24.05.2012
Kulturförderung

Der Kulturinfarkt - Interview mit den Autoren (Letzter Teil)

Das Buch "Der Kulturinfarkt" löste eine lautstarke Debatte über die Zukunft der Kulturförderung aus. Wir trafen die Autoren zum Exklusivinterview und veröffentlichen dies als Serie hier auf unserem Portal.
KM: Ein Zukunftsthema, das gerade in der Kultur- und Kreativwirtschaft eine große Triebkraft entfaltet, ist die Digitalisierung. Der öffentliche Kulturbereich tut sich hier jedoch erkennbar schwer. Offenkundig fremdelt man noch immer mit Technik und neuen Medien. Wie kann man das lösen?
 
Autorenteam: Man kann es zumindest nicht lösen, indem man mehr Bildschirme in die Theater baut. Theater ist eine Live-Kunst. Doch das Medium Theater hat seine Reichweite erschöpft. Man kann die Leute nicht mit Gewalt ins Theater schleppen. Die Digitalisierung würde es einer jungen Generation von Kreativen ermöglichen, neue Produkte zu entwickeln, das uns als Konsument wiederum eine neue ästhetische Erfahrung ermöglicht.
 
Wenn man die verschiedenen kulturwirtschaftlichen Branchen, die ja gleich den Kultursparten sind, daraufhin betrachtet, was sich an ihnen durch die Digitalisierung ändert, dann ist das fast überall radikal unterschiedlich und extrem tiefgreifend in den ästhetischen wie den wirtschaftlichen Veränderungen. Arbeiten wir weiter mit den alten Institutionen, dann werden sich diese Institutionen diesen Veränderungen zu entziehen versuchen und werden nicht etwas haben, was dazu führt, dass das angenommen wird. Angenommen wird und durchsetzen wird sich das nur in privatwirtschaftlichen Zusammenhängen. Insofern wird Digitalisierung für die öffentlichen Kulturbetriebe ein riesiges Thema sein. Wenn sie das verschlafen, dann sehen sie am Morgen danach noch älter aus.
 
Digitalisierung beschränkt sich ja nicht auf die technische Dimension, dass ich also z.B. Filme auf dem Handy sehen kann. Es bedeutet einen anderen Umgang miteinander, gerade in Bezug auf Social Media, der großen Wolke, die im Raum schwebt. Alle sind darin und niemand weiß genau, wie es funktioniert. Sie implizieren eine andere Art Beziehung zueinander, dass man sich global mit Freunden oder vermeintlichen Freunden austauscht, ohne auf vermittelnde Apparate wie das Fernsehen oder auch Museen und Theater angewiesen zu sein. Es gibt ein Leben neben den Institutionen. Das ist auch der Ansatz im Buch: auf diese Entwicklung muss sich Kulturpolitik vorbereiten. Wir können nicht weiter in institutioneller Weise bauen, wenn eine große Mehrheit der Leute nicht mehr in diese Bauten kommen. Die Bauten erheben einen sozialen Anspruch, wie progressiv man auch immer sein möge, dem sich die neue Generation entziehen will. Was entstehen dort für ästhetische Produkte, wie verbreiten sich darüber kulturelle Werte?
 
KM: Kommen wir abschließend zu den Adressaten des Buches und dem, was Sie verändern wollen. Von wem erhoffen Sie sich die Veränderungen?
 
Autorenteam: Die Veränderung muss dort passieren, wo über kulturpolitische Gestaltung und Etats entschieden wird. Die Diskussion muss und wird stattfinden in den Kommunen, auf der Ebene der Bundesländer, in der Bundeskulturpolitik, in den Initiativen und der Freien Szene. Dass es jetzt erste Ansätze und Erscheinungen gibt, dass sich politische Parteien für den "Kulturinfarkt" interessieren, ist ein Zeichen genau dafür, dass dort verstanden wurde, von wo Veränderungen eingeleitet werden müssen. Nicht erwarten können wir, dass die Verbände der alten Kultur den Veränderungsprozess in irgendeiner Weise befördern werden, dazu sind diese Verbände mit ihren Interessen zu sehr an den status quo gebunden. Und wo solche Interessen am status quo dominieren, hilft das nicht, in die Zukunft zu denken.
 
Wir könnten uns vorstellen, dass durchaus Institutionen an diesem Prozess mitwirken, indem sie sagen, sie möchten aus der staatlichen Obhut entlassen werden, sie wollen sich verselbstständigen, um mehr unternehmerische Freiheit im Sinne des exzellenten Kulturbetriebs gewinnen. Wir können nicht länger in dieser Form gefangen bleiben.
 
Sie haben ja selbst jüngst im KM Magazin kommentiert, es müsse endlich eine kulturpolitische Debatte geben. Wir selbst haben uns damals natürlich zurückgehalten aufgrund des bevorstehenden Buchs. Jetzt ist die Debatte da, und es kann sich ihr niemand entziehen. Überall ist vom Kulturinfarkt die Rede. Der Begriff ist ein Katalysator, an dem man nicht mehr vorbeikommt. Wer jetzt auf die Straße geht und für mehr Geld für die Kultur demonstriert, dem wird man den Kulturinfarkt entgegenhalten. Damit ist unser Ziel erreicht.
 
KM: Noch eine provozierende Frage: Sie waren selbst alle mehr oder weniger als Ausbilder tätig. Inwieweit schlägt Ihre Kritik am System nicht auf sie selbst zurück als Teil des Systems?
 
Autorenteam: Wir mussten auch zu viert zusammenkommen, um es auf den Punkt zu bringen... Entscheidend ist der Begriff der Wahrhaftigkeit. Wir "alten Männer" haben es selbst einfach nicht mehr länger ausgehalten, das ewig gleiche Spiel weiterzuspielen: Staat, gib mehr Geld und alle Probleme sind gelöst. Die Harley musste noch mal raus. Jetzt geht es uns besser. Sollen andere weiter streiten wir sind dabei, wenn wir sehen, dass das weiterhilft. Jetzt sind die Themen so in der Welt, dass sie nicht mehr ignoriert werden können.
 
 
Hinweis: Wie die Zukunft des öffentlichen Kulturbetriebs und dessen Förderung nach dem Buch aussehen könnte, darauf geht der Schwerpunkt in der Juniausgabe des KM Magazins ein.
 

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