05.04.2007

Autor*in

Hans-Conrad Walter
Kultursponsoring

Kultursponsoring 2013 Ein Thema für den Deutschen Bundestag

Der Deutsche Bundestag hat in der 16. Wahlperiode die Enquete-Kommission Kultur in Deutschland erneut eingesetzt. Ihr gehören elf Abgeordnete des Deutschen Bundestages und elf Sachverständige an, deren Aufgabe es ist, eine Bestandsaufnahme der gegenwärtigen Situation von Kunst und Kultur in Deutschland vorzunehmen. Zu den aktuellen Schwerpunkthemen zählt unter anderem das Kultursponsoring. Die Vorsitzende der Enquete-Kommission Gitta Connemann (MdB) in einem Interview mit Hans-Conrad Walter, Geschäftsführer der Agentur Causales.
Walter: Sehr geehrte Frau Connemann, Sie sind Vorsitzende der Enquete-Kommission "Kultur in Deutschland" des Deutschen Bundestages. Welche Aufgaben hat die Kommission und was sind weitere aktuelle Schwerpunktthemen der Arbeit?

Connemann: Enquete-Kommissionen werden vom Deutschen Bundestag zur Vorbereitung von Entscheidungen über umfangreiche und bedeutsame Sachkomplexe eingesetzt. Als Besonderheit kennzeichnet sie die paritätische Zusammensetzung aus Abgeordneten und Sachverständigen. In der Enquete-Kommission Kultur in Deutschland arbeitet eine Mischung aus Mitgliedern des Deutschen Bundestages, Vertretern von Verbänden, der Kulturpolitik der Länder und Kommunen, der Kulturwissenschaft, der Wirtschaft, der Kirche und nicht zuletzt der Kunst und Kultur selbst. Diese Enquete-Kommission wurde 2003 übrigens über alle Fraktionsgrenzen hinweg einstimmig eingesetzt, um fast drei Jahrzehnte nach der letzten Bestandsaufnahme eine Analyse der Situation von Kunst und Kultur in Deutschland vorzunehmen. Der langfristige Untersuchungsauftrag erlaubt es uns, abseits tagespolitischer Streitigkeiten kulturpolitische Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufzugreifen, Debatten anzuregen und für einen längeren Zeitraum Visionen zu entwickeln. Nachdem unsere Tätigkeit Ende 2005 wegen der vorgezogenen Neuwahlen kurzfristig unterbrochen war, haben wir im Februar 2006 unsere Arbeit neu aufgenommen. Laut Einsetzungsbeschluss hat die Kommission den Auftrag, die in der 15. Legislaturperiode begonnene Bestandsaufnahme fortzusetzen und abzuschließen. Auf dieser Grundlage formulieren wir derzeit wo nötig Handlungsempfehlungen für administratives und gesetzgeberisches Handeln des Bundes.

Grundsätzlich sind alle behandelten Einzelthemen es sind im Ganzen fast fünfzig in ihrer Bedeutung für uns gleichrangig. Schwerpunkte unserer Arbeit liegen im Strukturwandel der öffentlichen und privaten Kunst- und Kulturförderung genauso wie in der wirtschaftlichen und sozialen Lage der Künstlerinnen und Künstler. Wir befassen uns intensiv mit der Analyse und den Erfordernissen kultureller Bildung in der Informations- und Mediengesellschaft, von der vorschulischen Erziehung über die Ausbildung in Schule und Beruf bis zur Erwachsenen- und Weiterbildung. Diese ist mir ebenso Herzensangelegenheit wie die Breitenkultur, die ich lieber als gelebte Bürgerkultur bezeichne: Die kulturelle Vielfalt unseres Landes mit seinem dichten Netz von Stadt- und Staatstheatern, Museen, Bibliotheken und Volkshochschulen, Kunstgalerien und Medieneinrichtungen, Soziokulturellen Zentren und Bürgerhäusern, Literarischen Gesellschaften, Musik- und Jugendkunstschulen, Chören und Musikgruppen wäre undenkbar ohne das bürgerschaftliche ehrenamtliche Engagement vieler Menschen. In unserer Arbeit haben wir außerdem die Auswirkungen des demographischen Wandels auf die Kultur als eine spannende Herausforderung der nächsten Jahre und Jahrzehnte erkannt. Schließlich widmen wir uns mit der Kulturwirtschaft einem weitgehend neuen und zukunftsträchtigen Thema, das, so wurde es uns aus Expertenmund kürzlich im Rahmen einer Anhörung bestätigt, durch die Enquete-Kommission überhaupt erst eine breitere kulturpolitische Öffentlichkeit fand.

Walter: Am 5. März 2007 hat die zuständige Arbeitsgruppe für Kultursponsoring zu einem Expertengespräch in den Deutschen Bundestag geladen, um Handlungsvorschläge für den Gesetzgeber zu erarbeiten. Wird die Bedeutung von Kultursponsoring aus Sicht der Experten langfristig eher zu- oder abnehmen?

Connemann: Die Meinungen gehen dazu auseinander. Laut einer Studie von BMW sprechen immerhin 40% der Entscheidungsträger in deutschen Unternehmen dem Kultursponsoring eine steigende Bedeutung zu. Andere prophezeien demgegenüber, dass die Ausgaben stagnieren werden und sich das Volumen nicht nennenswert erweitern wird. Grundsätzlich gilt aber: Unternehmen spielen bereits heute eine große Rolle in der Kulturförderung. Neben ihrer stärker uneigennützig motivierten Förderung durch Spenden und Stiftungen hat das Kultursponsoring in Unternehmen an Bedeutung gewonnen. Aus ihren Kommunikationsbudgets werden jährlich 4 Milliarden Euro für Sponsoringmaßnahmen zur Verfügung gestellt. Davon entfallen, so der Arbeitskreis Kultursponsoring im BDI, ca. 10 %, also rund 400 Millionen Euro, auf Kulturförderung aller Sparten. Der Studie von BMW zufolge haben sich Kunst und Kultur bei deutschen Unternehmen sogar mit 30% des Gesamtbudgets als zweitwichtigstes Sponsoringsegment etabliert. Weltweit würde demnach jeder fünfte Sponsoring-Euro in Kunst und Kultur fließen. Die weite Streuung dieser Zahlen zeigt mir übrigens auch eines: Wir brauchen eine verlässliche Statistik im Bereich der unternehmerischen Kulturförderung. Nur so werden sich tragfähige politische Entscheidungen zur Förderung des Kultursponsorings fällen lassen.

Für viele Kultureinrichtungen ist diese Förderung aus privatem Engagement zu einem notwendigen Spielbein neben ihrem Standbein aus öffentlichen Fördergeldern. Ich warne aber davor, die Möglichkeiten des Sponsorings für die Kultur zu überschätzen. Gespräche auf einer Delegationsreise der Enquete-Kommission in die neuen Bundesländer haben die Grenzen der Gewinnung privater Mittel gerade in strukturschwachen Regionen gezeigt. Es gibt inzwischen einen echten Verteilungskampf. Das sagen übrigens in dieser Deutlichkeit nicht etwa die Vertreter der Kulturinstitutionen sondern die Entscheidungsträger in den Unternehmen. Interessant und zugleich beunruhigend ist auch, dass das stärkste Kultursponsoring häufig an den Orten der Unternehmenshauptsitze stattfindet. Die voranschreitende Verlagerung der Hauptsitze in andere Länder kann also Konsequenzen auf das unternehmerische Engagement für die Kultur in Deutschland haben. Diese Entwicklung müssen wir im Auge behalten.

Walter: In dem Expertengespräch haben sich Vertreter aus Wirtschaft und Kultur den Fragen der Berichterstatter der Kommission gestellt. Wurden unterschiedliche Bedürfnisse von den Wirtschaftsvertretern und den Kulturschaffenden zu Entwicklungsmöglichkeiten des Kultursponsorings formuliert?

Connemann: Natürlich verfolgen Unternehmen und Kultureinrichtungen hier unterschiedliche, jeweils eigene Interessen. Das ist ja das Wesen des Sponsorings, das seiner steuerrechtlich relevanten Definition nach einer wirtschaftlichen Nutzenerwartung folgt und auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit beruht. Dies muss man trennen vom uneigennützigen Spenden und mäzenatischem Handeln einer Unternehmensstiftung. Spannend fand ich in diesem Zusammenhang die Stellungnahme der BMW-Group, die Kulturengagement als Investition in den Standort und nicht als Subvention oder altruistisches Mäzenatentum begreift.

Die wechselseitigen Kenntnisse haben sich zwar verbessert. Nach übereinstimmender Meinung der Experten bestehen aber noch immer einschneidende Unterschiede in der Denk- und Herangehensweise der Kulturschaffenden und der Unternehmen. Die Wirtschaft will sich als Partner verstanden wissen und nicht nur als "Goldesel". Den Kulturschaffenden wird zugleich ein Paradigmenwechsel abverlangt. Denn während traditionell dem Grundsatz der Fehlbedarfsfinanzierung folgend danach gefragt wurde, wo die finanziellen Mittel fehlen und wie diese aufgetrieben werden können, soll nun definiert werden, welches Vermarktungspotential das kulturelle Angebot bietet. Es bedarf hier meines Erachtens noch eines umfassenden Wandels im Selbstbild der Kulturschaffenden. Sie sollten sich im Umgang mit privaten Geldgebern nicht als "Bettler der Neuzeit" begreifen, sondern vielmehr mit gebotenem wie berechtigtem Selbstbewusstsein das einmalige Angebot von Kultur auch für die Wirtschaft vertreten.

Walter: In einem Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 07.11. 2002 wurden bereits Vorschläge zur Verbesserung der Rahmenbedingungen im Bereich des Kultursponsorings erarbeitet. Wie wurden die einzelnen Vorschläge zur Verbesserung der fiskalischen Rahmenbedingungen von den Experten bewertet?

Connemann: Die Vorschläge der Kultusministerkonferenz stellen nach Meinung der angehörten Experten, aber auch nach meiner Einschätzung, eine eindeutige Verbesserung der Rahmenbedingungen im Bereich des Kultursponsorings dar. Insbesondere die Anhebung der steuerlichen Abzugsgrenzen für Zuwendungen an gemeinnützige Körperschaften, die Erhöhung der Besteuerungsgrenze für Sponsoringnehmer im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb und ein durchlässiger Wissenstransfer für alle Beteiligten lassen wesentliche Impulse für das Kultursponsoring in Deutschland erwarten.

Walter: Welche weiteren gesetzlichen, steuerlichen und administrativen Rahmenbedingungen sind aus der Sicht der Experten notwendig, um die vielfältigen Kooperationen zwischen Kultur, Wirtschaft und öffentlicher Hand zu erleichtern?

Connemann: Ich denke hier insbesondere an die Versteuerung des geldwerten Vorteils und die Kritik am Gebot zeitnaher Mittelverwendung. Ich glaube zudem, dass die Förderung von "Matching Funds" nach angelsächsischem Vorbild ein wesentlich belebendes Element der Kulturförderung sein kann. Danach stehen nur dann öffentliche Fördermittel zur Verfügung, wenn im Gegenzug private Fördermittel ein geworben werden. Auch über die Anerkennung von Corporate Volunteering als Betriebsausgabe sollte nachgedacht werden. Bisher können Unternehmen dieses Engagement wenn überhaupt als Spende geltend machen. Es wäre aber wünschenswert, wenn diese Leistung als Lohnbestandteil und damit als Betriebsausgabe voll vom zu versteuernden Gewinn der Unternehmen abziehbar wäre. Die Unternehmen sollten dabei vom Haftungs- und Versicherungsrisiko befreit werden. In einigen Ländern wie Hessen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz wurden diesbezüglich bereits Verträge geschlossen, um mehr Rechtssicherheit für die Unternehmen zu schaffen. Schließlich glaube ich, dass es noch immer notwendig ist, den Wissenstransfer zwischen Unternehmen und Kulturschaffenden zu fördern. Hier müssen wir über neue Instrumentarien nachdenken, auch darüber, welchen Beitrag dazu die Politik leisten kann.

Walter: Werden aus den gewonnenen Erkenntnissen zum Thema Kultursponsoring politische Handlungsempfehlungen durch die Enquete-Kommission für den Gesetzgeber formuliert und welche konkreten Lösungsansätze werden Sie empfehlen?

Connemann: Die öffentliche Hand darf nicht aus ihrer Verantwortung für die Sicherung der deutschen Kulturlandschaft entlassen werden. Hier spricht die Summe von rund 8 Milliarden Euro an öffentlichen Geldern eine eindeutige Sprache. Im Geist wachsender Selbstverantwortung liegt aber eine und ich betone eine Antwort auf die Finanz- und Strukturprobleme von Kunst und Kultur. In den USA und in Großbritannien sind es die Kultureinrichtungen gewöhnt, am Markt bestehen zu müssen, leistungsfähig zu wirtschaften und private Unterstützung ein zu werben. Ganze Abteilungen arbeiten mit höchster Professionalität daran. Hier liegen für Deutschland zwar noch Möglichkeiten, klar ist aber auch: Es herrschen bei uns andere gesellschaftliche, geistige und strukturelle Rahmenbedingungen. Es wäre daher blauäugig, die Erfahrungen und Bedingungen in anderen Ländern eins zu eins auf Deutschland anwenden zu wollen.

Wo liegt nun der größte Handlungsbedarf seitens der Politik und des Gesetzgebers? Das Kultursponsoring verbindet ja nicht nur Unternehmen und Kultureinrichtungen, sondern es muss in einem Dreieckverhältnis auch mit der öffentlichen Hand gesehen werden. Ich verorte den Handlungsbedarf auf Seiten der Unternehmen abseits der bereits genannten Themenfelder eher niedrig. Mein Eindruck ist aber, dass wir mit Blick auf das Einwerben privater Mittel das Verhältnis von Kulturinstitutionen und ihren öffentlichen Trägern im Blick behalten müssen. Es ist wichtig und richtig, Kultureinrichtungen zu mehr Eigeninitiative bei der Akquisition von Finanzmitteln zu ermuntern.
Dies darf aber nicht dazu führen, dass diese erfolgreich ein geworbenen Gelder, in selber Höhe von staatlichen Zuschüssen abgezogen werden. Ich erinnere insoweit an die historischen Wurzeln des Begriffs Sponsoring. Sie gehen auf das lateinische Sponsa und Sponsus zurückgehen, das heißt: auf Braut und Bräutigam. Das Sponsieren meint also eigentlich "den Hof machen", "um ein Mädchen werben". Würde man Sponsorengelder auf öffentliche Zuschüsse anrechnen, wäre das, als ob man die Braut mit einer attraktiven Mitgift auf den Heiratsmarkt schicken und im Fall der Eheschließung einen Teil dieser Mitgift zurückverlangen würde. Das geht genauso wenig, wie im Werben um private Gelder erfolgreiche öffentliche Kultureinrichtungen zu bestrafen. Kein Unternehmen möchte dort fördern, wo die öffentliche Hand sich zurückzieht.

Das Expertengespräch hat der Enquete-Kommission eine Reihe sehr interessanter Blickwinkel des Kultursponsorings vermittelt und Handlungsbedarf aufgezeigt. Jetzt ist es an uns, die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen. Sie werden dafür Verständnis haben, dass ich den internen Beratungen nicht vorgreifen kann und will. Im November werden wir den Abschlussbericht vorlegen, damit noch in der 16. Legislaturperiode erste Umsetzungsschritte erfolgen können. Ich bin sicher, dass er auch aussagekräftige Empfehlungen zum Kultursponsoring enthalten wird.

Walter: Herzlichen Dank für das Interview, Frau Connemann.

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