05.01.2015
Interview

Alles aus einer Hand II. Die Herausforderungen einer Landesausstellung für Generalunternehmer

Hessen feierte 2013 das Grimm-Jahr. Das Land wollte das Jubiläum der 200-jährigen Erfolgsgeschichte mit einer großen Landesausstellung würdigen. Unter Berücksichtigung der personellen Ressourcen konnte aber weder eines der Landesmuseen noch der vorgesehene Ausstellungsort, die documenta-Halle in Kassel, die Ausstellung durchführen zumal mit nur einem Jahr Vorlauf. Deshalb wurden nicht nur die Konzeption und Gestaltung, sondern auch die Erstellung der notwendigen Museumsinfrastruktur an einen externen Dienstleister, die Agentur expo2508, vergeben. Kristin Oswald im Interview mit Geschäftsleiter Dr. Thorsten Smidt.
KMN: Was ist das Neue an diesem Vorgehen? Wie sahen Ausstellungs-Ausschreibungen bisher aus?

Thorsten Smidt: Gängig ist die Ausschreibung der Ausstellungsgestaltung. Die Vergabe der kuratorischen Leistung nach außen ist schon wesentlich seltener. Dass aber eine komplette Ausstellung zumal eine kulturhistorische Landesausstellung als generalunternehmerische Leistung ausgeschrieben wird, ist ein Novum. Ausschreibende Instanz war denn auch kein Museum, sondern das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst, also die übergeordnete Instanz. Wie sonst bei der Vergabe von Ausstellungsgestaltung üblich, gab es auch hier einen Wettbewerb. Doch in diesem Fall sollte vor allem ein inhaltliches Konzept vorgelegt werden. In Frage stand, wie das Thema Grimm nicht nur die Märchen einem breiten Publikum vermittelt werden kann. Unsere Stärke bei der Vorbereitung war sicherlich die breite kulturhistorische Kompetenz in unserem Team. Wir wollten die Besucher aktivieren und dies auch in eine ansprechende Gestaltung umsetzen. Dabei haben uns das Büro Rufus, Berlin, und Mathias Lim und Partner unterstützt. Unser ganzheitlicher Ansatz hat offenbar überzeugt.

KMN: Sie mussten die Einnahmen bereits im Voraus bemessen, da sie direkt in das Budget zurückfließen sollten. Anhand welcher Maßstäbe sind Sie hier vorgegangen?

TS: Entscheidend für die Einnahmeerwartung ist in der Regel der Ticketverkauf. Katalogverkäufe und Shopeinnahmen, die auch von den Besucherzahlen abhängen, runden dies ab. Eine Besucherprognose ist jedoch selbst für Museen mit reichlich Ausstellungserfahrung nicht absolut verlässlich vorzunehmen. Für uns war es noch schwieriger, da die documenta-Halle als Austragungsort kulturhistorischer Ausstellungen nicht etabliert ist. Auch einen Museumsverein, der ein gewisses Maß an Stammpublikum stellt, gab es nicht. Vor diesem Hintergrund mussten wir an die Prognose sehr vorsichtig herangehen und haben mit angepeilten 25.000 Besuchern eher tief gestapelt.

KMN: Wieviel Zeit- und Personalaufwand benötigte expo2508 für die Realisierung dieses Projektes? Haben Sie zusätzliches Fachpersonal hierfür eingestellt?

TS: Speziell für dieses Großprojekt haben wir eine Projektmanagerin und eine Kunsthistorikerin eingestellt, die sich in 13 Monaten Vorbereitungszeit, während der Laufzeit und beim Rückbau um nichts anderes als Grimm gekümmert haben. Meine Aufgabe war die inhaltliche und künstlerische Gesamtleitung, wobei mir eine frühere Beschäftigung mit dem Thema zugutekam. Zahlreiche Rechercheaufgaben haben wir zudem an freie Mitarbeiter vergeben und mit mehreren renommierten Grimm-Forschern sozusagen einen informellen wissenschaftlichen Beirat geschaffen. Da unsere Agentur als Kulturmarketingspezialist groß geworden ist, hatten wir in diesem Bereich bereits genug Kapazitäten und Kompetenz.

KMN: Mit dem Fraunhofer-Institut für Grafische Datenverarbeitung IGD oder Bereichen wie Ausstellungsbau, Transport, Besucherdienst oder Bewachung haben Sie als Dienstleister wiederum externe Dienstleister beauftragt. Worauf mussten Sie dabei achten? Inwieweit hat das die Planung beeinflusst?

TS: Den Kontakt zum Fraunhofer Institut hat uns unser Auftraggeber vermittelt. Die Kollegen dort haben eine 3D-Darstellung einer Grimm-Wohnung als Teilsponsoring beigesteuert. Daneben haben wir gut zwei Dutzend Subunternehmer mit Ausstellungsbau, Transporten oder Bewachung beauftragt. Grundlage waren Angebote und Referenzen. Diese Subaufträge haben wir uns von unserem Auftraggeber genehmigen lassen wobei die Wirtschaftlichkeit in unserem eigenen Interesse lag. Wir hatten allerdings als GmbH die Möglichkeit, Angebote nachzuverhandeln. Und da uns als Generalunternehmer jede Budgetüberschreitung um einen Teil des Gewinns gebracht hätte, haben wir selbst bei den Kunsttransporten auf Festpreisangeboten bestanden.

KMN: Wieviel Entscheidungsbefugnis lag bei Ihnen und wieviel beim Ministerium? Gingen die Vorstellung daccord? Welche Schnittstellenprobleme gab es dabei?

TS: Wir haben unsere Planungen in regelmäßigen Abständen präsentiert. Grundlage war das Wettbewerbskonzept, das wir dann verfeinert haben. Ändern mussten wir allenfalls Details. Da das Ministerium offizieller Leihnehmer war, ist auch die von uns vorbereitete Korrespondenz komplett in Wiesbaden über die Schreibtische gegangen. Dabei waren die vorausgehenden Leihverhandlungen unsere Aufgabe. Alle anderen organisatorischen Prozesse, wie z.B. der Aufbau oder die Laufzeitbetreuung, wurden von uns eigenständig abwickelt. Schnittstellenprobleme gab es deshalb keine.

KMN: Die Ausstellung Expedition Grimm an einen Generalunternehmer abzugeben, war für das Land Hessen ein voller Erfolg. Für Sie auch?

TS: Die Expedition Grimm war für uns ein wirtschaftlicher Erfolg und das trotz der Risiken, die die Rolle als Generalunternehmer bedeutet. Mich persönlich freut aber fast noch mehr, dass wir auch in den großen Feuilletons gewürdigt wurden die FAZ titelte Ein gewichtiges Wort zum Grimm-Jubiläum.

KMN: Halten Sie das Konzept, Ausstellungsprozesse aus den Museen auszulagern, für zukunftsfähig? Kann dadurch der Personal- und Finanzmangel in Museen ausgeglichen werden? Welche Aufgaben bleiben für Museen dann noch?

TS: Agenturen werden wesentliche Aufgaben eines Museums nie übernehmen können, etwa das Sammeln und Bewahren. Und für die Vermittlung ist die Stärke des Museums der eigene Sammlungsbestand. Auf dieser Grundlage entstehen in der Regel die besten Ausstellungen. Bei der Vermittlung im weitesten Sinne kann externe Kompetenz eine Bereicherung sein. Die Palette der Dienstleistungen wird immer größer, sodass bei Bedarf auch Mangel an wissenschaftlichem Personal passgenau ausgeglichen werden kann. Eine komplette Ausstellung auszulagern, wird aber trotzdem auf absehbare Zeit eine Ausnahme bleiben.

KMN: Was haben Sie und das Ministerium aus dieser Erfahrung gelernt? Was geschieht mit den Ergebnissen? Was können auch andere Museen daraus ableiten?

TS: Während der Laufzeit haben wir eine Besucherbefragung durchgeführt. Wir wollten schließlich wissen, wie das Konzept ankam. Dabei zeigte sich, dass die mit der Präsentation der Original-Exponate verbundene Fragestellung durchaus nachvollzogen wurde. Als Publikumsfavoriten haben sich aber was nicht verwundert einzelne unserer interaktiven Module erwiesen. Es hat sich gezeigt, dass hohe Anschaulichkeit und wissenschaftlicher Anspruch kein Widerspruch sein müssen. Diese und andere Ergebnisse haben wir eigens in einer Bilanz-Broschüre publiziert.

"Alles aus einer Hand I", den Rückblick auf die Landesausstellung "Expedition Grimm" aus Sicht des Leitenden Ministerialrats im Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst, finden Sie hier.

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