13.06.2013

Autor*in

Patrick S. Föhl
ist Gründer und Leiter des "Netzwerks Kulturberatung" in Berlin sowie ein international agierender Kulturentwicklungsplaner, Kulturmanagement-Trainer und Hochschulreferent. Darüber hinaus publiziert er regelmäßig in den Bereichen Kulturpolitik sowie Kulturmanagement und ist Beirat im Bereich "Bildung und Diskurse" des Goethe-Instituts. 
Kulturentwicklungsplanung

Themen, Kernfragen und Strategieansätze

Kulturentwicklungsplanung erlebt eine Renaissance. Neben den Gründen für diese Wiederbelebung und Ausdehnung des lange bekannten kulturpolitischen Strategieansatzes, die in den letzten Tagen auf diesem Portal erschienen sind, interessiert im besonderen Maße, welche Themen und Kernfragen gegenwärtig in der Praxis behandelt werden.
 
Grundsätzlich lassen sich drei Felder differenzieren:
 
  • kulturpolitische Kernfragen
  • Querschnittsthemen und -maßnahmen
  • sparten- und einrichtungsspezifische Fragestellungen.

Kulturpolitische Kernfragen

Kulturpolitische Kernfragen beziehen sich auf die Reflexion vorhandener Konzepte, Instrumente, Mechanismen und Wirkungsweisen. Besonders stark und grundsätzlich werden diese Fragestellungen von folgenden Herausforderungen determiniert:
 
  • Der demografische und kulturelle Wandel begründen einen Publikumsrückgang vor allem in den klassischen Einrichtungen der Hochkultur, die besonders stark durch die öffentliche Hand getragen/gefördert werden, und eine veränderte Interessenlage sowie die offensichtlich immer noch vorhandene soziale Selektivität zahlreicher Kultureinrichtungen.
  • Das proportionale Ungleichgewicht von Kulturförderung für einzelne Sparten (bedingt durch historisch gewachsene Infrastrukturen und unterschiedliche Produktionserfordernisse) und die große Disparität zwischen freien und gebundenen Mitteln (Omnibusprinzip) sowie zwischen Mitteln für die »etablierte« und freie Szene.
Allein diese beiden Punkte setzen die Kulturpolitik unter legitimatorischen Druck, da diese Praxis zunehmend in Frage gestellt wird. Vor diesem Hintergrund ergeben sich zahlreiche grundsätzliche Untersuchungsfelder für Kulturentwicklungsplanungen in Gemeinden, Städten und Bundesländern:
 
  • Grundlagen erarbeiten zur Einführung einer neuen Kulturförderrichtlinie basierend auf nachhaltigen/zeitgemäßen Kriterien (Verhältnis Angebot/Nachfrage; Kooperationsgebot; Vermittlungsaspekte; Innovationsförderung; Innen-/Außenorientierung; Evaluation u. v. m.)
  • Umbau der kulturellen Infrastruktur vorantreiben (wie können auch andere Akteure an der vorhandenen Infrastruktur partizipieren, also Ankerfunktion und Hebelwirkungen bestimmter Institutionen gestärkt werden?; Kooperationen/Fusionen; landesweite Theaterentwicklung etc.)
  • Umverteilungsfragen beantworten (Umlandfunktion von Kultureinrichtungen/Umlagefinanzierung; "Kulturförderabgaben" u. a.)
  • Einführung eines konsequenten trisektoralen Blicks (Koordination; Abbau von Konkurrenz; gemeinsame Wirkungsfähigkeiten/Sichtbarkeit stärken etc.)
  • Bildung kulturpolitischer Schwerpunkte (Bündelung der Mittel in bedarfsgerechte Entwicklungsfelder; Gießkannenprinzip abbauen u. a.)
  • Verbesserung der Einkommenssituation, insbesondere der freischaffenden Künstler
  • grundsätzliche gesellschaftspolitische Fragen (Verteilungsgerechtigkeit etc.)
  • Einführung von Kulturbeiräten (Begleitung kulturpolitischer Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse durch ein permanentes Fachgremium) bzw. genereller Governance-Prinzipien.

Querschnittsthemen und -maßnahmen

Auf Basis der grundsätzlichen kulturpolitischen Fragestellungen werden häufig weitergehende Querschnittsthemen bearbeitet, die in der Regel für einen beachtlichen Teil der Kulturakteure aus dem öffentlichen, privat-gemeinnützigen und privat-kommerziellen Kulturbetrieb von Bedeutung sind. Hierzu zählen vor allem die folgenden aktuellen beziehungsweise wiederentdeckten Entwicklungsfelder:
 
  • Kulturelle Bildung/Kulturvermittlung
  • Kulturtourismus/Kulturmarketing
  • Kulturwirtschaft.
Wenngleich alle drei Felder unterschiedliche Wirkungsmechanismen und Entwicklungsanforderungen aufweisen, so sind ihnen auch verschiedene Eigenschaften gemein. Es handelt sich um besonders kooperations- und koordinationsimmanente Felder. Ohne sinnvolle Kooperationen und Koordinationsleistungen sind alle genannten Bereiche nicht denkbar, da sie auf Partnerschaften zwischen jeweils verschiedenen Akteuren angewiesen sind.
 
Kulturentwicklungsplanung hat folglich nicht nur die Aufgabe, sinnhafte Projekte und Ansätze in den genannten Themenfeldern aufzuzeigen, sondern auch entsprechende Bedarfe abzuleiten und nach Möglichkeiten zu suchen, wie diese umgesetzt werden können. Andernfalls liegt ein Papier vor, das viele gute Ideen beinhaltet, deren Umsetzung aber völlig ungeklärt ist was wiederum zu Frustration der beteiligten Akteure führen kann. Häufig geht es hierbei gegenwärtig zum Beispiel um Koordinationsstellen, die vorhandene Akteure und Ideen zusammenbringen sollen, um gemeinsam wirkungsstärker auftreten zu können. Überzeugend können hier Aspekte im Rahmen einer Kulturplanung herausgearbeitet werden, dass insbesondere die Kulturelle Bildung und der Kulturtourismus einen aktiven Beitrag zur allgemeinen Stadt- und Regionalentwicklung leisten können. Gleichfalls entstehen neue Gestaltungsräume für bestehende als auch für neue Akteure aus dem Kulturbereich und relevanten Querschnittsfeldern. Damit steigen auch die Chancen, eine Finanzierung für entsprechende Koordinationsstellen zu realisieren oder vorhandene Positionen entsprechend umzustrukturieren.
 
Folglich stellen Kulturentwicklungsplanungen immer auch weitergehende Anforderungen an ein zeitgemäßes Kulturmanagement, das quasi als Dolmetscher/Entwickler insbesondere koordinierende und vermittelnde Funktionen sowie mit allen seinen Möglichkeiten die Qualifizierung und Vermittlung von Kulturangeboten zu leisten hat. So wurden beispielsweise bei der Kulturentwicklungsplanung für die Stadt Dessau-Roßlau neben den Schwerpunkten Kulturelle Bildung und Kulturtourismus ausführliche Anforderungen für ein zeitgemäßes Kulturmanagements seitens des Amtes für Kultur formuliert.
 
Selbstredend können auch weitere Querschnittsmaßnahmen lokalisiert werden wie zum Beispiel die generellen Bestrebungen, die interkommunale Zusammenarbeit zu intensivieren oder themenspezifische Schwerpunkte zu setzen, die sich auf die regionalen Besonderheiten beziehen und oft im Rahmen von kulturtouristischen Potenzialen diskutiert werden. Besonders eindrücklich sind zum Beispiel die gegenwärtig virulenten Diskussionen über die Umbenennung der Stadt Dessau-Roßlau in Bauhausstadt Dessau. Einerseits ist vielen Akteuren bewusst, dass man ein klares Thema in der touristischen Vermittlung benötigt mit dem sich auch andere Themenfelder vermitteln lassen. Anderseits besteht oft die Angst, dass andere Angebote, die dann nicht direkt mit dem Oberthema zu tun haben, keine Berücksichtigung mehr finden. Insgesamt ist hier mit einer durchdachten und integrativen Themenstrategie zu reagieren, die nach innen wie nach außen wirken kann.
 

Sparten- und einrichtungsspezifische Fragestellungen

Die oben dargestellten Fragestellungen führen im nächsten Schritt zur weitergehenden Betrachtung von einzelnen Sparten und Einrichtungen. Einerseits ergeben sich aus den genannten Querschnittsmaßnahmen und kulturpolitischen Grundsatzfragen konkrete Erfordernisse an die vorhandenen Kultureinrichtungen und -projekte. Andererseits ergeben sich im Rahmen von Kulturentwicklungsplanungen weitergehende Desiderate. Hierzu zählen konkrete Finanzierungs-, Investitions- und Entwicklungsfragen. Im Mittelpunkt stehen hier selbstredend als kostenintensivste Einrichtungen die öffentlichen Theater. Häufig gefolgt von Fragen bezüglich der Entwicklungserfordernisse der lokalen/regionalen Museumslandschaft. Allerdings ist festzuhalten, dass sich Kulturentwicklungsplanungen in der Regel mit der gesamtheitlichen Entwicklung einer Kulturlandschaft befassen und bei sparten- beziehungsweise einrichtungsspezifischen Fragen planerische Grenzen erreicht werden.
 
Das heißt, dass nicht jedes Detail vertieft werden sollte. Andernfalls verliert ein entsprechender Plan an Brennschärfe und das große Ganze wird aus den Augen verloren. Idealiter werden die wichtigsten Entwicklungsperspektiven einzelner Sparten und Einrichtungen vor allem im Kontext der Querschnittsmaßnahmen Kulturtourismus und Kulturelle Bildung definiert und im nächsten Schritt entsprechende sparten- und einrichtungsspezifische Untersuchungen an die Kulturentwicklungsplanung angeschlossen.
 

Zum Autor

Dr. phil. Patrick S. Föhl (*1978) ist Leiter des Netzwerks für Kulturberatung (www.netzwerk-kulturberatung.de) und der Forschungsgruppe »Regional Governance im Kulturbereich« der FH Potsdam. In diesen Funktionen hat er u. a. zahlreiche Kulturentwicklungsplanungen in deutschen Kommunen und Regionen als Projektleiter durchgeführt (z.B. Stadt Dessau-Roßlau, KulturRegion Stuttgart, Kreis Euskirchen, Stadt Brandenburg an der Havel, Regionaler Wachstumskern Wittenberge-Perleberg-Karstädt, Landkreis Ostprignitz-Ruppin). Aktuell arbeitet er an folgenden Projekten (Auswahl):
 
Fortschreibung der »Kulturpolitischen Konzepte« der Landeshauptstadt Potsdam
 
Verfahrenskonzeption für die Neugestaltung der Musikförderung des Bundes unter Berücksichtigung des Governance-Ansatzes (in Kooperation mit dem Institut für Kulturpolitik der Universität Hildesheim; im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung)
 
Kulturstrategie für die Stadt Plovdiv, Bulgarien (gemeinsam und im Auftrag der KULTUREXPERTEN Dr. Scheytt GmbH).
 
Er ist Referent und Dozent an Hochschulen und Einrichtungen im In- und Ausland. Zudem ist er Autor und Mitherausgeber von über 60 Publikationen und Standardwerken zum Kulturmanagement und zur Kulturpolitik in Theorie und Praxis wie z.B. Das barrierefreie Museum (2007, transcript), Regionale Kooperationen im Kulturbereich (2009, transcript), Das Kulturpublikum (2011, 2., erw. Aufl., VS), Kooperationen und Fusionen von öffentlichen Theatern (2011, VS). Seit 2013 ist Patrick S. Föhl Vorstandsmitglied des Fachverbandes Kulturmanagement e.V.
 

Hinweise

Aufgrund der dargestellten Entwicklungen befasst sich auch der 7. Kulturpolitische Bundeskongress und das entsprechende Jahrbuch für Kulturpolitik 2013 der Kulturpolitischen Gesellschaft mit den diversen Planungsaktivitäten in den deutschen Kommunen und Ländern.
 
Der Beitrag ist ein Auszug aus einem umfangreicheren Aufsatz des Autors: Föhl, Patrick S. (2013): Kulturentwicklungsplanung Renaissance und Expansion eines Steuerungsinstrumentes. Reflexion und Entscheidungsfindung in Kulturpolitik und Kulturmanagement, in: Loock, Friedrich; Scheytt, Oliver (Hg.): Handbuch Kulturmanagement und Kulturpolitik, Berlin u.a.O. 2006ff., Kap. B 1.10.
 
Der 7. Kulturpolitischer Bundeskongress findet in Berlin am 13. + 14. Juni 2013 zum Thema "Kultur nach Plan? Strategien konzeptgestützter Kulturpolitik" statt. Kongressveranstalter sind die Kulturpolitische Gesellschaft e.V. und die Bundeszentrale für politische Bildung. Kulturmanagement Network und LabKultur.TV sind die Online-Medienpartner und berichten gemeinsam im Vorfeld sowie während und nach dem Kongress über die spannendsten Aspekte.
 
 

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