04.09.2006

Autor*in

Lena Maculan
Onlineauftritt von Museen

Museumswebsites und intellektuelle Zugänglichkeit

Zirka zehn Jahre nach dem Museen angefangen haben, ihre online-Dependancen aufzubauen und sich etliche Publikationen und Konferenzen mit Museumswebsites und Digitalisierungsprojekten auseinandersetzten, scheint es an der Zeit, den Sinn von online-Auftritten unserer Museen neu zu überdenken.
In den späten 1990er Jahren wurden Museumswebsites vor allem in zwei oder drei Kategorien eingeteilt. Roy McKenzie unterscheidet das "Learning Museum" vom "Marketing Museum", wobei ersteres einen klaren Bildungsauftrag hat. Die Funktion des letzteren sieht er vor allem darin, dass eine Website als Marketingvehikel dazu dient, Sammlungen und sonstige Aktivitäten des Museums bekannt zu machen, um auf diesem Weg mehr Leute in das real-räumliche Museum zu locken. Maria Piacente unterschied die "elektronische Broschüre", das "Museum in der Virtuellen Welt" und "true interactives." Während die ersten beiden Paradigmen denen von McKenzie ähneln, bezeichnet sie mit "true interactives" Websites, die klar über die reine online-Illustration des Museums hinausgehen und eine dem Medium Internet entsprechende Form der Museumskommunikation erforschen.

Abgesehen von der Präsentation von Sammlungen, haben viele Museums Websites eine Reihe verschiedenster Funktionen. Unter anderem bieten sie oft die Möglichkeit im online Shop einzukaufen oder Material zwecks Bildung und Lernen herunterzuladen. Andere wie zum Beispiel die Tate Gallery London offeriert ihren online-Nutzern sogar ihre Symposien und Vorträge als Live Stream oder Download. Es wäre ein unmögliches Unternehmen auch nur zu versuchen, alle diese verschiedensten Funktionen von Websites, in einem Artikel zu besprechen. Um das Thema einzuschränken, steht daher hier vor allem die Frage im Zentrum, warum Museen ihre Sammlungen online präsentieren und was dies dem Besucher bringt. Oder anders formuliert: Sind Museumssammlungen heute zugänglicher dadurch, dass sie online sind?


Tate Images - ein eigenes Onlineportal der Tate Gallery für potenzielle Käufer von Gemälden

Was ist die primäre Funktion von Museumswebsites?

Für Arnulf Scriba, Kurator am Deutschen Historischen Museum Berlin, dient die "Museumswebsite vor allem dazu, Objekte und Informationen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen." Im Weiteren sieht er auch die Chance über das Web, Objekte die sonst nicht zugänglich sind verschiedenen Benutzergruppen zur Verfügung zu stellen. Hier meint er vor allem solche Objekte, die "aus Sicherheitstechnischen-, Konservatorischen-, Platz- oder sonstigen Gründen nicht im Museum präsentiert werden[können]." In Bezug auf die Website vom Wien Museum, argumentiert Peter Stuiber, Leiter der Presseabteilung, dass "die Website, vor allem einmal eine erste Basisinformation für Leute, die das Museum noch nicht so gut kennen, bietet. Im weiteren können sich auch die, die das Museum schon kennen, über geplante Ausstellungsprojekte informieren oder weitere Services nutzen, wie etwa Infos für Lehrer, Rechercheangebote des Museums etc."

Diese Meinung über die primäre Bedeutung von Museums Websites, scheint vor allem im deutschsprachigen Raum heute weit verbreitet zu sein. Im Weiteren erinnert diese Art von Website, die Stuiber skizziert, an das was McKenzie mit "Marketing Museum" und Piacente mit "electronic brochure" beschrieben hat. So könnte man denken, dass sich die Funktion von Museums Websites, einmal rein qualitativ gesehen, seit den 1990ern eigentlich nicht so sehr verändert hat. Quantitativ hingegen, hat sich jedoch sehr viel verändert.

Erleichtern Websites die öffentliche Zugänglichkeit von Museumssammlungen?
Grosse Digitalisierungsprojekte haben in den letzten Jahren Museumswebsites mit sehr reichhaltigen Inhalten entstehen lassen. Man denke hier zum Beispiel an die Base Joconde, die online-Datenbank der Französischen Nationalmuseen, die zirka 200.000 Objekte übers Netz zugänglich machte. Deutlich weniger Objekte als in der Base Joconde, aber im Vergleich mit vielen anderen Museen noch immer ein sehr reichhaltiges online-Angebot, bietet das Deutsche Historische Museum mit über 4.000 Objekten und mehr als 400 Video- und Audiodateien. Auch die Ars Electronica zählt zu jenen Institutionen, die ein an Inhalt reiches und sehr gut gepflegtes online-Archiv haben.


Das Ars Electronica Center Linz ist Vorreiter auch bei der Onlinepräsentation

Wem und wozu dienen diese reichhaltigen Internetangebote?
Für Gerfried Stocker, Direktor des Ars Electronica Center in Linz, bedeutet das online-Archiv seiner Institution "vor allem zwei Dinge. Einerseits ist es für uns ein Imagefaktor - das Archiv ist ein Beleg für die langjährige erfolgreiche Arbeit der Institution. Andererseits zeigt sich auch, dass die Archive und Dokumentationen, die wir seit 27 Jahren sammeln und zugänglich machen, von vielen Studenten und Fachleuten benutzt werden. Es gibt auch zahlreiche internationale Nutzer an der Peripherie des digitalen Wohlstandes, von denen das Archiv sehr geschätzt wird. Ich merke das oft, wenn ich im Ausland bin und mir Studenten erzählen, wie häufig sie die Ars Electronica Website benutzen, um sich über die Geschichte der Medienkunst zu informieren. Das zeigt, dass das Archiv über den Imagefaktor hinaus, auch aus wissenschaftlicher Sicht eine Bedeutung hat." Auch Arnulf Scriba ist von der Wichtigkeit von online-Archiven überzeugt. Er argumentiert, dass es einerseits interessant sei, "dass User uns immer wieder auf mögliche Fehler, die uns unterlaufen sind, aufmerksam machen. Andererseits ist das online-Archiv auch unser Aushängeschild. Je mehr Inhalte wir auf der Website präsentieren, umso mehr Anfragen bekommen wir von Leuten, die Bildrechte von Bildern, Objekten oder Plakaten haben wollen."

Grundsätzlich ist ein großes online-Angebot ja etwas sehr Wünschenswertes, vor allem für die Wissenschaft. Gleichzeitig muss man aber bedenken, dass es für den Nicht-Experten immer schwieriger wird, sich in der Datenflut zurechtzufinden, um tatsächlich das zu finden, was gesucht wird. Aus diesem Grund scheint die Frage gerechtfertigt, ob Museumswebsites, die zigtausende Objekte online stellen, wirklich die öffentliche Zugänglichkeit ihrer Sammlungen erleichtern oder nicht.

Wenn Museumswissenschaftler in den späten 1990er Jahren über online-Zugänglichkeit (Accessibility) gesprochen haben, dann war meistens von "Web Interoperabilität", von einheitlichen Metadaten (Dublin Core) und von "Web Accessibility Standards" (W3C) die Rede. In anderen Worten, es ging damals hauptsächlich um eine sehr technische Interpretation der Zugänglichkeit. Primär ging es also darum zu erreichen, dass Web-Technologien untereinander kompatibel sind, dass Ressourcen nach einheitlichen Metadaten beschrieben werden und dass Websites so gestaltet sind, dass sie auch für Menschen mit Behinderungen nutzbar gemacht werden. Auch wenn diese Diskussionen viel Positives erreicht haben, so scheint es heute, dass diese rein technische Interpretation von Zugänglichkeit die genauso wichtige Frage der intellektuellen Zugänglichkeit ein wenig verdrängt hat.

Intellektuelle Zugänglichkeit
In real-räumlichen Museen werden Objekte innerhalb von Ausstellungen interpretiert und auf verschiedenste Weise, sei es durch Objektbeschriftungen, Kataloge, Videos, Audio Guides etc., in einen theoretischen, kritischen und historischen Kontext gestellt. Auf diese Weise werden die ausgestellten Objekte kontextualisiert und dem Besucher intellektuell und emotional näher gebracht. Die online-Dependancen von Museen, im Vergleich dazu, sind meist reine "Lager digitaler Daten," die dem User nur schwer eine sinnvolle intellektuelle oder emotionale Erfahrung erlauben.

Wenn man sich Websites aus dem deutschsprachigen Bereich ansieht, dann findet man wenige Beispiele, die einerseits reichhaltige Inhalte bieten und gleichzeitig diese auch in einer intellektuell ansprechenden Form präsentieren. Eine der Ausnahmen ist die Österreichische Mediathek. Diese archiviert 250.000 Tonträger und Videos verschiedenster Formate. Über einen online-Katalog kann der Nutzer sich ein Bild darüber machen, was man in der Mediathek finden kann. Robert Pfundner, einer der Historiker in der Mediathek, erzählt, dass dieser Katalog "dem Nutzer die Entscheidung erleichtern [soll], ob er/sie vor Ort kommen, oder eine Recherche in Auftrag geben möchte. Der online-Katalog ist keine große Drehtür, durch die man durch geht und sich dann alles in voller Länge anhören oder anschauen kann."

Von dieser Perspektive aus gesehen ist diese Datenbank "primär für Wissenschaftler interessant ... und wird auch von ihnen am meisten genutzt." Dazu kommen noch "Studenten der Musikwissenschaft, Geschichte, Medienwissenschaften, Gestaltern von Ausstellungen, TV- und Radiosendungen," erklärt Pfundner.
Abgesehen von dem vorbildlichen online-Katalog, ist die Mediathek aber auch eine der wenigen Institutionen, die sich ernste Gedanken darüber machen, wie man die verschiedenen multimedialen Möglichkeiten nutzen kann, um digitale kulturelle Inhalte so zu präsentieren, dass sie also nicht nur "physisch" (durch das online stellen) sondern auch intellektuell zugänglich gemacht werden, in dem sie innerhalb einer kuratierten online-Ausstellung gezeigt werden.

Die online-Ausstellung zum Mozart-Jubiläum ist hierfür ein gutes Beispiel. Ein weiteres auch die Ausstellung zum Österreichischen Staatsvertrag. Letzteres hat zwar eineinhalb Jahre an Arbeit gekostet, dieser Aufwand hat sich jedoch gelohnt. Die Mediathek hat dafür den vom Wirtschaftsministerium vergebenen Multimedia Staatspreis (Kategorie Wissen und Lernen) gewonnen. In jedem Falle zeigen diese beiden Beispiele, wie wichtig es ist, digitale Daten innerhalb eines kuratierten Kontextes zu stellen, um so Inhalte auch einem breiten Publikum intellektuell zugänglich zu machen.

Lena Maculan ist freie Kunsthistorikerin und schreibt über zeitgenössische Kunst, Museen und Neue Medien u.a. für das Kunstmagazin Parnass . Sie hat einen M.A. in Museum Studies (University of Leicester), einen M.A. in Art History and Theory (Goldsmiths College, University of London) und einen B.A. (Hons.) in Fine and Decorative Arts. -- Email: lm@kulturmanagement.net
 

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