05.11.2012

Autor*in

Dirk Heinze
Paradigmenwechsel

Kulturentwicklung und Tourismus im Dialog

Mit dem Arbeitskreis der Kulturverwaltungen hat Brandenburg eine Austauschplattform für jene, die in den Regionen für Kultur & Tourismus verantwortlich sind. Kulturmanagement Network war erstmals bei einer Tagung des AKK dabei.
Konzepte für Kulturtourismus und -entwicklung standen im Mittelpunkt der 34. Tagung des Arbeitskreises der Kulturverwaltungen (AKK), die am 1. und 2. November stattfand. Kulturland Brandenburg als Träger des AKK hatte als Veranstaltungsort Oranienburg gewählt. Die Stadt rund 30 km nördlich von Berlin ist im Aufbruch. Insbesondere die Landesgartenschau 2009 war die Initialzündung für zahlreiche infrastrukturelle Maßnahmen, die lebenswerte Quartiere für Wohnen, Erholung und Kultur entstehen ließ. Sichtbarstes Zeichen ist die Renovierung des Schlosses und der dazugehörige Park, der laut einer Umfrage des RBB zu den beliebtesten in Berlin-Brandenburg überhaupt gehört. 550.000 Besucher zog die Landesgartenschau in die Region - ein Spitzenwert, der für anhaltende Wahrnehmung auf der touristischen Landkarte sorgt. Die Übernachtungszahlen steigen.
 

Dialogischer Planungsprozess

Damit derlei Erfolge erzielt werden können, ist nicht nur ein bloßer Zuschlag zur Austragung von Events nötig. Es braucht Experten, die tragfähige Konzepte erstellen. Der Kulturberater Dr. Patrick S. Föhl, der auch schon mit fundierter Fachliteratur von sich reden machte, spricht von "innovativen Planungs- und Kommunikationsinstrumenten", wie sie mit Kulturentwicklungsplänen zur Verfügung gestellt werden. Dabei ist nicht nur das Ergebnis wichtig. Im schlimmsten Fall verschwinden solche Papiere in der Schublade. Auf einen dialogischen Prozess seiner Erarbeitung kommt es vielmehr an, auf die enge Zusammenarbeit zwischen Stadtspitze, Kulturschaffenden und Bürgern. Die großen gesellschaftlichen Herausforderungen - demografischer Wandel und Fachkräftemangel, veränderte Nutzerstrukturen und schärferer Wettbewerb - lassen anderswo die Verantwortlichen allzu oft in eine Art Schockstarre geraten. Wie z.B. im sachsen-anhaltischen Dessau-Roßlau, wo Föhl gemeinsam mit NRWs Kulturstaatsekretär a.D. Große-Brockhoff versucht, 20 Jahre ausgesessener kulturpolitischer Entscheidungen hinter sich zu lassen.
 

Das Omnibusprinzip

Immer mehr Leuten wird bewusst, dass die Zeit "additiver Kulturpolitik" vorbei ist. Patrick Föhl spricht vom Omnibusprinzip - der Wagen ist voll, neue Kultureinrichtungen und -projekte können nicht mehr einsteigen. Damit droht kulturell-künstlerischer Stillstand. Kulturentwicklungspläne zeigen Lösungen aus dieser Misere auf, benennen z.B. Prioritäten in Form von Förderrichtlinien, schlagen die Bildung von Kulturbeiräten vor oder beziehen staatliche wie private Träger ein. Insbesondere Themen mit übergreifender, gesellschaftlicher Relevanz wie kulturelle Bildung oder Tourismus können die Akteure leichter zusammenbringen. Föhls Vortrag endete mit einem Zitat des Verlegers Michael Urban: "Früher hatten wir einen Zustand, dann kam die Veränderung, dann ein neuer Zustand. Jetzt ist die Veränderung der Zustand".
 
Auch in der Region Ostprignitz-Ruppin hat seit Februar 2012 ein solcher Veränderungsprozess begonnen. Jetzt weht ein frischer Wind durch Kommunikation und Kooperation, resümmiert Kerstin Pein, Kulturreferentin des Landkreises. Dabei konnte man auf eine vorhandene Kulturplanung aufbauen, der den Status quo bereits gut beschrieb. Die Herausforderung bestand eher darin, in einem Großkreis die Akteure zusammenzubringen und Konsenspositionen zu erarbeiten.
 

Paradigmenwechsel im kommunalen Kulturmanagement

Hilfreich waren dabei Mittel aus dem ESF sowie dem Sparkassenfond, wie überhaupt solche Prozesse ganz ohne finanzielle Hilfe von den Kommunen kaum geleistet werden können. Expertengespräche, die Bildung einer Lenkungsgruppe und Befragungen von Bürgern und Touristen erwiesen sich als nützliche Methoden. Neuruppins Kulturreferent Mario Zetzsche lobte die Diskussionen auf hohem Niveau, die bereichs- und sektorenübergreifend abliefen. Er sieht sogar einen Paradigmenwechsel im eigenen Rollenverständnis eingeleitet: von der mäzenatischen Kulturverwaltung zum kooperativen, koordinierenden Kulturmanagement. Damit ließen sich nach Zetzsche ein zeitgemäßes Kulturmarketing, eine kriteriengeleitete Kulturförderung, Qualifizierung der Akteure und eine Stärkung der Kulturvermittlungsarbeit erreichen.
 

Überraschungen aus Schwedt

Dies konnte Doris Schulze aus der Stadt Schwedt bestätigen. Nirgendwo anders hat man die Notwendigkeit tiefgreifender Veränderungen früher erkannt als hier. Von einst 50.000 Einwohnern leben nur noch 35.000 in der Stadt an der Oder. Seit 2006 wurden konsequent Leitlinien umgesetzt. Insbesondere führte man Museen und Bibliotheken dergestalt zusammen, dass nicht die Einsparungen als einziges Ergebnis die Bilanz bestimmten, sondern Profilbildung und eine gestiegene Wahrnehmung. Eine positive Überraschung stellen die Uckermärkischen Bühnen dar. Wo in anderen Städten dieser Größenordnung kaum Theater zu finden sind oder weggespart wurden, zogen 2011 allein 672 Veranstaltungen der städtischen Bühnen mehr als 135.000 Besucher an. Aktuell möchte man der gestiegenen Bedeutung des Kulturtourismus Rechnung tragen und arbeitet an einem Sommerangebot. Bei alledem darf der hohe finanzielle Aufwand nicht vergessen werden - 8,1 Millionen werden laut Doris Schulze für Kultur in Schwedt aufgewendet, davon sind 3,7 Millionen Zuschuss vom Land.
 

Hoffnungen und Skepsis im Süden Brandenburgs

Hoffnungen auf einen Aufschwung durch die Kultur hegt man auch im tiefen Süden Brandenburgs. In Doberlug wird 2014 die erste Landesausstellung ausgerichtet. Das Schloss wurde liebevoll restauriert, die noch leeren Räume warten nun auf eine kulturelle Nutzung, die die Berliner Kuratorin Anne-Katrin Ziesak dem AKK in Oranienburg erstmals vorstellte. Unter dem Motto "Wo Preußen Sachsen küsst" (der Landstrich war bis zum Wiener Kongress 1815 sächsisch) wird man sich dem Verhältnis beider Landsmannschaften widmen. Die konservative, rein auf historische Ereignisse und Phänomene abzielende Landesausstellung, birgt allerdings die Gefahr, Gegenwartsprobleme oder gar Zukunftsperspektiven zu vernachlässigen. Da hätte man sich mehr gewünscht. Schwierig dürfte auch die infrastrukturelle Erschließung sein - Doberlug liegt abseits von ICE-Strecken, sodass man selbst von Dresden und Berlin etwa 2 Stunden Anreise einplanen muss - Zeit, die für die Nutzung der zahlreich geplanten kulturellen Angebote verloren geht.
 
Dr. Kurt Winkler, als geschäftsführender Direktor des Hauses der Brandenburgisch-Preussischen Geschichte verantwortlich für die Landesausstellung, verteidigte allerdings das Konzept. Es sei bewusst als kulturhistorische Ausstellung geplant, die die Nachbarschaft zwischen Preußen und Sachsen beleuchten soll. Ziel sei die Verbesserung der Wahrnehmung der Region, was auch ein politisches Statement der Landesregierung ist. Die aktuellen Bezüge, so Kuratorin Ziesak, könne man mit Partnerveranstaltungen herstellen. Kulturland-Geschäftsführerin Brigitte Faber-Schmidt erwähnte in diesem Zusammenhang den Künstlerinnenhof Süd-Brandenburg, der sich intensiv mit aktuellen Themen des Strukturwandels in der Region auseinandersetzt.
 
Die Sorge, dass die Landesausstellung nicht den gewünschten Effekt erzielt, wird auch von Marcel Petermann von der Sängerstadt Finsterwalde geteilt. Der Wirtschaftsförderer sucht derzeit Möglichkeiten, das Jahr der Landesausstellung 2014 im benachbarten Doberlug für die gesamte Region zu nutzen, insbesondere durch Projekte, die sich stark mit aktuellen Fragestellungen auseinandersetzen. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Akteure im Süden Brandenburgs an den Schnittstellen zwischen Kultur, Tourismus und Wirtschaft noch rechtzeitig zusammenfinden.
 

Von kulturellen Netzwerken in Brandenburg profitieren

Mit dem Kulturland e.V. und speziell dem AKK hat Brandenburg allein schon Netzwerke, von deren Erfahrungsaustausch die Beteiligten profitieren und in ihrer Art durchaus beispielgebend für andere Bundesländer sind. Hinzu kommen weitere Netzwerke, wie sie in Oranienburg vorgestellt wurden. So initiierte die Ostdeutsche Sparkassenstiftung das Klosterland, eine Dachmarke des Deutsch-Polnischen Klosternetzwerks, das aus einem Zusammenschluss verschiedener Klöster im ostdeutschen und westpolnischen Raum besteht. Auch sie haben die Vorteile einer Zusammenarbeit erkannt. Die spezifische Qualität des Klosternetzwerks besteht in der freiwilligen aber verbindlichen Zusammenarbeit, in deren Rahmen die Netzwerkpartner bei gleichzeitig gegenseitiger Kontrolle rechtlich und wirtschaftlich eigenständige Akteure bleiben. Hinzu kommt die Unterstützung aller organisatorischen und markenbezogene Aktivitäten durch die Finanzierung eines Netzwerkmanagements durch die Sponsoren. Mit der Plattform Kreatives Brandenburg oder Livekritik.de stellten sich weitere Netzwerke mit Sitz in Brandenburg auf der AKK-Tagung vor. Und es stellte sich heraus, das viele Impulse über das Bundesland hinaus gegeben werden können. Das sollte doch Anlass zum Optimismus geben.
 
Weiterführende Informationen:
 
http://twitter.com (#bbkultur)
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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