05.05.2008
Kulturpolitik auf Landesebene

Eine Politik der kreativen Ökonomie

Im Gespräch mit bdvb- Präsidialmitglied Dr. Arno Bothe und Dipl.-Kfm. Gerald Königsberg, Leiter der Fachgruppe Kultur & Wirtschaft beim bdvb, erläutert Kulturstaatssekretär Hans- Heinrich Grosse- Brockhoff (58) die Ziele der Kulturpolitik der Landesregierung und die Vision von der Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010 sowie den Stellenwert der kulturellen Bildung im Lande Nordrhein- Westfalen.
bdvb: Herr Grosse-Brockhoff, Sie waren viele Jahre in der kommunalen Kulturpolitik aktiv, allein 13 Jahre Kulturdezernent der Landeshauptstadt Düsseldorf. Seit zwei Jahren sind Sie für die Landeskulturpolitik verantwortlich. Was unterscheidet beide Ebenen und wo liegen heute Ihre Schwerpunkte?

GB: Es ist wichtig zu wissen, dass der Reichtum der Kultur in den Kommunen liegt. Das Land NRW ist ein Land der Städte, ein Land der städtischen Kultur. NRW hat keine Königs- und Fürstentradition wie Bayern, Baden oder Württemberg. Unsere kulturelle Substanz stammt von einem sich vor allem im 19. und 20. Jahrhundert emanzipierenden Bürgertum. Daher gibt es nur ein Landesmuseum, die Kunstsammlung NRW in den beiden Gebäuden K 20 und K 21, aber keine Staatsoper, kein Staatsorchester oder andere Einrichtungen wie beispielsweise Landesgalerien. Wir können das Profil des Landes schärfen, indem wir das Profil der Kommunen weiter schärfen.
Meine Wurzeln liegen dort, das spüren die Kollegen, und die Instrumente für ein gemeinsame Politik haben wir: Die beiden Kultursekretariate, in Wuppertal (für die theatertragenden Kommunen) und in Gütersloh, wollen wir stärken. Wir sitzen regelmäßig zusammen und entwickeln Pläne, wie wir zu mehr internationalem Kulturaustausch kommen und wie wir mit dem ungeheuren Reichtum an Kultur in NRW umgehen, den es in ähnlicher Ausprägung nirgendwo auf der Welt gibt quantitativ wie qualitativ. Die qualitativ ausgerichteten Spitzenleistungen könnten allerdings noch zulegen.

bdvb: Wie wird das reichhatige Kulturangebot in die Öffentlichkeit gebracht?

GB: Das Marketing für eine intensivere Verkündung unseres kulturellen Reichtums wird derzeit professionell entwickelt und aufgebaut. Bisher gab es lediglich Broschüren, aber keinen Etat fürs Marketing. Mit dem Kulturmarketing machen wir selbstverständlich auch Standortwerbung für NRW. Für ein erfolgreiches Wirken im Kulturmarketing gibt es optimale bildungstechnische Vorraussetzungen, so das Institut für Kulturmanagement an der FernUni Hagen und einen BA-/MAStudiengang "Philosophie und Kulturreflexion" in Witten-Herdecke, wo u. a. Kompetenzen im Bereich des Kulturmanagements ausgebildet werden.

bdvb: Was kann das Land zur Verbesserung von Qualität bzw. der Spitzenkultur beitragen?

GB: Wir gehen auf die Kommunen, die Dezernenten zu und bieten Gespräche an: Wo können wir helfen und wo können wir "Spitzen" finanzieren.

bdvb: Lassen sie sich dabei auch betriebswirtschaftlich beraten?

GB: Wir führen Gespräche mit NRW Ticket, das privatwirtschaftlich organisiert ist, und mit anderen Agenturen. Dabei sind wir noch in den Anfängen. Es ist wichtig, viele Partner zu überzeugen und mit weiteren Partnern zusammenzuarbeiten.

bdvb: Gibt es vor dem Hintergrund von Haushaltssicherungskonzepten und Sparzwängen bei den Kommunen Erwartungen an das Land, mehr Geld für Kulturprojekte zur Verfügung zu stellen? Beispielsweise mussten Remscheid und Solingen ihre Orchester zu einem, den "Bergischen Symphonikern", zusammenlegen und bangen jetzt erneut um deren Zukunft.

GB: Es kann nicht sein, dass die Kommunen sparen und das Land dafür einspringen soll. Einen derartigen Erwartungsdruck der Kommunen kann das Land nicht kompensieren. Es steht aber im Einzelfall zur Verfügung, wenn sich bspw. eine neue Orchesterlandschaft im Bergischen Land konzipiert. Eine ausgewählte Beteiligung des Landes findet statt, wenn Mehrwert gesehen wird und damit für das Land eine deutliche Ausstrahlung gegeben ist.

bdvb: Gibt es mögliche Arbeitsgemeinschaften bzw. eine Public Private Partnership mit der Wirtschaft, wie sie mit dem museum kunst palast in Düsseldorf besteht?

GB: Es gibt ein neues Modell: die RUHR.2010 GmbH mit den Geschäftsführern Dr. h.c. Fritz Pleitgen und Prof. Dr. Oliver Scheytt sowie den Gesellschaftern Initiativkreis Ruhrgebiet, dem Regionalverband Ruhr (RVR) und dem Land NRW. Im finanztechnischen Sinne machen wir hier ein "matching funding", d.h. wenn die Wirtschaft eine Mio. Euro gibt, gibt das Land auch eine Mio. Euro dazu.

bdvb: Bestehen Pläne für so genannte Leuchtturmprojekte, herausragende neue Kulturideen, die es zu entwickeln und umzusetzen gilt?

GB: Kommunale Ideen sollten mit unserem Beitrag stärker leuchten, wie eben das Projekt Kulturhauptstadt RUHR.2010 Essen. Selbstverständlich geht es dabei auch um Nachhaltigkeit. Beispielsweise
sind wir im Moment dabei für den Duisburger Innenhafen so etwas zu gestalten, unter anderem mit einem neuen Landesarchiv. Es gibt einen viel versprechenden Wettbewerb für den Standort Duisburg Innenhafen. Oder dass in der Emscher Zone, oder in Dortmund mit dem U-Turm etwas Herausragendes entwickelt wird. Kunstwerke können auch sichtbare Zeichen sein und dafür stehen, dass sich im Ruhrgebiet etwas Neues tut.
Neu ist eine klar formulierte Politik der kreativen Ökonomie, die die Staatskanzlei zusammen mit dem Wirtschaftsministerium des Landes NRW entwickelt hat. Die Kultur und Künstler sind von Anfang an daran beteiligt. Denn Künstler haben schon immer das "Neue" vorausgedacht und auch oft praktiziert. Dieses ist seit über 2000 Jahren nachweisbar. Ich verweise auf Leonardo da Vinci, welcher Kunstwerke, Flugmaschinen etc. entwickelt hat.
Wir sollten uns vor Augen halten, dass das Wachstum wesentlich stärker im tertiären Bereich stattfindet. Dennoch spielt Industriepolitik noch eine große Rolle. Aber gerade diese ist auch auf Kreativität angewiesen, eben in Zusammenarbeit mit Künstlern, um neue Wege und Möglichkeiten zu finden. Es gibt genügend Beispiele, so etwa bei den angewandten Künsten, in der Fotographie, im Film, Medien Design, bei den elektronischen Medien. Hier können Künstler überall weiterhelfen in der Ausübung ihrer freien Kunst oder auch in der Werbung. In diesem Potenzial liegen die großen Stärken des Ruhrgebiets. Es muss viel für eine solche Förderung der kreativen Ökonomie getan werden und noch viel Energie dort hinein fließen. Das Dortmunder U könnte ein solcher Ort der Ausprägung sein.

bdvb: Was erwartet uns mit dem Projekt Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010? Wird auch die freie Kulturszene mit eingebunden?

GB: Die "Freie Szene" wird genauso eine wichtige Rolle spielen wie die öffentliche. Hans-Georg Küppers, ehem. Kulturdezernent Bochum, und Professor Scheytt haben wesentlich dazu beigetragen, dass
der Titel der Bewerbung zur Kulturhauptstadt Essen und das Ruhrgebiet genannt wird. Die Organisation und Zusammenarbeit für dieses Projekt funktioniert auch deswegen, weil weitere Partner dazugekommen sind, wie der RVR, die Stadt Essen, das Land, der Initiativkreis Ruhr zu je 25 Prozent. Diese Kooperation kann ein Modell der Zukunft sein, zumal es die Strukturen einer Public Private Partnership zeigt.
Erste Ideen für dieses Kulturereignis sind unter anderem: Auf der B1 eine lange Tafel und ein großes Singprojekt mit über 100.000 Sängern, welche in mehreren Arenen gleichzeitig singen. Das Programm mit seinen Themenschwerpunkten wird erstmals im November 2007 beraten. Auch dieses Projekt Kulturhauptstadt soll nicht nur ein einmaliges "Feuerwerk" sein, sondern es gilt Nachhaltigkeit zu erreichen. RUHR.2010 hat die Vision, aus der regionalen Gemeinschaft von 53 Städten eine Metropole neuen Stils zu bilden.

bdvb: Ein weiteres Bündnis für Kultur haben Sie mit der kulturellen Bildung angestoßen...

GB: Ja, quer über alle Schulformen werden folgende Projekte realisiert: 1.100 Künstler und Künstlerinnen besuchen die Schulen und vermitteln Kreativität in allen künstlerischen Sparten. Im Rahmen des Projekts "Jedem Kind ein Instrument" sollen bis 2010 jeder Grundschülerin und jedem Grundschüler im Ruhrgebiet ein Instrument zur Verfügung gestellt werden. So kommen die Schüler mit Instrumenten in Berührung, unabhängig von ihrem familiären Hintergrund. Durch ein frühes Heranführen an die Musik werden Begabungen und Neigung entdeckt und Kreativität frühzeitig gefördert. Ein Denken in Farben und in Tönen kann zugleich auch logisches Denken beflügeln. Deswegen gehört kulturelle Bildung in den Fokus einer jeden kommunalen Politik, aber auch einer regionalen und einer Landespolitik.

Links:
www.mediendatenbank.nrw.de/mediadatabase/hans_heinrich_grosse_brockhoff.pdf

www.kulturhauptstadt-europas.de
 

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