17.12.2012
Bibliotheksnutzung

Mit Kaffee, Licht und Internet

Ein knappes Drittel der Bundesbürger besucht regelmäßig Öffentliche Bibliotheken. Das zeigt die aktuelle Nichtnutzungsstudie des Deutschen Bibliotheksverbands e.V. und der Stiftung Lesen. Für die Verantwortlichen ist das Erfolg und Herausforderung zugleich.
 
Kurz vor Weihnachten lesen sich die Empfehlungen, als wären sie für eine Wunschliste geschrieben: Neue Bücher auch elektronische stehen da, CDs und DVDs sowie Computer und frische Farbe für eine Renovierung. Diese Auflistung stammt nicht von artigen Kindern. Sie findet sich in der aktuellen Studie zur Nichtnutzung Öffentlicher Bibliotheken: Mit Investitionen in diesen Bereichen könnten diese neue Nutzergruppen erschließen, heißt es.
 
Für die in diesem Jahr vorgestellte Umfrage des Deutschen Bibliotheksverbands e.V. (dbv) und des Instituts für Lese- und Medienforschung der Stiftung Lesen wurden 1300 Personen im Alter zwischen 14 und 75 Jahren zu ihrem Nutzungsverhalten Öffentlicher Bibliotheken interviewt. Gefördert wurde das Projekt vom Bundesbeauftragten für Kultur und Medien. Auf den ersten Blick klingt das Ergebnis nicht schlecht, sagt Barbara Schleihagen, die Geschäftsführerin des dbv. 29 Prozent der Befragten nutzen demnach aktiv die Öffentlichen Bibliotheken. Vor zehn Jahren waren es genauso viele, das Internet hatte also keine negativen Auswirkungen auf die Bibliotheksbesuche. Die Nichtnutzungsstudie habe damit gezeigt, dass sich Bibliotheken im digitalen Zeitalter als wichtige Kultur- und Bildungseinrichtung behaupten können.
 
Doch ein zweiter Blick offenbare eine Herausforderung: 41 Prozent der Befragten haben zwar früher eine Bibliothek genutzt, sie aber länger als 12 Monate nicht mehr besucht. 28 Prozent gaben an, noch nie in einer Öffentlichen Bibliothek gewesen zu sein. Die Befragung zeigt also, dass rund zwei Drittel der erwachsenen Menschen in Deutschland den Öffentlichen Bibliotheken fernbleiben, sagt Schleihagen. "Als zentrale Bildungsakteure können wir uns damit nicht zufrieden geben." Die Tipps aus der Umfrage umzusetzen, könne die Situation ändern. Schließlich war ihr Ziel auch, herauszufinden, wie Bibliotheken die Gruppe der Nichtnutzer wieder oder erstmals für sich gewinnen kann.
 

Die meisten Nichtnutzer kaufen lieber

Befragt nach den Gründen für ihr Fernbleiben haben acht von zehn der Ehemaligen und der Nichtnutzer geantwortet, dass sie sich ihre Medien lieber kaufen. Rund 60 Prozent gaben an, keine Zeit zu haben. Jeder Zweite sagte, er leihe sich Medien bei Freunden und Bekannten. Diese Ursachen liegen also im persönlichen Bereich und sind für Bibliotheken eher nicht beeinflussbar, sagt Dr. Simone Ehmig, die Leiterin des Instituts für Lese- und Medienforschung der Stiftung Lesen in Mainz.
 
Es hätten sich jedoch andere Bereiche gezeigt, in denen Bibliotheken durchaus eine Rolle spielten. Viele potenzielle Besucher wünschen sich zum Beispiel einen besseren Zugang zu Medien übers Internet, benutzerfreundlichere Öffnungszeiten am Abend und am Wochenende oder ein anderes Veranstaltungsangebot.
 
Die Studie mache deutlich, dass vor allem im Bereich der digitalen Medien ein erhebliches Potenzial liege, Nutzer zu gewinnen, meint Barbara Schleihagen: "Gezielte Investitionen sowie eine größere Auswahl an E-Books, CDs und DVDs sowie mehr Internetarbeitsplätze würden Bibliotheken gerade für junge Menschen attraktiver machen." Mehr Licht und helle Farben könnten die Räumlichkeiten attraktiver machen. "Bibliotheken könnten sich als soziale Räume profilieren, in denen man sich trifft oder Veranstaltungen besucht", ergänzt Simone Ehmig. Dazu würde die Einrichtung einer Cafeteria beitragen, Bibliotheken besser in die Lebenswelten potenzieller Besucher zu integrieren.
 
Der Grundstein für die Bibliotheksnutzung im Erwachsenenalter wird wesentlich in der Kindheit gelegt. Das ist ein weiteres zentrales Ergebnis der Studie: So haben 62 Prozent der befragten heutigen Nutzer in jungen Jahren mit ihren Eltern eine Bibliothek besucht. Bei den Nicht- oder Nicht-Mehr-Nutzern waren dies jeweils nur 42 Prozent. Für uns heißt das, dass Kinder Bibliotheken von klein auf als selbstverständlichen Lebensraum erfahren müssen, sagt Barbara Schleihagen. Der dbv empfiehlt deshalb, verbindliche Kooperationsvereinbarungen zwischen Bibliotheken und Schulen sowie Kindergärten zügig weiter auszubauen. Zudem sollten Eltern noch intensiver sensibilisiert und aktiviert werden, meint Simone Ehmig. Bibliotheken sollten attraktiv für junge Familien sein, damit Eltern die Kleinen rechtzeitig mit den Angeboten in Kontakt bringen.
 

Globale Haushaltssperre in jeder vierten Bibliothek

So eindeutig die Empfehlungen aus der Nichtnutzer-Studie sind, so schwierig werden sie umzusetzen sein. Der im Oktober veröffentlichte Bericht zur Lage der Bibliotheken 2012 zeigt, dass an zusätzliche Angebote vielerorts nicht zu denken ist: Eine Beurteilung der finanziellen Situation von 700 Öffentlichen Bibliotheken hat unter anderem ergeben, dass derzeit in jeder vierten Einrichtung Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung realisiert werden. In weiteren 15 Prozent sind sie geplant. In knapp 23 Prozent der Bibliotheken gibt es eine globale Haushaltssperre. Unter diesen Bedingungen wird es den Öffentlichen Bibliotheken nach wie vor schwer gemacht, ihren Bildungsauftrag zu erfüllen, sagt Barbara Schleihagen. An einen dringend erforderlichen Ausbau der Medienbestände ist da oft ebenso wenig zu denken wie an neue Internet-Arbeitsplätze oder zusätzliche Mitarbeiter, die Kitas oder Schulen entsprechende Angebote machen können.
 
Auch im europäischen Vergleich zeigt sich, dass es in Sachen Bibliotheksnutzung in Deutschland noch deutlichen Nachholbedarf gibt: Durchschnittlich nutzen 36 Prozent der Bevölkerung in den EU-Ländern ihre Bibliotheken. In Finnland und Schweden sind es sogar über 70 Prozent, in Dänemark knapp 70 Prozent.
 
Ein wichtiges Potenzial bilden jedoch die Einschätzungen der Befragten zum Image der Bibliotheken: Unfreundliches oder inkompetentes Personal, zu hohe Nutzungsgebühren oder ein politisch oder weltanschauliches unausgewogenes Angebot waren für die Befragten keine nennenswerten Gründe, um den Bibliotheken fernzubleiben.
 
 

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