23.03.2016

Autor*in

Eva Göbel
verantwortet die Drittmittelakquise für den städtischen Eigenbetrieb „JenaKultur“. Zuvor arbeitete sie als Kulturmanagerin u.a. für die IBA Thüringen, als Redakteurin und Journalistin, unter anderem bei Kultur Management Network. Sie studierte Literatur, Kunst und Kultur in Göttingen, Paris und Jena.
Gespräch über die Zukunft des Gastspiels

Theaterlandschaft ohne Grenzen?

Die Theaterlandschaft in Deutschland ist vielfältig und sie hat ihre Lieblinge. Das Gastspieltheater gehört nicht dazu. Es klingt nach Wanderbühne, fahrendem Volk und eher nach auf-Achse als auf-Niveau. Doch das stimmt so nicht. Gastspiel- und Tourneetheater sind dort wichtig, wo es keine produzierenden Häuser gibt. In ländlichen Regionen, in kleinen und mittelgroßen Städten und Kommunen, ist es oft die einzige Chance, professionelles Theater zu sehen, ohne in die nächstgelegene Metropole fahren zu müssen. Doch auch, wenn die Mühlen auf dem Land vermeintlich langsamer mahlen, zeichnen sich dort anstehende Entwicklungen umso gnadenloser ab. Und es ist an der Zeit, dass sich das Gastspieltheater zu diesem Zwecke professionalisiert.
Wir sprachen mit Christian Kreppel, Präsident der INTHEGA (Interessengemeinschaft der Städte mit Theatergastspielen e. V.) und Leiter des Theaters Schweinfurt über die Zukunft des Gastspieltheaters und die Neuausrichtung des Verbands.

KMN: Lieber Herr Kreppel, die INTHEGA vertritt die Interessen der Städte mit Spielstätten ohne eigenes Ensemble seit 35 Jahren. Wird es langsam Zeit für eine Modernisierung des Verbandes?

Christian Kreppel: Ich würde eher sagen, es ist Zeit für eine sinnvolle Weiterentwicklung. Wir haben unsere Mitglieder befragt und dabei ist herausgekommen, dass sich die meisten eine Professionalisierung des Verbandes wünschen. An vorderster Stelle stand dabei der Wunsch nach einem hauptamtlichen Geschäftsführer, der sich auf die kulturpolitische Arbeit konzentrieren kann. Wir konnten für dieses Amt Bernward Tuchmann gewinnen, der als Kulturberater schon viele Jahre selbstständig ist und nun seit Juli 2015 zusätzlich die Geschäfte der INTHEGA leitet. Des Weiteren haben wir eine digitale Datenbank aufgebaut, in die alle Informationen der Spielplan- und Kulturjournale einfließen. Unser Verband muss auch in der Lage sein, auf die demografischen Entwicklungen unserer Gesellschaft reagieren zu können. Die Menschen werden älter, in ländlichen Gegenden weniger, durch Zuzug auch bunter. Das alles ist ein Prozess, den wir gemeinsam angehen müssen, um neue Handlungsfelder für das Gastspieltheater erkennen zu können.

KMN: Wie wollen Sie den Prozess der Modernisierung auf der aktuellen Jahrestagung anstoßen?

CK: Der Titel der Tagung, Bis es uns gefällt - Gastspieltheater mit Zukunft zeigt schon an, dass wir weit nach vorne blicken wollen. Das muss aber natürlich in Abstimmung mit den Mitgliedern erfolgen. Daher muss auch ich als Präsident des Vorstandes die Ergebnisse der Tagung abwarten. Es wird auf jeden Fall Diskussionen und Workshops zum deutschsprachigen Gastspieltheater und auch zu aktuellen kulturpolitischen und gesellschaftlichen Themen geben, um unsere Mitglieder auf den neuesten Stand zu bringen.

KMN: Auf der Tagung wird Prof. Harald Welzer eine Keynote zum Thema Zukunft halten. Herr Welzer ist ein anerkannter Sozialpsychologe und Professor für Transformationsdesign. Das verspricht einen interessanten Tagungseinstieg. Welche Visionen und Erkenntnisse erhoffen Sie sich von ihm?

CK: Herr Welzer kann aufrüttelnd darlegen, welche Herausforderungen auf uns zukommen und was das mit Blick auf unseren Kulturbetrieb bedeutet. Dabei ist es wichtig, Veränderungen nicht als Bedrohung, sondern als Chance zu begreifen. Als Verband sollten wir aus dem Konsens heraus handeln, dass wir neue Wege erkunden müssen, um zukunftsfähig zu sein.

KNN: Ein Thema, das die Zukunft auf jeden Fall beherrschen wird, ist das Schwinden oder Überaltern der Bevölkerung in ländlichen Räumen. Damit verändert sich auch der Stellenwert der kulturellen Infrastruktur. Welche Chancen sehen Sie hier für die INTHEGA als Vertretung vieler Theater in der Provinz?


CK: Ich glaube, dass Theater in der Provinz immer funktionieren wird, wenn man die Inhalte stärker an die Lebenswirklichkeit der Menschen anpasst. Ein Spielplan sollte Akteure zusammenbringen und interkulturelle Vernetzung sichtbar machen. Gastspieltheater ist da etwas schwerfälliger als feste Häuser, da die Akteure immer andere sind. Die zunehmende Mobilität der Menschen ist hingegen ein großer Vorteil für das kulturelle Erleben in der Provinz. Die Leute nehmen tatsächlich eine längere Anreise in Kauf, um eine gute Vorstellung zu besuchen. Das bedeutet, dass wir den Anspruch haben müssen, Leute aus einem großen Umkreis zu erreichen.

KMN: Ein weiteres Zukunftsthema ist die Digitalisierung. Der Aufbau einer digitalen Datenbank ist mit Sicherheit ein Anfang. Aber haben Sie da bereits weiter in die Zukunft gedacht? Gerade bei Theaterproduktionen, die mobil und flexibel sind, könnte man die Möglichkeiten der Digitalisierung noch effizienter einsetzen, als bei festen Häusern. Zum Beispiel könnten Sie per Livestream Theater in ländliche Räume bringen. Kostensparend für die Theaterlandschaft wäre das umso mehr.

CK: Diese Entwicklungen führen für uns zu weit. Darüber haben wir uns noch keine Gedanken gemacht.

KMN: In der Theaterlandschaft ist immer wieder von Kürzungen und Zusammenlegung die Rede. Wie kann sich das Gastspieltheater in diese Diskussion einbringen?

CK: Ich erlebe es in meiner dreijährigen Präsidentschaft immer wieder, dass feste Häuser auf mich zukommen und sagen, es gibt finanzielle Schwierigkeiten und wir überlegen, Gastspiel einzuführen. Diese Diskussionen finden inoffiziell statt, da sie eine Menge Sprengstoff bieten. Allerdings löst sich die Trennung zwischen Gastspiel und produzierendem Theater meiner Meinung nach bereits teilweise auf. Es gibt viele feste Häuser, die sich Gastspiele dazu kaufen. Und es gibt auch viele Gastspielhäuser, die selbst produzieren. Ich bin sicher, dass die Entwicklung der Zukunft sein wird, dass sich diese starren Grenzen weiter auflösen und es Mischformen im Theater geben wird.

KMN: Welche Rolle nimmt die INTHEGA bei diesem Prozess ein?

CK: Wir sind von verschiedenen Häusern angefragt worden, inwiefern man Gastspiel in feste Häuser integrieren könnte. Hier stehen wir gerne beratend zur Seite. Wir können darüber Auskunft geben, was das zum Beispiel für die finanzielle Situation des Hauses bedeuten würde. Ein produzierendes Theater kostet in der Unterhaltung jährlich rund fünfzehn Millionen Euro. Ein Gastspieltheater kostet die Stadt hingegen nur vier Millionen Euro. Eine Mischung von beiden Theaterformen könnte letztlich dazu beitragen, das föderale System der Theaterlandschaft zu erhalten.

KMN: Aber gilt das Erhalten der Theaterlandschaft um jeden Preis? Vertretungen und Verbände von Bühnenangehörigen kritisieren ja zu Recht, dass ein Arbeitsverhältnis im Gastspielsystem in der Regel mit einer schlechteren Einkommenssituation und erschwerten Arbeitsbedingungen einhergeht. Was tut die INTHEGA für die Betroffenen?

CK: Das ist in der Tat ein präsentes und schwieriges Thema. Dadurch, dass wir viele verschiedene Partner haben, mit denen wir arbeiten, also Staatstheater, Stadttheater, Landesbühnen, Tourneetheater, Freie Gruppe und Private Theater, gibt es quasi jedes Modell. In den freien Bereichen sind das vornehmlich GbRs und Vereine. Wie die ihre Arbeitsverhältnisse ausgestalten, darauf haben wir keinen direkten Einfluss. Es wird eine Zukunftsaufgabe sein, Einfluss auf diese Unternehmen auszuüben, damit die ihre Leute ordentlich bezahlen. Wir können allerdings nur darum bitten und unsere Meinung öffentlich dazu sagen.

KMN: Die INTHEGA ist beim Deutschen Städtetag vertreten, der als kommunaler Spitzenverband auch kulturpolitische Forderungen an die Bundespolitik herantragen kann. Mit welchen Themen und Argumenten versuchen Sie hier auf die Kulturpolitik einzuwirken?


CK: Unser Hauptargument ist, dass Kultur eine nicht zu unterschätzende wirtschaftliche Größe darstellt. Es gibt rund 900 Veranstalter im Gastspiel-Bereich, nicht alle von denen sind bei uns Mitglieder. Wir möchten uns mit unserem gesellschaftlichen Auftrag, den wir als Kulturakteur nachkommen, stärker in der Öffentlichkeit positionieren.

KMN: Ist es dann auch Ihre Aufgabe, die kulturelle Infrastruktur im ländlichen Bereich anzusprechen?
 
CK:Wir sehen das nicht punktuell, sondern insgesamt.

KMN: Haben Sie denn verlässliche Zahlen, mit denen Sie politisch überzeugen können?
 
CK: Ein Grund, die digitale Datenbank einzuführen, war tatsächlich, dadurch verlässliche Zahlen zu bekommen. Die Datenbank ermöglicht es natürlich auch, die Zahlen auszuwerten. Doch bis wir Ergebnisse vorweisen können, braucht es noch ein paar Jahre. So können wir die Effekte der Umwegrentabilität dann auch darlegen.
 
Die Jahrestagung der INTHEGA findet vom 2.-3. Mai in Schweinfurt statt. Weitere Informationen erhalten Sie hier.

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