.

Anders hingegen bei den abgabepflichtigen Unternehmen. Diese werden von der KSK aktiv gesucht, sie müssen die Künstlersozialabgabe für die vergangenen fünf Kalenderjahre nachzahlen. Derzeit ist nur ein kleiner Teil der abgabepflichtigen Verwerter auch bei der KSK gemeldet. Entsprechend hoch liegt der Abgabesatz - denn je weniger Unternehmen die nötigen Beitragszuschüsse erwirtschaften, umso mehr muss das einzelne, bei der KSK gemeldete Unternehmen zahlen. Wenn also die Zahl der bei der KSK gemeldeten Unternehmen
steigt, kann der Abgabesatz sinken.

Dies ist der zweite Punkt, den die Bundesregierung reformieren möchte. Derzeit ist ein Gesetzentwurf in Arbeit, der zur Mitte 2007 in Kraft treten soll. Kern der Reform: die Deutsche Rentenversicherung Bund (ehemals BfA) erhält die Prüfungskompetenz für die Arbeitgeberunternehmen. Künftig werden Erfassung und Prüfung der Verwerter, welche zugleich Arbeitgeber sind, über die DRV laufen. Dort wird entsprechendes Personal zur Verfügung gestellt. Durch Personal und Infrastruktur wird die Zahl der gemeldeten, abgabepflichtigen Verwerter in den kommenden Jahren erheblich steigen.

Für die Versicherten hat dies keine direkten Auswirkungen. Die Reformbestrebungen zeigen aber, dass die Bundesregierung ihr Ziel einer "Stärkung der Künstlersozialversicherung" auch erreichen will. Die Unkenrufe der Vergangenheit, welche das Gespenst einer Schließung der KSK beschworen, können also verstummen.
 

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