25.10.2008
Zur Ausgestaltung von Veränderungsprozessen im Orchestermanagement

Wenn sich der Ton ändert

Unternehmerisches Wirtschaften und betriebliches Management vollziehen sich heute unter ganz anderen Voraussetzungen als noch vor wenigen Jahren. Auch von Orchestern wird immer stärker erwartet, sich auf der Grundlage der eigenen Tradition neu zu definieren und auf die Veränderungen des Umfeldes innovativ zu antworten. Einen Wettbewerbsvorteil hat, wer diesen Prozess strategisch angeht. Das Change Management kann hierbei als Unterstützungssystem angewandt werden, in dem die Wünsche der Mitarbeiter und die Komplexität menschlichen Verhaltens und Miteinanders ebenso im Zentrum stehen wie die Unternehmensziele.
Die beste Art, ein Vermächtnis zu würdigen, besteht darin, es weiterzugeben. Und das geschieht am besten, indem wir die Fähigkeit zur ständigen Erneuerung aufbauen. Dabei müssen wir aber vorsichtig sein. Eine ruhmreiche Vergangenheit ist noch keine Garantie für eine glänzende Zukunft. Organisationen verdienen ihr Recht zu überleben nur, wenn sie den Angriffen neuer Institutionen gewachsen sind.
 
In einer globalisierten Wirtschaft werden von Organisationen und Unternehmen weltweit neue und veränderte Vorgehensweisen erwartet. Komplexität und Dynamik nehmen zu und neue oder sich wandelnde Märkte erfordern eine ständige Veränderungsbereitschaft, weil Sachverhalte und Prozesse kontinuierlich neu erlernt werden müssen. Auch deutsche Kulturinstitutionen sind betroffen, da sich ihre direkte gesellschaftliche Umwelt verändert: Deutschland befindet sich auf dem Weg in die Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft Lebens- und Arbeitseinstellungen werden flexibilisiert und neu definiert, und der technologische, politische, ökonomische und soziokulturelle Wandel hat längst auch bei den Kunst- und Kulturkonsumenten seine Spuren hinterlassen. Alle Orchester stehen vor dem Problem, dass das Publikum immer heterogener wird, altert und jüngeres Publikum zunehmend fern bleibt. Zudem zeigen sich Tendenzen, dass sich der Musikunterricht an den Schulen verringert oder vollständig ausfällt, dass das Publikum immer weniger bereit ist, sich für künftige Konzerte terminlich festzulegen, dass die Konkurrenz und das Angebot anderer Unterhaltungs- und Freizeitanbieter deutlich gestiegen ist und dass die Computer-Technologie und die Vernetzung durch das Internet, das Arbeitsleben und das Freizeitverhalten grundlegend verändert haben.
 
 
Definition und Eingrenzung von Change Management
 
Die Wirtschaftswissenschaft operiert zur konstruktiven Gestaltung und Umsetzung von innovativen Strategien und Veränderungen im persönlichen und organisationalen Bereich mit dem Begriff des Change Management, also des Veränderungsmanagements. Change Management bedeutet, Wandelprozesse sowohl auf Unternehmens- wie auch auf persönlicher Ebene zu initiieren, durchzuführen und zu stabilisieren. Da mittel- bis langfristig Veränderungen in Verhaltensmustern und Fähigkeiten angestrebt werden, reicht das Spektrum der Veränderungsinhalte von der strategischen Ausrichtung der Gesamtorganisation bis zur Durchführung von Persönlichkeitsentwicklungsmaßnahmen der Mitarbeiter. Change Management setzt dort an, wo das organisatorische Modell eines Unternehmens an die gewandelte Umwelt angepasst werden soll und ist mittlerweile im Wirtschaftsleben zum permanenten Begleiter geworden, weil es hilft, die Zukunft zu bewältigen und selbstbewusst zu gestalten. Jedoch kann Change Management nicht einfach verordnet werden, da veränderte Einstellungen und Verhaltensweisen immer auch das Ergebnis von Lern- und Erkenntnisprozessen sind. Fehlende Akzeptanz und Identifikation durch die jeweiligen Zielgruppen verurteilen jeglichen Veränderungsprozess zum Scheitern. Insofern gilt, dass Change Management zwar hilft, die Veränderungsprozesse richtig zu proportionieren, zu planen und zu steuern entscheidend aber ist, alle Beteiligten in den Prozess einzubinden und entsprechende Verantwortungen festzulegen.
 
Phasen des Change Management-Prozesses
 
Change Management-Prozesse vollziehen sich in verschiedenen Phasen: Sie bedürfen u.a. einer Auftauphase, in der die Bereitschaft zur Veränderung erzeugt wird, einer Änderungsphase sowie schließlich einer Beruhigungsphase, in der die vollzogenen Veränderungen stabilisiert werden. Dabei kommt der Auftauphase eine entscheidende Rolle zu, weil sie die Herausbildung einer Veränderungsbereitschaft im System verlangt. Der Anstoß, alte Gewohnheiten infrage zu stellen und neue Ideen zu diskutieren, kann sowohl von außen als auch von innen kommen. Die Veränderungsbereitschaft steigt zumeist durch eine aktive Teilnahme der Unternehmensmitglieder am Veränderungsgeschehen sowie durch frühzeitige Information über den anstehenden Wandel und die Partizipation an den Veränderungsentscheidungen. Die Änderungsphase geschieht dann in Etappen und jedes erreichte Etappenziel bildet die Grundlage für den nächsten Schritt. Dabei müssen die im Change Management-Plan zusammengefassten Maßnahmen darauf Rücksicht nehmen, dass jede Etappe auch ihre eigene Dynamik hat. So kann es bspw. zu Kontext-, wie auch zu Inhaltsveränderungen der Transformation kommen d.h., der geplante Veränderungsprozess unterliegt selbst einer stetigen Weiterentwicklung. Deshalb muss der Change Management-Plan offen für Anpassungen sein und darf nicht als linear verlaufender Prozess missverstanden werden. In der Beruhigungsphase tendieren die neuen Strukturen sehr bald dazu, als dauerhafte Lösungen etabliert zu werden vor allem, wenn sie sich als erfolgreich herausstellen. Die Folge ist, dass die Sicht auf die Notwendigkeit weiterer Veränderungen verhindert wird. Doch je turbulenter die Umwelt wird, desto steiler und kurzwelliger müssen die Lern-, wie auch die Vergessenskurven organisationaler Strukturmuster werden. Gefordert sind weiche und elastische Strukturen, die multioptionale Lösungen zulassen. Innovationsorientierte Branchen und Unternehmen fassen deswegen den Wandel als permanente Aufgabe auf. Dies ist das Konzept der lernenden Organisation. Hier ist Veränderung ein selbstverständlicher Bestandteil der täglichen Arbeit. Das bedeutet allerdings, Organisationen dynamisch und nicht statisch zu denken. Kotter sieht das Unternehmen des 21. Jahrhunderts mit flacheren und schlankeren Strukturen, das weniger Kontrolle ausübt und im Gegenzug Risikofreude bei den Mitarbeitern fordert. In Zeiten rapider Umbrüche gelte es, Menschen dahingehend zu motivieren, Führungsverantwortung für das Unternehmen zu übernehmen und gleichzeitig die eigene Entwicklung zu fördern.
 
Kommunikation als zentrales Change-Management-Element
 
Change Management will primär Impulse zu verändertem Denken bei den Mitarbeitern auslösen. Notwendige Rückkopplungen werden verarbeitet und helfen, die angestrebten Verhaltensänderungen umzusetzen. Hier setzen Kommunikationsmaßnahmen an. Sie werden für den Veränderungsprozess zum zentralen Steuerungselement, weil sie das Unternehmen intern vernetzen und die Ursachen und Ziele des Wandels bewusst machen, bevor dessen Akzeptanz erwartet werden kann. Die Prozesse in der Unternehmenskommunikation müssen zudem so strukturiert werden, dass sie Partizipation zulassen und fördern, da gerade in Zeiten des schnellen und radikalen Wandels das Bedürfnis nach einem neuen Selbstverständnis der Mitarbeiter sowie die Notwendigkeit nach einem neuen Führungsverständnis besteht. Dazu gehört auch, dass relevante Informationen für jeden Mitarbeiter offen zugänglich sind und sich die Organisation sowohl nach innen als auch nach außen als offenes Netzwerk gestaltet. Insofern braucht es ein neues mentales Modell, "[] eine Organisation, die an allen relevanten Berührungspunkten mit ihrer Umwelt Kunden, Markt, Konkurrenz, shareholder und stakeholder durch Feedbacksysteme in Verbindung steht, sich immer aktuelle Informationen sichert und dadurch lernt, sich schnell neuen Erfordernissen anzupassen []." John Kotter ist der Meinung, dass die meisten Mitarbeiter nach einer Zeit der Gewöhnung an die Geschwindigkeit des Wandels die Dynamik des Umfelds schätzen lernen: "Es bietet Herausforderungen. Es ist nie langweilig. Es macht Spaß zu siegen. Und für die meisten von uns ist es Labsal für die Seele, einen echten Beitrag zu leisten."
 
Conclusio oder: Die Zukunft gestalten!
 
"Die Welt hat sich radikal verändert. Unternehmerisches Wirtschaften und betriebliches Management vollziehen sich heute unter ganz anderen Voraussetzungen als noch vor wenigen Jahren." Auch im Non-Profit-Bereich wird immer stärker erwartet, sich auf Grundlage der eigenen Tradition neu zu definieren und auf die Veränderungen des Umfeldes innovativ zu antworten. Bei allen Ideen, wie Orchester in einem sich wandelnden Umfeld agieren können, sollte es letztlich darum gehen, das Kernprodukt das öffentliche Konzert zu erneuern und die Orchester sowie das Erlebnis im Konzertsaal so attraktiv wie möglich und ähnlich konkurrenzlos wie im 19. Jahrhundert werden zu lassen. Den entscheidenden Wettbewerbsvorteil gewinnt, wer aus dem Verständnis der organisationalen Umwelt strategische Optionen neu entwickelt und Change Management als notwendiges Unterstützungssystem anwendet. Nach Thomas Wolf lässt sich festhalten, dass es für die zukünftige Ausrichtung der Orchester nicht den einen richtigen Weg gibt, der für alle Klangkörper gleichermaßen gültig sein kann. Vielmehr stehen mehrere "Bausteine" zur Verfügung, die angewandt werden können und zu einem großen Teil auch in dieser Zeitschrift schon thematisiert wurden. Im Rahmen eines strukturierten und geführten Veränderungsprozesses kombiniert eingesetzt, können sie große Wirkung entfalten und dabei helfen, die Orchesterbetriebe sie zukunftsfähig zu gestalten. Neben der Frage der Rechtsform, für die sich ein Klangkörper entscheidet, ist dies beispielsweise eine gesunde interne und externe Kommunikationskultur, professionelles Marketing, Education, Kulturvermittlung sowie professionelle Publikumsgewinnung bzw. Kundenbindung und -management. Dabei wird sich die Gewichtung der einzelnen Bausteine nach der jeweiligen Notwendigkeit vor Ort richten müssen. Diese Notwendigkeit kann in einer genauen Stärken- und Schwächen-Analyse des jeweiligen Orchesters und seines Umfeldes ermittelt werden, um anschließend eine Vision und eine Strategie zu entwickeln, die einen Weg in die Zukunft des Klangkörpers aufzeigt. Hierbei gilt es, die künstlerischen und administrativen Kräfte eines Orchesters sowie alle Mittel, die dem modernen Management hinsichtlich der Gestaltung von Veränderungsprozessen zur Verfügung stehen, zu integrieren und sinnvoll miteinander zu einer neuen Symbiose einem ganzheitlichen Orchestermanagement zu verbinden. Bei allen Veränderungsprozessen ist also gerade auch die Einbindung der Musiker in die Betriebsprozesse eines Klangkörpers für weitere Innovationen besonders wichtig. Ziel ist das Orchester als lernende Organisation, in der Veränderung als ständige Herausforderung angesehen wird. Nach Ansicht der League of American Orchestras gilt auch in Zukunft das Paradoxon, dass Veränderung die einzig verlässliche Konstante für die Klangkörper bleiben wird.
 
TI LMAN DOST ist studierter Orchestermusiker und Diplom-Kulturmanager. Er lebt in Wien und arbeitet im Management der Wiener Symphoniker.
 

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