21.11.2013

Autor*in

Leonie Krutzinna
studierte Skandinavistik und Literaturwissenschaft an der Georg August-Universität Göttingen.
Rückblick 4. Viadrina Kulturmanagement Symposium 2013

Was nützt das Kunstwerk im Museum

... wenn niemand kommt und es anschaut? Oder ein Theaterensemble, das vor leeren Rängen spielt? Auf dem 4. Viadrina Kulturmanagement Symposium am 15. und 16. November 2013 in Frankfurt/Oder und Berlin richteten die ReferentInnen und TeilnehmerInnen deshalb ihr Augenmerk auf neue Strategien der Kulturvermittlung. Dabei wurden unter dem Titel Kunstvermittlung 2.0: Neue Medien und ihre Potenziale schwerpunktmäßig Aspekte der Besuchergewinnung, Besucherentwicklung und Besucherbindung durch die Neuen Medien erörtert.
BesucherInnen von Kultureinrichtungen wird nicht länger die Rolle von Kulturkonsumenten, sondern jene von Prosumenten zuteil, die selbst aktiv am künstlerischen Geschehen und dem Vermittlungsprozess teilhaben. Wie auch die strikte Trennung von Bühne und Zuschauerraum im Theater als überwunden gilt, wird Partizipation und Interaktion ebenso im Museum und anderen kulturellen Institutionen angestrebt, denn schließlich gilt es für die Kultur, ihren Platz in der Freizeitgestaltung der Menschen zu behaupten, Individuen zu begeistern und sie zu Multiplikatoren zu machen.

Interaktion und Partizipation

Die Neuen Medien können bei der Kulturvermittlung vor allem auf zwei Ebenen eingesetzt werden. Zum Einen umfassen sie Online-Anwendungen, in denen neben der Interaktion die Partizipation der NutzerInnen selbst im Vordergrund steht, wie etwa bei Blogs oder Mikroblogs (z.B. der Kurznachrichtendienst Twitter), bei Content Communities (z.B. YouTube, Instagram oder auch Pinterest) oder schließlich durch Soziale Netzwerke wie Facebook als bekanntestes Beispiel.

Zum Anderen können die Neuen Medien im Kunst- und Kulturbetrieb auch als Entwicklungen des mobilen Web nützlich sein, hier dann vor allem als Anwendung auf Tablet-Computern oder Smartphones. Bekannte Erscheinungsformen sind z.B. QR-Codes: Als Weiterentwicklung des Barcodes findet man sie häufig auf Plakate gedruckt, wo sie Informationen kodieren, z.B. die URL einer Webadresse, über die weiterführende Informationen bereitgestellt werden. Mit einer entsprechenden App kann der QR-Code gescannt und die verschlüsselten Informationen auf dem mobilen Gerät dekodiert werden. Der Effekt: Die NutzerInnen werden nicht mit Textmassen erschlagen und darüber hinaus durch den Rätselcharakter der Codes neugierig gemacht.

Vom Konsumenten zum Prosumenten

An der gastgebenden Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder wurden diese Tools der Kunstvermittlung 2.0 vorgestellt, diskutiert und auf ihre Praxistauglichkeit hin untersucht. Dazu konnte die Leiterin des Studiengangs Kulturmanagement und Kulturtourismus, Prof. Dr. Andrea Hausmann, mit der Berlinischen Galerie nicht nur einen Kooperationspartner direkt aus der Praxis gewinnen, sondern akquirierte darüber hinaus als Keynote Speaker KulturmanagerInnen, deren Arbeitsalltag sich in Museen und kulturnahen PR-Agenturen abspielt. Gleichermaßen repräsentiert waren auch aktuelle Positionen der akademischen Forschung im Bereich Kulturvermittlung und Besucherforschung durch VertreterInnen von der Universität Hildesheim und der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg.

Den Status Quo der Kulturvermittlung referierte einführend Prof. Dr. Birgit Mandel von der Universität Hildesheim. Unter dem Stichwort des Interkulturellen Audience Development betonte sie die Signifikanz einer Neubewertung von Kulturvermittlung und kultureller Bildung. Der Kulturbetrieb müsse repräsentativer für die Gesellschaft sein, dazu gilt es nicht nur ein neues Publikum zu gewinnen, sondern den Kulturbegriff selbst zu dekonstruieren und transformieren. Erste Ansätze hierzu werden in verschiedenen Kultureinrichtungen und vor allem deren pädagogischen Betreuern bereits umgesetzt, aber die nach wie vor bestehende Aktualität des Themas zeigt, dass eine Professionalisierung in diesem Bereich dringend erforderlich ist.

Das erste gemeinsame Ziel war folglich schnell definiert: Besuchergewinnung und Besucherbindung geschieht vor allem durch die Aktivierung und direkte, offene und kreative Ansprache des im besten Fall gut erforschten Publikums. Aber reicht es dafür, einen Facebook-Account für das Museum anzulegen und via Twitter über die anstehende Ausstellungseröffnung zu informieren?

Erzählstrategien als Vermittlungsform

Zwar ermöglichen die Neuen Medien Partizipation der NutzerInnen, sie führen aber nicht automatisch Interaktionen herbei. Oder um ein Bild der Kulturmanagerin und Kommunikationsberaterin Karin Janner aufzugreifen wer sich auf einer Party langweilt, geht nach Hause heißt im Netz: klickt weg und die Museumsseite vegetiert wenig frequentiert und statisch vor sich hin.

Deutlich wurde beim Kulturmanagement Symposium, dass erfolgreiche Social Media-Konzepte nicht vom Medium abhängen, sondern von den Erzählstrategien, durch die der Content vermittelt wird. Nicht jeder Inhalt eignet sich gleichermaßen, um durch Twitter, Facebook, YouTube etc. promotet zu werden. Sebastian Hartmann von der elbkind GmbH führte in seinen Ausführungen zum Thema Storytelling das Bild der Cowboys am Lagerfeuer vor Augen: Eine Geschichte ist gut, wenn sie spannend ist, wenn sie fesselt und weitererzählt wird.

Multiplikatoren-Effekt durch Individualität

Wie solche Multiplikatoren-Effekte in der Praxis erfolgreich realisiert werden konnten, zeigten im Lauf des Symposiums Marketing-Expertinnen mit Best-Practice-Beispielen aus dem Jüdischen Museum Berlin, vom Museum Kunstpalast Düsseldorf und der Berlinischen Galerie. In Düsseldorf erzielte beispielsweise die Kampagne El Greco und die Moderne + du mit Bildpatenschaften eine extrem hohe Reichweite in den Sozialen Medien. Das Ziel: Jeder Pate sollte sein Bild online wie offline möglichst erfolgreich promoten. Gemessen wurde der Erfolg in Facebook-Likes, wer die meisten sammeln konnte, durfte sich auf eine Reise auf den Spuren El Grecos freuen. Durch die enge Korrelation der eigenen Person mit dem künstlerischen Objekt haben die Bildpaten das Ausstellungskonzept enorm individualisiert und gerade dadurch zum Publikumsmagneten gemacht.

Zugegebenermaßen setzt ein solches PR-Konzept eine solide finanzielle Basis voraus. Doch über Gelingen oder Misslingen entscheiden nicht zwangsläufig kommerzielle Parameter. Als Erfolgsrezept ihrer PR-Konzepte nannten alle ReferentInnen nicht nur die Überwindung der Trennung zwischen Distribuenten und Rezipienten, sondern betonten auch die Signifikanz betriebsinterner und abteilungsübergreifender Diskussionen über den Online- und Offline-Auftritt der Häuser. Synergieeffekte entstünden dann, wenn Presse, Marketing und Kulturvermittlung kooperierten. Auch alle anderen Abteilungen lassen sich gerade über die Sozialen Medien gut einbeziehen, da man durch sie einen spannenden Blick hinter die Kulissen eines Museums oder Theaters, in die Werkstatt, die Restauration, die Kantine usw. werfen kann. Im Netz können Kultureinrichtungen das zeigen, was auf den Ausstellungsflächen und Bühnen nicht zu sehen ist.

Nützlich sein oder Spaß machen

Etwas im Blick zu haben, was eigentlich nicht da ist das ist auch das Konzept der Augmented Reality. Quasi als zweite Realitätsebene können BesucherInnen mithilfe der Smartphone-Kamera und einer auf dem Gerät installierten App multimediale Zusatzinformationen zu einem Exponat oder einer ins Visier genommenen Oberfläche abrufen. Davon, dass dieses Konzept die Kulturvermittlung nachhaltig verändern wird, zeigte sich der Geschäftsführer der Pausanio GmbH & Co. KG, Prof. Dr. Holger Simon, überzeugt. Die Apps müssen Spaß machen oder nützlich sein, so Simon. Wenn sich die Kunstvermittlung 2.0 dadurch auf den Smartphones oder Tablets einnisten kann und per Push-Benachrichtigung über neue Ausstellungen und Aktionen informiert, ist eine langfristige Besucherbindung möglich. Da auch von Besucherseite die Rufe nach Apps und anderen Formen der digitalen Zusatzinformationen immer lauter werden, bieten viele Kultureinrichtungen diese bereits an. Dabei gibt es verschiedenste Herangehensweisen, von erweiterten oder thematischen Führungen bis hin zu gaming-Varianten wie Schnipseljagden. Ein schlichte Informations-App ist jedoch am weitesten verbreitet wohl auch, weil sie preislich die günstigste Einsteiger-Lösung auch von Seiten der Kultureinrichtung ist.

Fraglich bleibt noch, ob Audioguides, Apps und Co durch ihre aufwändig computergenerierten Zusatzinformationen das eigentliche Original in den Schatten stellen. Dem ist entgegenzuhalten, dass der auratische Charakter eines Exponats digital kaum kopiert werden kann. Vielmehr unterstreicht das multimediale In-Szene-Setzen die Exklusivität des Originals. Multimedia im Museum habe, so Edda Grotrian vom Jüdischen Museum Berlin, die Aufgabe zu vertiefen, zu veranschaulichen und individuelle Wege zu ermöglichen.

Keine Konkurrenz von Objekt und Medium


Obgleich Konsens darüber bestand, dass durch die Neuen Medien keine Konkurrenz zum Objekt selbst angestrebt wird, wurde die Einbindung des Web 2.0 in der Kunstvermittlung von den TeilnehmerInnen keineswegs unkritisch gesehen. Infrage gestellt wurde etwa die Input-Output-Relation, d.h., wie sich der Aufwand in der Konzeption einer Anwendung in Relation zu den Nutzerzahlen verhält. Es gilt also nicht nur die technischen Innovationen in den Blick zu nehmen, die TeilnehmerInnen zeigten ebenso großes Interesse an sinnvollen Analyse- und Evaluationstools.

Auch gibt es kein Erfolgsrezept, wie Marketingstrategien finanziert werden sollen, die auf den Neuen Medien basieren. Häufig lassen straffe und lang im Voraus aufgestellte Haushaltsplanungen keinen Spielraum, um die Möglichkeiten der schnell fortschreitenden technischen Entwicklungen voll auszunutzen. Sebastian Hartmann appellierte hier, sich um eine möglichst effektive Ressourcennutzung zu bemühen und auch einmal die Sinnhaftigkeit von Katalogdrucken, Flyern, Plakataktionen etc. zu überdenken, die längst nicht mehr alle und kaum mehr die jungen Zielgruppen erreichen können, aber durch Druckkosten u.Ä. einen hohen Kostenaufwand mit sich bringen. Hingegen kann, wie Etta Grotrian betonte, das Internet die Museumsaktivität sinnvoll erweitern: ortsunabhängig, zielgruppenspezifisch, erzählend und zur Partizipation einladend.
 
Die Facebook-Dikussionsgruppe ist hier zu finden.

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