20.10.2009

Autor*in

Dirk Heinze
Interview mit Bundesbeauftragten für Kultur und Medien

Verbesserung der Lage der Kunstler und Kulturschaffenden immer zuerst

Kulturmanagement Network sprach mit dem Beauftragten der Bundesregierung fur Kultur und Medien (BKM), Bernd Neumann, über die Initative der Bundesregierung in der Kultur- und Kreativwirtschaft.
KMN: Herr Staatsminister, die Initiative fur Kultur- und Kreativwirtschaft ist ressortubergreifend organisiert. Wie können sich unsere Leser die Zusammenarbeit zwischen dem BKM und dem Bundeswirtschaftsministerium vorstellen? Wohin beispielsweise wenden sich die Akteure mit ihren Fragen oder Förderanträgen?

Bernd Neumann: Die Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung wird von meinem Haus und dem Bundesministerium fur Wirtschaft und Technologie gemeinsam koordiniert. Einige andere Ressorts sind beteiligt, soweit sie fachlich betroffen sind beispielsweise das Bundesjustizministerium im Bereich des Urheberrechts. Alle wichtigen Maßnahmen werden von den dafur zuständigen Mitarbeitern meines Hauses und denen des Bundeswirtschaftsministeriums gemeinsam erarbeitet. Wo es passt, wird die konkrete Umsetzung aufgeteilt, wie bei den elf Branchenhearings etwa, die seit der Auftaktveranstaltung im Mai 2008 veranstaltet wurden. Davon hat einige mein Haus und andere das Bundeswirtschaftsministerium organisiert. Diese Veranstaltungen haben uns einen sehr guten Überblick uber die Strukturen, Herausforderungen und Bedurfnisse in den einzelnen Teilbranchen der Kultur- und Kreativwirtschaft Deutschlands gegeben. Bis zum Fruhjahr nächsten Jahres entwickeln meine Mitarbeiter und deren Kollegen aus dem Bundeswirtschaftsministerium auf dieser Grundlage eine systematische Strategie zu Stärkung der Kultur- und Kreativwirtschaft durch die Bundesregierung. Fragen und Anregungen können Interessierte an die Fachreferate beider Ressorts richten, die Kontaktdaten finden Sie im Internet. Die Förderung einzelner Kulturprojekte steht jedoch nicht im Zentrum unserer branchenubergreifend angelegten Initiative.

KMN: Haben Sie zu Beginn der Zusammenarbeit "kulturelle Unterschiede" unter den Mitarbeitern beider Häuser beobachtet, und welche gegenseitigen Lernprozesse haben möglicherweise stattgefunden?
 
BN: Ich wurde in diesem Zusammenhang eher von unterschiedlichen Perspektiven auf die Kulturwirtschaft sprechen, die in dem Umstand begrundet sind, dass professionelles kunstlerisches Schaffen Kultur- und Wirtschaftsguter zugleich hervorbringt. Im Mittelpunkt der Arbeit meines Hauses stehen naturlich die Förderung von Kunst und Kultur; deren wirtschaftliche Bedeutung ist mir wichtig, aber nicht erstrangig. Fur mich als Kulturstaatsminister kommt die Verbesserung der Lage der Kunstler und Kulturschaffenden immer zuerst, damit sie anspruchsvolle Kulturprodukte schaffen und von ihrer Kunst leben können. Sie stehen zudem am Anfang der so genannten Wertschöpfungskette und bilden den unternehmerischen Kern der Kultur- und Kreativwirtschaft. Die enge Zusammenarbeit mit dem Bundeswirtschaftsministerium im Rahmen der Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft hat gezeigt, dass sich die unterschiedlichen Perspektiven von Kultur und Wirtschaft nicht ausschließen, sondern zusammengenommen die Grundlage einer erfolgreichen Politik zur Stärkung der Kulturwirtschaft sind.
 
KMN: Was waren fur Sie persönlich die interessantesten Erkenntnisse aus den 11 Branchenanhörungen?

BN: Auf den Veranstaltungen mit den wichtigsten Vertretern der elf Teilbranchen wurde das große Interesse deutlich, den von uns begonnenen Dialog mit der Kulturwirtschaft auch in Zukunft fortzusetzen. Daruber hinaus gilt es, die Vernetzung der Teilmärkte voranzutreiben und bestimmte branchenubergreifende Fragen weiter zu vertiefen. Das gilt insbesondere fur die Bereiche Ausbildung, Qualifizierung und Finanzierung. Auch die besonderen Bedurfnisse von Klein- und Kleinstunternehmen und ihre Stärkung sind ein wichtiges Thema, das alle Teilbranchen der Kultur- und Kreativwirtschaft durchzieht.
 
KMN: Unter den Vertretern der öffentlich geförderten Kulturbetriebe ist vermehrt die Befurchtung zu vernehmen, dass mit Ihrer Initiative deren Fördermittel mittelfristig gekurzt oder zumindest zugunsten privater Kulturunternehmen verlagert werden könnten. Ist diese Sorge berechtigt? Ändert der Bund hier seine Förderstrukturen?

BN:Nein. - Ich möchte an dieser Stelle noch einmal ganz klar sagen, dass mein Einsatz fur die Kultur- und Kreativwirtschaft auf gar keinen Fall auf Kosten der öffentlich geförderten Kultur geht die Steigerung des Etats des Beauftragten der Bundesregierung fur Kultur und Medien ist dafur der beste Beleg. Öffentlich geförderte und gewerbliche Kultur lassen sich nicht gegeneinander ausspielen. Im Gegenteil: Beide sind eng miteinander verbunden und ergänzen sich höchst erfolgreich.
 
KMN: Ziel der Initiative ist, der Kultur- und Kreativwirtschaftsbranche wirtschafts- und beschäftigungspolitisch die gleiche Anerkennung zu geben, wie sie den etablierten Wirtschaftszweigen zuteil wird. Wie wurden Sie dieses Ziel konkreter fassen?
 
BN: Ein wichtiges Ziel unserer Initiative ist es, die Kultur- und Kreativwirtschaft als eigenständiges Feld staatlicher Kultur- und Wirtschaftspolitik zu etablieren. Die kulturpolitische und volkswirtschaftliche Bedeutung dieser Branche ist unbestritten. Deshalb gebuhrt ihr gerade auch von staatlicher Seite dauerhaft die gleiche Aufmerksamkeit, wie sie andere Branchen, etwa die Automobilindustrie, gewohnt sind. Dem dient unsere Initiative und dem dient zum Beispiel das eigenständige Referat Kulturwirtschaft, das ich in meinem Hause dafur eingerichtet habe. Wenn es etwa bei öffentlichen Programmen der Wirtschaftsförderung Zugangsbarrieren fur Unternehmen der Kulturwirtschaft gibt, dann mussen wir diese beseitigen. Dafur werden wir die kulturwirtschaftlich relevanten Programme des Bundes einer eingehenden Prufung unterziehen. Kurz: Die Beachtung der besonderen Bedurfnisse der Kultur- und Kreativwirtschaft sollen auf eine dauerhafte institutionelle Basis gestellt werden.

KMN: Aufbauend auf den Empfehlungen des Forschungsberichtes zur Kulturwirtschaft sowie den Erkenntnissen aus der Serie von Branchenhearings möchte die Bundesregierung konkrete Maßnahmen zur weiteren Stärkung der Kultur- und Kreativwirtschaft entwickeln und umsetzen. Im Vordergrund sollen Aktivitäten zu Beratung und Coaching von Kreativen sowie zur Vernetzung der Branche stehen. Wird man sich dabei dauerhaft allen Teilmärkten widmen können, oder wollen Sie sich gezielt auf einzelne Märkte mit den größten Potenzialen konzentrieren?

BN: Eines unserer zentralen Vorhaben ist die Heranfuhrung von Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft an bestehende staatliche Förderprogramme. Dies soll durch den Aufbau eines Netzwerkes geschehen, das dafur gleichsam eine Lotsenfunktion ubernehmen wird. In diesem Zusammenhang planen wir ergänzend ein Expertennetzwerk, in dem branchenkundige Experten zielgenaue Unterstutzung anbieten und insbesondere Klein- und Kleinstunternehmen der Branche dabei helfen können, etwa Markterschließungen vorzubereiten oder Produktionsprozesse zu verbessern. In erster Linie sollen unsere Maßnahmen allen Teilbranchen dieses Wirtschaftszweiges zu Gute kommen. Eine Konzentration auf einzelne Märkte haben wir im Rahmen unserer Initiative nicht vor.

KMN: Besteht die Gefahr, dass durch die gegenwärtige Betonung auf wirtschaftliche Dimensionen von Kultur auch Aspekte wie Bildung ausschließlich auf ihre ökonomische Verwertbarkeit hin beurteilt werden?

BN: Auf diese Frage möchte ich mit einem klaren Nein antworten: Kunst, Kultur und Bildung haben ganz unabhängig von ihrer ökonomischen Bedeutung einen Eigenwert, auf den unsere Gesellschaft nicht verzichten kann. Dieser Eigenwert und nicht eventuelle wirtschaftliche Erträge ist das Motiv meines Einsatzes fur die Kultur.

KMN: Kultur ist Ländersache das wird immer wieder betont. Nun engagiert sich der Bund mit konkreten Maßnahmen in der Kultur- und Kreativwirtschaft. Wie kann eine effektive Zusammenarbeit zwischen beiden politischen Ebenen erreicht werden?

BN: Die Zusammenarbeit von Bund und Ländern ist im Rahmen der Initiative ausgezeichnet. Bei den von uns in den Ländern durchgefuhrten Branchenveranstaltungen haben wir sehr kollegial und erfolgreich mit den fur Kulturwirtschaft zuständigen Ressorts der jeweiligen Landesregierung zusammengearbeitet. Das wird auch in Zukunft so bleiben.

KMN: Welche Impulse könnte die Kultur- und Kreativwirtschaft der gesamten Wirtschaft verleihen? Ist die Euphorie, die bei diesem Thema zu spuren ist, wirklich gerechtfertigt?

BN: Die Kultur- und Kreativwirtschaft hat schon fur sich genommen eine große volkswirtschaftliche Bedeutung, die mit 63 Milliarden Euro jährlicher Bruttowertschöpfung in etwa zwischen der der Automobil- und Chemieindustrie liegt. Im letzten Jahr waren in dieser Zukunftsbranche etwa 1 Million Menschen beschäftigt. Daruber hinaus ist meines Erachtens ihr Einfluss auf die Entwicklung und Vermarktung neuer Produkte und Dienstleistung, auf die Innovationsfähigkeit unseres Landes insgesamt, nicht zu unterschätzen. Die Kreativität der Menschen oftmals auch ihre technologische Kreativität steht in einem engen Verhältnis zu Kunst und Kultur. Die Europäische Kommission hat erst kurzlich zu genau diesem Zusammenhang, der Bedeutung von Kultur und Kreativität fur die Wirtschaft, eine anregende Studie vorgelegt (Es handelt sich um die Studie: KEA European Affairs: The Impact of Culture on Creativity. A Study prepared for the European Commission, June 2009.).

KMN: Herr Staatsminister, vielen Dank fur das Gespräch!
 

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