20.07.2022

Autor*in

Levend Seyhan
geboren 1978 in Wesel, lebt als Schriftsteller, freischaffender Projektberater und Business Development Manager im Rhein-Main-Gebiet. Ehrenamtliches Engagement kennt er aus eigener Erfahrung: er initiierte und organisierte erfolgreich gemeinnützige Kulturprojekte wie den Frankfurter Jugendliteraturpreis "JuLiP" oder Textland LAB und berät nebenberuflich als Projektberater Vereine, Stiftungen und gemeinnützige Organisationen. 
Freiwilligenmanagement im Kulturbetrieb

Freiwilligenmanagement als wichtige Ressource

Die Zusammenarbeit mit Freiwilligen ist für den Kulturbetrieb und eine erfolgreiche Kulturarbeit ein wichtiger Baustein. Allerdings muss auch hier - wie in jeder Zusammenarbeit - einiges berücksichtigt werden, damit alle Beteiligten gerne miteinander arbeiten und so Kultur ermöglichen. Wie sich demnach ein funktionierendes Freiwilligenmanagement gestalten könnte, legt Levend Seyhan in diesem Beitrag dar.
Rund 29 Millionen Menschen in Deutschland engagieren sich freiwillig. Das Engagement erstreckt sich nicht allein auf Aktivitäten in Vereinen oder vereinsunabhängigen Initiativen. Auch in Stiftungen oder (gemeinnützigen) Unternehmen bedient man sich gerne der ehrenamtlichen Helfer:innen. 
 
Nun ist es aber vielfach so, dass die Integration von freiwilligen Helfer:innen in eine Teamorganisation oder in Projektprozesse nicht immer glückt. Hinzu kommt ein fehlendes Verständnis bei bestimmten Gruppen junger Menschen für ehrenamtliches Engagement. Zum Beispiel verknüpfen jobsuchende Student:innen ihr Interesse an einer ehrenamtlichen Tätigkeit nicht selten mit der Frage nach Geld. 
 
Das liegt zum einen daran, dass Student:innen Geld verdienen müssen, um ihr Studium zu finanzieren. Zum anderen finden sich die Gründe in einer schlechten Projektplanung, also in der unzureichenden Definition von Rollen und Kompetenzen, oder in mangelhaften Kommunikationsstrukturen. Dabei gibt es viele gute Lösungen. Das Wichtigste aber ist ohne Zweifel, die freiwilligen Helfer:innen als gleichwertige Teammitglieder zu sehen. Die unliebsamen, lästigen Kleinstaufgaben auf sie abzuwälzen, entbehrt jeder Wertschätzung. Ihnen darf mehr zugetraut werden. Wenn Sie ehrenamtliche Helfer:innen in Ihr Projekt einbinden wollen, schaffen Sie Räume für mehr Eigenverantwortung und Motivation, daraus folgen Treue und Verlässlichkeit.
 
Freiwillige erfolgreich managen
 
Darüber hinaus stellt sich die Frage: Wie könnte ein funktionierendes Freiwilligenmanagement aussehen? Was braucht es dafür? Das lässt sich meist nur individuell beantworten. Jedes Team muss für sich selbst wissen, welche Tools und Struktur besser zu ihm passt und wie es innerhalb des Teams gerne zusammenarbeiten will. Vorbildliche Fallbeispiele gibt es zu Genüge. So etwa beim Katholischen Jugendverband in Köln, wo den freiwillig Engagierten in aller Regel die Projektverantwortung überlassen wird, während die hauptamtlichen Mitarbeiter:innen im Hintergrund bleiben und wichtige Projektunterstützung leisten, die Projekte koordinieren und die Projekterfolge messen. 
 
Verantwortung bedeutet in diesem Zusammenhang für die betreffenden Freiwilligen, Raum zur Entfaltung zu bekommen, die sich entweder in der Möglichkeit der Projektmitgestaltung oder in der Erfüllung ihrer persönlichen Interessen und Motive ausdrückt. Viele Menschen engagieren sich, weil es ihnen Freude bereitet, in einer Gruppe von Gleichgesinnten einen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten. Dabei kann ihre Motivation für das Engagement entweder eigenen Erfahrungen, Anschauungen und Wertvorstellungen entspringen oder ihrer Leidenschaft für eine Sache oder ein bestimmtes Thema. Auch ein generationen- oder kulturübergreifendes Interesse kann ein Grund für das Engagement sein. Häufig kommt der Anstoß für das Engagement auch von Familienmitgliedern oder Personen aus dem Freundes- oder Bekanntenkreis, gefolgt von äußeren Einflussfaktoren wie berufliches Umfeld, Medien oder Informationsseiten. Darüber hinaus können auch Gründe wie Einsamkeit und der Wunsch nach Kontakten zu anderen Menschen, schließlich die geringe Auslastung im Beruf oder der Wunsch nach Anerkennung den Ausschlag dafür geben, sich durch gestalterische Kreativität und Mitbestimmung freiwillig zu engagieren und auszuleben. 
 
Die Motive sind vielfältig und kommen in manchen Fällen im Bündel. Entsprechende Verantwortung kann die eine oder andere Lücke schließen. Dabei ist aber darauf zu achten, dass unter Projektgesichtspunkten zu viel Verantwortung, also die übermäßige Inanspruchnahme der Freiwilligen, ins Gegenteil umschlagen kann. Deshalb kann es ratsam sein, je nach Größe des Projekts im Zuge der Projektplanung das Gesamtprojekt in mehrere, kleinere Einzel- bzw. Nebenprojekte zu gliedern und die ohnehin schon knappe Ressource "Zeit" bei den Freiwilligen nicht zu überstrapazieren, denn das könnte zugleich den Projekterfolg gefährden.
 
Ein anderes Beispiel ist jene Teamstruktur, die ich bei der Organisation eines Jugendliteraturpreises aufgesetzt hatte. Hier gab es mehrere beteiligte gemeinnützige Vereine im Verbund, an deren Spitze sich der von mir gegründete Verein jung kreativ e.V. befand. Die Idee war, mehrere, vereinsübergreifende Sub-Teams zu bilden, die ihnen zugeteilte Aufgabenpakete innerhalb des Projektstrukturplans eigenverantwortlich und selbstorganisiert bewältigten. Solche Aufgabenpakete waren zum Beispiel die Organisation der Juryaktivitäten, das Layout und der Druck eines Erzählbandes mit den Kurzgeschichten der teilnehmenden Kinder oder das Fundraising inklusive Erstellung von lokalen Unternehmens- und Stiftungsportfolios, die als Förderer in Betracht kamen. Der Vorteil war, dass Engpässe bei personellen Ressourcen so ausgeglichen werden konnten und wichtige Aufgaben nicht allesamt bei einer zentralen Einheit von zwei bis drei Personen verblieben. Das Feedback der Personen war alles in allem positiv, machte aber zugleich deutlich, dass über diese Aufgabenbereiche hinaus weiterer Raum nicht gegeben war. Die Kapazitäten waren ganz im Sinne des Projekterfolgs ausgeschöpft.
 
Teams koordinieren, Partner:innen einbeziehen
 
Die Koordinierung einer Vielzahl von freiwilligen Helfer:innen kann sehr aufwändig werden. Deshalb der Rat: Halten Sie Ihre Teams schlank und nutzen Sie die Ressourcen Ihrer Förder- und Projektpartner:innen zusätzlich. Diese sind oft gerne bereit, zu unterstützen. Vielleicht können sie Sie mit wichtigen Kontakten zur Presse oder direkten Kanälen zu der Zielgruppe Ihres Projektes unterstützen, mit Social Media-Support oder Räumen für Veranstaltungen. Schaffen Sie Kapazitäten, wo Sie können. Dann bleibt das Team überschaubar und die Integration aller Projektmitstreiter:innen in das operative Projektgeschehen gelingt viel besser. 
 
Ein weiterer, wesentlich unterschätzer Aspekt ist, als Stiftung die Zusammenarbeit mit anderen Stiftungen zu suchen - bestenfalls solche, die nicht um die Gunst ein und derselben Zielgruppe buhlen. Denn entgegen der allgemeinen Auffassung, dass Stiftungen eher ungern miteinander zusammenarbeiten, habe ich damit bisher sehr positive Erfahrungen gemacht. Mit Textland LAB habe ich im ersten Corona-Jahr 2020 das erstmals gestartete Schulprojekt der Frankfurter Faust Kultur Stiftung mitkonzipiert und geleitet. Das Projekt fand neben weiteren Förderer:innen und Projektpartnern:innen in der Metzler-Stiftung und in der Deutsche Bank-Stiftung Partner:innen, die für das Projekt auf Anhieb Begeisterung fanden. Insofern kann ein gutes Konzept viel bewirken. Wichtiger war jedoch die Offenheit, mit der wir auf potenzielle Partner:innen zugingen, und im Zuge dessen auf ebenso viel Offenheit trafen. 
 
Kooperationen weiter denken
 
Gehen Sie noch weiter, denken Sie nicht zu kurz. Binden Sie alle Partner:innen unter allen denkbaren Gesichtspunkten ein. Nach wie vor gibt es die weit verbreitete Meinung, dass die Rollen der an einem gemeinnützigen Projekt beteiligten Stakeholder unverrückbar sind; dass Förderer - Unternehmen wie Stiftungen gleichermaßen - nur als Geldgeber:innen in Betracht kommen und Vereine ausschließlich für die Projektorganisation verantwortlich zeichnen. Dabei gibt es positive Beispiele wie etwa die Messe Frankfurt, die für jeden für sie relevanten Förderzweck - das waren die Bereiche Kultur, Sport und Soziales - eine:n feste:n Projektpartner:in haben, den:die sie nicht nur fördern, sondern mit dem:der sie ein Projekt gemeinsam weiterentwickeln. 
 
Das hat für ein Unternehmen auch vor dem Hintergrund von Corporate Social Responsibility (CSR), Corporate Volunteering (CV) oder des Employer Branding eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Das belegt eine Studie der Boston Consulting Group aus dem Jahr 2017, die herausgefunden hat, dass engagierte und nachhaltige Unternehmen bei ihren Kund:innen hochangesehen sind. Man muss sich demnach nicht auf die Suche nach unzähligen Freiwilligen begeben, sondern unter Berücksichtigung aller Aspekte - schlankes Team, schlafende Ressourcen bei Partner:innen, mehr motivierende Verantwortungsräume für die vorhandenen Helfer:innen - kann man Kräfte gewinnbringend bündeln und die Projektorganisation so gestalten, dass klare Organisationsstrukturen unter der bestmöglichen Beteiligung aller Partner:innen entstehen. So können Kapazitäten für den Erfolg eines Projekts geschaffen werden.
 
Weniger ist mehr
 
Das allein aber genügt natürlich nicht. Um klare Strukturen zu haben, ist es wichtig, sich im Vorfeld der Projektrealisierung, insbesondere in den Phasen der Projektorganisation und -planung klare Gedanken über das Projektziel und die daraus resultierenden Aufgaben und Rollen zu machen. Was ist das konkrete Ziel des Projekts? Ist es klar definiert? Es sollte sich mit einem Satz umschreiben lassen. Wenn Sie daneben weitere Ziele verfolgen, dann lassen Sie es nicht mehr als drei Ziele sein. Im Idealfall schafft das Ziel allein Identifikation bei den projektinteressierten Freiwilligen. Das hat schließlich großen Einfluss auf das Storytelling, das im besten Fall alle potenziell Beteiligten emotionalisiert und bindet.
 
In der Projektorganisation bestimmen Sie die Aufgaben und die damit einhergehenden Rollen möglichst präzise, damit im Projektverlauf keine Missverständnisse entstehen: Wie viele Personen für welche Aufgaben brauche ich, was sind ihre Rollen, gibt es Regeln der Zusammenarbeit, die für eine respektvolle Kommunikations- und Fehlerkultur sorgen? Vor allem dort, wo Mehrfachrollen mangels Ressourcen zum Tragen kommen, können Grenzen zum Nachteil aller Teammitglieder verwischen. Schaffen Sie absolute Klarheit über die Grenzen der jeweiligen Rolle sowie Verantwortungsbereiche auch für die freiwillig Engagierten in Ihrem Team, damit diese motiviert bleiben. Kommt es aber doch zu Rollenkonflikten, dann zeigt sich schnell, dass Regeln einer guten Zusammenarbeit unabdingbar sind - besser, man hat sie schon vorher aufgestellt, und es haben alle in die Einhaltung dieser eingewilligt. 
 
Zudem ist eine funktionierende Kommunikation äußerst wichtig. Meiden Sie eine Mehrkanal-Kommunikation sowie den Austausch von aktuellen News über Chats, weil nicht alle Projektbeteiligten zu gleichen Teilen dieselben Kanäle verwenden und vielfach nicht mehr hinterherkommen. Informationen können dadurch unter- und Transparenz verlorengehen, was dazu führen kann, dass sich viele schnell ausgeschlossen und folglich nicht mehr als Teil des Teams fühlen. Deshalb: Ein einziger Kanal für die Kommunikation sowie regelmäßige, nicht zu häufige Treffen in großen und kleinen Gruppen sind empfehlenswert.
 
Geeignete Tools für die Kommunikation beziehungsweise das Projektmanagement gibt es viele. Um nicht den Rahmen zu sprengen, seien Trello oder Asana und digitale Whiteboards wie miro hervorgehoben. Sie sollten diese als Team zuvor allerdings ausprobiert haben, bevor Sie sich für ein bestimmtes Tool entscheiden. Es ist wichtig, sich nicht allzu schnell dazu verleiten zu lassen, auf mehreren Plattformen zusammenzuarbeiten, sondern die Arbeitsprozesse simpel zu halten und auf eine einzige Plattform zu konzentrieren. Tools und Erfahrungen nützen nichts, wenn die Kommunikation auf der Strecke bleibt, dadurch Reibungspunkte, Frust und ein Mangel an Identifikation entstehen. Zeit ist eine unwiederbringliche Ressource, die sparsam und gezielt eingesetzt werden sollte. Denn Freiwillige bringen in aller Regel nur wenig Zeit mit, weil sie sich meist neben der Arbeit oder dem Studium einbringen - auf freiwilliger Basis eben. Das bedeutet, dass bei einer Überforderung oder bei Frust durch einen Mangel an gestalterischen Möglichkeiten oder Anerkennung der Absprung schnell erfolgt, nicht selten ohne Ansage.
 
Beherzigen Sie diese Aspekte, dann gelingt Ihnen das Team- respektive Freiwilligenmanagement.
 
Dieser Beitrag erschien zuerst im Kultur Management Network Magazin Nr. 166: "Freiwilligenmanagement".

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