15.02.2012

Autor*in

Niels Ewerbeck
Führung eines freien Produktionshauses

An vorderster Front mitspielen

Im Interview mit Niels Ewerbeck, dem neuen Intendanten und Geschäftsführer des Mousonturms Frankfurt, geht es um die Ziele des laufenden Umbaus und dessen Finanzierung, die Notwendigkeit des Wechsels an der Spitze von Kultureinrichtungen sowie die künftige Profilierung dieses Theater- und Kunstbetriebs.
Das Interview führte Dirk Heinze.
 
KMN: Herr Ewerbeck, Sie sind von Zürich nach Frankfurt gewechselt und beginnen Ihre neue berufliche Aufgabe beim Mousonturm gleich mit einem aufwändigen Umbau, der eine Schließung bis September vorsieht. War das Ihre Idee?
 
Niels Ewerbeck: Das war in der Tat meine Idee. Als ich mir das Haus anschaute, spürte ich sehr deutlich, dass die bauliche Substanz dieses expressionistischen Ziegelbaus - einer ehemaligen Seifenfabrik aus den 1920er Jahren - gerade im Innenbereich den Erfordernissen nicht mehr genügt, die es heute in einer professionellen Freien Szene braucht. Schon vor 23 Jahren wurde der Mousonturm ja für einen Theater- und Kulturbetrieb adaptiert und gehört wie das Hebbel am Ufer in Berlin oder Kampnagel in Hamburg zu den ersten Theatern, die mit diesem Profil gegründet wurden. Damals war tatsächlich das Verständnis, was man von Freier Szene hatte, ein ganz anderes. Gerade in den ersten Jahren war das Programm bestimmt von kabarettistischen Formaten, von Musikformaten, die klassisch und zentriert auf erhöhter Bühne stattfanden. Dafür ist die Adaptierung sehr gelungen gewesen, d.h. man hat schon damals einige der Zylindersäulen, auf den die Etagen "hängen", entfernt. Für diese Formate, die zuweilen auch noch stattfinden, ist das ganz gut. Nur hat sich die Szene und das Profil der Häuser total verändert. Wenn ich mir jetzt den Hauptanteil unseres Angebots anschaue, dann sind das Performance- und Tanzprogramme - und die finden natürlich auf dem Boden statt. Man muss dem Publikum hier durch eine flexible Bühne eine Draufsicht ermöglichen. Da stört der Balkon und da stört das Bühnenmaß, das im Augenblick noch eine Breite von gerade einmal 10 Meter vorweist. Das Standardmaß, das praktisch alle Künstler als Anforderung mitschicken, ist eigentlich 12 x 12 Meter. Durch die Entfernung der verbliebenen zwei Säulenreihen und des Balkons, den ich veranlasst habe, gibt es jetzt bald eine Bühne mit 14 Meter Tiefe und einem automatisch ausziehbaren System, was auch zusätzliche Techniker einspart. Jetzt können wir im Grunde genommen alles zeigen.
 
KMN: Heißt das, dass Sie das Publikum näher ans Geschehen heranrücken lassen wollen?
 
Ewerbeck: Vor allem muss ihm die Sicht von oben auf die ganze Bühnenfläche ermöglicht werden.
 
KMN: Sie müssen hoffentlich den Umbau nicht aus dem laufenden Budget finanzieren
 
Ewerbeck: Nein, glücklicherweise nicht. Das war natürlich ein großer Kampf und es war auch klar, dass es mir nicht gelingen wird, in der Kürze der Zeit den städtischen Kulturhaushalt "anzuzapfen". Insofern habe ich mir dann mit relativ viel Aufwand die Vertragssituation angeschaut: wir sind ja Untermieter beim Liegenschaftsamt, und das wiederum ist Hauptmieter bei einer städtischen Immobilien-GmbH, die jetzt der Bauträger ist. Ich konnte sie überzeugen, dass sie als Eigentümerin des Mousonturms diesen Umbau finanziert.
 
KMN: Wie liegen Sie im Zeitplan? Ist die Eröffnung am 6. September gesichert?
 
Ewerbeck: Davon gehe ich absolut aus. Wir haben natürlich zeitliche Puffer eingebaut, um die pünktliche Eröffnung sicherzustellen.
 
KMN: Nun haben Sie ein Haus übernommen, das seit 23 Jahren durch Dieter Buroch geleitet wurde. Wird ein Wechsel an der Spitze von Kultureinrichtungen eigentlich zu selten gewagt? Sollte man nicht häufiger "frischen Wind" hereinbringen?
 
Ewerbeck: Das müssen Sie beurteilen. Ich kann nur sagen, dass es für mich persönlich der richtige Zeitpunkt war, nach 8 Jahren Zürich zu verlassen und mich nach anderen Ufern umzuschauen. Ich finde, es ist für ein Haus wichtig, dass es von Zeit zu Zeit einen Wechsel gibt, und für mich persönlich ist es auch wichtig. Es gibt ja bestimmte Zyklen, in denen man arbeitet. Man nimmt sich etwas vor, steckt sich Ziele, und es braucht eine gewisse Zeit, bevor man beurteilen kann, ob man sie erreichen kann. Und die Ziele muss man sich hoch stecken - ich möchte selbst immer ein wenig nach den Sternen greifen. Das war in Zürich so, und das traf auch zuvor für Düsseldorf zu. Nach drei Jahren konnte ich jeweils abschätzen, dass es Erfolg haben wird und ich nicht traumtänzerisch mit meinen Zielen umgehen. Dann hat man meist zwei Jahre Freude daran, dass es so gut funktioniert. Danach überlegt man freilich: was ist der nächste Schritt? Das kann heißen, dass man eine grundsätzliche Veränderung im gleichen Haus einleitet, aber dann muss man beurteilen können, was unter den gegebenen Bedingungen und Vorgaben - damals durch die Stadt und den Kanton Zürich - möglich ist. Die Frage also, wie weit sich die Decke nach oben strecken lässt.
 
KMN: Nun im ersten Jahr in Frankfurt sind sie gleichzeitig mit dem Umbau und der Programmation beschäftigt. Kommt da nicht das "Mannschaftsspiel" zu kurz - wie werden Sie mit Ihren Mitarbeitern vertraut?
 
NE: Zunächst ist es so, dass ich schon vor eineinhalb Jahren berufen worden bin. So hatte ich die ganze letzte Spielzeit über Gelegenheit, mich mit dem Team vertraut zu machen. Ich bin dafür zweimal im Monat für 2-3 Tage nach Frankfurt gekommen, um alles vorzubereiten und ein Team nach meinen Bedürfnissen zusammenzustellen. Zwar habe ich einen Großteil der Belegschaft übernommen, aber auch beispielsweise zwei Dramaturgen, Marcus Droß und Martine Dennewald, oder auch meine Verwaltungsleiterin Martina Leitner mit ins Team geholt. Das sind schon eingreifende Maßnahmen, die die Struktur des Teams verändern. Insofern finde ich das jetzt sehr gut, dass es diese deutliche Zäsur gibt - auch mit dem Umbau. Dieser Umbau erfordert ein großes Improvisationstalent, denn wir werden jetzt auch innerhalb des Hauses vom 2. Stock in Proberäume und Ateliers umziehen müssen, wo wir sehr eng aufeinander arbeiten werden. Ich glaube insofern, dass dieses Improvisieren alle in die Lage versetzt, dass man sich gut kennenlernt. Das ist eine große Herausforderung, aber ich bin davpn überzeugt, dass wir sie gut bewältigen werden.
 
KMN: Abschließende Frage: sehen Sie den Mousonturm eher als regionalen Kulturanbieter, oder inwieweit hoffen oder wünschen Sie, Ihr Haus stärker überregional zu profilieren?
 
Ewerbeck: Es ist natürlich in der gesamten Region DAS Haus für internationale zeitgenössische Koproduktionen, und das wird es bleiben. Der Mousonturm ist überhaupt extrem gut in der Stadt Frankfurt etabliert. Da habe ich große Hochachtung davor, wie Dieter Buroch dies erreicht hat. Aber selbstverständlich hat man den Ehrgeiz, auch national und international an der vordersten Front mitzuspielen. Das ist mein Ziel in Zürich gewesen und das ist es hier auch.
 
KMN: Dafür wünschen wir Ihnen viel Erfolg! Vielen Dank, Herr Ewerbeck, für das interessante Gespräch.
 
Mousonturm Frankfurt: www.mousonturm.de
 

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