17.08.2012

Autor*in

Dirk Heinze
Interdisziplinärer Austausch

Wie Kunst und Medizin sich immer mehr annähern

Die Bedeutung von Kunst und Musik für die Medizin wird nicht länger nur von Therapeuten anerkannt. Nach ersten Versuchen in den 80er Jahren gibt es nun auch in Deutschland Hoffnung auf eine dauerhafte Beschäftigung mit dem Thema.
Seit mehr als 20 Jahren gibt es die Society for the Arts in Health Care. 1991 wurde die gemeinnützige Organisation in Washington gegründet und widmet sich in vielfältiger Weise den Beziehungen zwischen Kultur und Gesundheit. So wirbt man konsequent für den Einsatz künstlerischer Arbeiten im Gesundheitswesen. Regelmäßige Untersuchungen und Fachtagungen tragen dazu bei, die nützlichen Wirkungen der Künste im medizinischen Umfeld weiter zu erforschen und bekannter zu machen. Zu den mehr als 1700 Mitgliedern gehören Künstler und Mediziner, Kultureinrichtungen und Krankenhäuser, Kulturmanager und Gesundheitsexperten, Psychologen, Kunsttherapeuten und Sozialarbeiter in aller Welt - vor allem im englischen Sprachraum.
 

Interdisziplinärer Austausch im Fachmagazin

Seit drei Jahren gibt man beim renommierten Routledge Verlag ein eigenes Journal "Arts & Health" heraus. Deren Autoren gehören beileibe nicht alle zu den Verfechtern einer zu großen Annäherung zwischen den Künsten und dem Gesundheitswesen. So weist die irische Wissenschaftlerin Sheelagh Broderick in einem Beitrag vom Juni 2011 auf die Besonderheiten beider Felder hin. Die unkritische Anwendung künstlerischer Praktiken auf medizinische Ziele könne sogar schädlich sein, so Broderick, und man müsse schlicht die Unterschiede zwischen der künstlerischer Praxis und der Kunsttherapie kennen. So stellte schon 2003 der Arts Council of Ireland fest, dass sich Therapeuten der Kunst als Kommunikations- und Ausdrucksmittel bedienen. Die Freude am Kunstobjekt sei allenfalls ein Bonus für den Wert ihrer Arbeit. Für den Künstler ist wiederum ein therapeuthischer Effekt beim "Konsum" seiner Werke allenfalls ein angenehmer Nebeneffekt.
 

Kunstbeauftragte in Krankenhäusern

Dennoch werden die Vorzüge einer Annäherung zwischen Kunst und Medizin von immer mehr Akteuren erkannt. So gibt es in den letzten Jahren an immer mehr Krankenhäusern sog. Kunstbeauftragte. Sie kümmern sich vor allem um die Initiierung künstlerische Projekte, die zu einem heilungsfördernden Umfeld beitragen. Einer der Fürsprecher dieser Entwicklung ist Michael Bohn aus Mülheim a.d.Ruhr. Bohn war 1996 Mitbegründer des Bundesverbandes "MediArt e.V.", einer Nachfolgeorganisation der deutschen UNESCO-Kommission "Arts in Hospital". Allerdings verschwand der Verband zuletzt in die Bedeutungslosigkeit, wohl auch weil es in der noch kleinen "Szene" der Protagonisten Meinungsverschiedenheiten über die Frage gab, wie hochwertig Kunst eigentlich sein darf, wenn sie im medizinisch-therapeuthischen Kontext angewendet wird. Eine typisch deutsche Grundsatzdebatte, die für einige Jahre fast die Potenziale der Annäherung beider Bereiche zu verschütten drohte. Zuletzt beklagte 2010 in einem lesenswerten Beitrag Helmuth Bischoff im Deutschen Ärzteblatt das Fehlen eines Forums für die Verankerung der Kunst im Gesundheitswesen.
 

Gründung eines Vereins geplant

Doch inzwischen gibt es hierzulande wieder Impulse zur Bildung eines notwendigen fachlichen Austauschs. So ist für nächstes Jahr die Gründung eines Vereins geplant. Wie die Initiatorin Dr. Anne Marie Freybourg aus Berlin gegenüber Kulturmanagement Network sagte, soll sich die Initiative vorrangig der Qualität und Vermittlung von Kunst im Krankenhaus widmen. Bereits Ende 2012 will man zu einer ersten Konferenz einladen.
 
Unter dem Titel "Kultur kann anders" fand in Hildesheim im Mai diesen Jahres bereits eine Tagung statt, die sich der Rolle von Kunst und Kultur im Gesundheitswesen annahm. Rund 70 Gäste nahmen an der Veranstaltung im Römer-Pelizaeus Museum teil und brachten sich auch selbst auf künstlerische Weise in kreativen Laboren ein. Initiator der Tagung ist die "KulturStation", ein Kooperationsprojekt des center for lifelong learning der Universität Hildesheim und dem AMEOS Klinikum. Sie befasst sich mit Kunst und Kultur im Krankenhaus und bietet einen kreativen, praktischen und forschungsbasierten Entwicklungsraum für künstlerische und kulturvermittelnde Tätigkeiten und Projekte, die sich mit den verschiedenen Zielgruppen wie z.B. PatientInnen, MitarbeiterInnen und BesucherInnen und der Institution Krankenhaus auseinandersetzen.
 

Verlassene Kliniken als Kunsträume

Selbst ehemalige Kliniken werden plötzlich als Kunstraum entdeckt. So bespielten im Mai 2012 über 70 Künstler das einstige Krankenhaus St. Josef in Königswinter bei Bonn und setzten sich an jenen Orten, wo einst über Leben oder Tod entschieden wurde, mit ihrer eigenen Lebensgeschichte auseinander. Der Verein Kulturanker in Magdeburg veranstaltete gar ein dreiwöchiges Festival im seit 2007 leerstehenden Altstadt-Krankenhaus der Landeshauptstadt. Für sie und die Künstler üben solche Räumlichkeiten offenkundig einen besonderen Reiz aus. Und so könnten die verschiedenen Initiativen in jüngster Zeit zu einer viel intensiveren Beschäftigung mit dem Thema Kunst und Medizin führen. Es wäre den Beteiligten zu wünschen, dass sie sich untereinander vernetzen und möglichst gemeinsam mit ihrem Engagement eine größere Resonanz finden. Vielleicht lohnt sich in diesem Zusammenhang auch ein Blick nach Australien. Dort hat sich im Juni gerade ein National Arts and Health Policy Forum gegründet. Ziel ist nicht weniger als die Implementierung der Kultur in die nationale Gesundheitspolitik. Typisch Down Under, könnte man sagen. Denn die Australier beobachten häufig eine Entwicklung über längere Zeit sehr genau, um dann mit diesen Erkenntnissen die Sache aber richtig anzugehen.
 

Weiterführende Links zum Thema:

KM Magazin Nr. 70 zum Schwerpunkt Gesundheit: www.bit.ly/km1208
 
Society for the Arts in Healthcare: www.thesah.org
 
Zeitschrift Arts & Health: www.tandfonline.com/toc/rahe20/current
 
 
 
Projekt am Herzzentrum Bad Krozingen: www.herzzentrum.de/HZO/KiK/
 
 
Kulturstation Hildesheim: www.kulturstation-hildesheim.de
 
Verein Kulturanker Magdeburg: www.kulturanker.de
 
National Arts and Health Policy Forum: http://ps3beta.com/community/ArtsAndHealth
 

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