30.01.2009

Autor*in

Dirk Heinze
Anja Schwarzer
studierte in Halle und Sarajevo Interkulturelle Europa- und Amerikastudien sowie Betriebswirtschaftslehre an der FernUni Hagen. In ihrer Zeit in Weimar betreute sie u.a. als wissenschaftliche Assistenz die AG Kulturkonzept der Landeshauptstadt Erfurt. Neben Ihrer Tätigkeit als Referentin bei KMN studiert sie berufsbegleitend CrossMedia an der FH Magdeburg-Stendal.
Rückblick 2. Arbeitsmarktkonferenz Kultur und Medien 2008

Erfolgsfaktoren für die Kreativwirtschaft

Rückblick auf die 2. Arbeitsmarktkonferenz Kultur und Medien in Köln. Die Frage, welche Chancen und Risiken sich mit der Entwicklung in der Kultur- und Kreativwirtschaft konkret für den Arbeitsmarkt ergeben, scheint zwar nahe liegend, ist aber bisher kaum auf Veranstaltungen thematisiert worden. Umso freudiger nahm Kulturmanagement Network am 22.10.2008 auf der 2. Arbeitsmarktkonferenz für Medien und Kultur in Köln zur Kenntnis, dass zumindest einige Regionen die Zeichen der Zeit erkannt haben.
Gerade in jüngster Zeit, wo die vielen Tagungen und Kongresse dem Thema Kultur- und Kreativwirtschaft wenig neue Aspekte abgewinnen können, ist man dankbar, wenn nicht nur die Politik oder die Forschung unter sich bleibt, sondern man bewusst Kulturschaffende und Kreative einlädt, sich über die Chancen und Risiken einer Existenzgründung zu informieren und in den Dialog untereinander zu treten. Die durch die SK Stiftung ausgerichtete Arbeitsmarktkonferenz war ausschließlich auf den Raum Köln/Bonn fokussiert, wäre aber so auch in vielen anderen Regionen denkbar.
 
Dr. Friedrich Gnad vom Planungsbüro Stadtart aus Dortmund zog eine interessante Bilanz der Ergebnisse von Kulturwirtschaftsberichten, die für das Land NRW und jüngst auch für einzelne Städte wie Aachen, Köln oder Dortmund erstellt wurden. Zuvor brachte Gnad die notwendige begriffliche Klarheit in das Thema und erklärte u.a. den Unterschied zwischen vorgelagerten (z.B. Musikinstrumentenhersteller) und nachgelagerten Bereiche (Tonträgerindustrie oder Antiquariate). Nach seinen Aussagen habe man sich in diesem Jahr endlich unter den Bundesländern auf ein einheitliches Grundmodell zur Erfassung der Kultur- und Kreativwirtschaft geeinigt. Eine gewisse Skepsis bleibt bei diesem Punkt allerdings bei vielen Beobachtern zurück, da die entsprechend involvierten Ministerien aufgrund ihrer historisch gewachsenen kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklung im Bundesland eher zu Abgrenzungen neigen, als sich zu sehr nach einheitlichen Standards zu richten. Nach Meinung des Referenten war es zumindest nachteilig, dass mit der Vereinheitlichung "nicht alle spezifischen Dinge in der Wertschöpfungskette erfasst" werden. Erhellend war der Hinweis von Friedrich Gnad, dass die Kultur- und Kreativwirtschaft eine "Vorreiterrolle im Wandel von Beschäftigungsformen" einnimmt. Die starke Zunahme an Freiberuflern und nicht sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten wird allerdings nicht von allen Beteiligten gut geheißen. Dies dürfte insbesondere damit zu tun haben, dass nicht alle Existenzgründungen der letzten Jahre auf ganz freiwilliger Basis heraus entstanden sind. Die unselige Konstruktion der Ich-AG mit falschen Anreizen und mangelnder Beratung hat gerade viele Kulturmanager in Abenteuer geschickt, die nicht auf einer soliden Abschätzung des Marktes beruhte. Positiv in Zeiten einer Rezession ist hervorzuheben, dass die kleinbetriebliche Struktur (laut Gnad 95% Klein- und Kleinstbetriebe) dieser Branche vor einem Abschwung schützt. Ganz im Gegenteil: die Kultur- und Kreativwirtschaft wird offenkundig eine der wenigen Branchen sein, die von der Rezession kaum betroffen sein wird. Erfolgreiche Regionen zeichnen sich durch Clusterbildung aus, also räumliche Konzentration von Branchen, Wertschöpfungsketten, Ausbildungseinrichtungen wie z.B. Hochschulen, regionale wie überregionale Vernetzungen sowie eine hohe Spezialisierung.
Leider schenkte Friedrich Gnad entweder aus Zeitgründen oder aufgrund seiner Herkunft aus der Stadt- und Raumplanung kaum den ideellen Erfolgsfaktoren Beachtung. Faktoren wie Kompetenzen der handelnden Akteure (Aus- und Weiterbildung) oder das Zulassen freier künstlerisch-kreativer Prozesse sind aber Grundvoraussetzung für die Entstehung einer Kulturund Kreativwirtschaft. Folgerichtig kam später auch aus dem Publikum die Nachfrage, wie eine kreative Atmosphäre denn aussähe, damit sich Kreative ansiedeln oder dort blieben. Hierzu könnten kaum Kulturwirtschaftsberichte Antworten liefern. Kölns Kulturamtsleiter Dr. Konrad Schmidt-Werthern reagierte darauf mit der Bemerkung, dass man nicht zu viel von solchen Berichten oder auch der Stadt selbst erwarten könne. Eine weitere Publikumsäußerung ging auf das Problem ein, dass man in dieser Stadt anscheinend schlecht untereinander vernetzt sei. Die Vertreter der eher technischen Berufe agierten nach seiner Einschätzung parallel zu denen der künstlerischen Sparten, da keiner die Tätigkeit der anderen verstünde aufgrund unterschiedlicher Sprachen und z.T. anderer Ziele.
Peter Welters, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Köln, gewährte anschließend Einblicke in den Arbeitsmarkt für Kultur- und Medienschaffende in seiner Stadt. Nach seiner Statistik liegt man mit den Beschäftigungszahlen in diesem Berufsbereich auf dem 2. Platz hinter München.
Die Arbeitslosigkeit ging in den drei Jahren des wirtschaftlichen Aufschwungs mit etwa 40% überdurchschnittlich zurück (alle Branchen: ca. 20%). Daher überrascht kaum, dass wenig Nachwuchsprobleme herrschen und bereits ein starker Wettbewerb um diese Köpfe eingesetzt hat. Damit ist auch der Beweis erbracht, dass Kulturschaffende und Kreative nicht nur für das Image einer Stadt oder Region wichtig sind, sondern auch eine große ökonomische Bedeutung besitzt. Welters machte insbesondere auf drei Probleme aufmerksam. Zum einen gibt es die stärksten Abwanderungstendenzen in der Lebensphase, wo sich Familien gründen (Settle-Down-Phase). Darunter leiden insbesondere viele Hochschulstandorte, denen es nicht gelingt, wirtschaftlich oder infrastrukturell auch für junge Familien attraktiv zu sein. Zum zweiten sind die gegenwärtigen Tarif- und Arbeitsverträge nach wie vor auf die Normalarbeit, nicht aber auf die flexiblen Beschäftigungsverhältnisse gerade in der Kultur- und Kreativwirtschaft ausgerichtet. Zum dritten können notwendige Weiterbildungsangebote nicht angenommen werden, weil der eigene Lebensunterhalt nicht gesichert ist. Hier darf man sich durchaus Angebote von Seiten der Politik vorstellen.
Nachdem die anschließende Diskussion kein größeren Erkenntnisgewinne brachte, wurde man im weiteren Verlauf des Tages mit vier Foren konkret. Im ersten Forum wurde danach gefragt, woher die Fachkräfte für die Branche kämen. Hier tat sich Mechthild Kaub, eine freie Beraterin im Bereich Film und Fernsehen, positiv hervor. Das Thema Personalentwicklung sei eher noch selten, eher noch bei Nachwuchsunternehmen anzutreffen. Insofern stellten sich die Beteiligten auf dem Podium schon die Frage, ob Nachhaltigkeit ein Anspruch in dieser Branche sei, der überhaupt erfüllbar ist.
Kaub bezog sich dann auf das Bild einer Eisscholle, bei dem die Kultur- und Medienleute von Projekt zu Projekt springen und dabei dringend auf Märkte oder Plätze angewiesen seien, wo sie sich vernetzen und informieren können. Produktionsfirmen, die nach Abschluss eines Projekts nicht wissen, ob es ein Anschlussprojekt gibt, können nicht fest einstellen, ergänzte Jutta Klebon von der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Für sie sei es "eher ein soziales Problem, dass man ab einem gewissen Alter nicht jedem Projekt hinterher hecheln kann". ver.di habe nach ihrer Einschätzung längst akzeptiert, dass ein Großteil der Freiberufler bewusst diese Anstellungs- und Lebensform wählt. Schließlich habe es bereits vor 20 Jahren im Druck und Verlagsbereich Freiberufler gegeben. Wout Nierhoff (Eyes & Ears of Europe) meinte hingegen, dass insbesondere Talente durchaus von Unternehmen fest gebunden werden. Wenn Kreativität und fachliche Kompetenz zusammen kommen, pflichtete Michael Schulz (l'image television) ihm bei, werden sie in der Branche, die "nicht nur in der Außendarstellung schillert", auch langfristig erfolgreich sein. Mechthild Kaub könnte sich hier insbesondere Begleitzirkel für Selbstständige vorstellen, die ein ausgesprochen flexibles Instrument seien und in der Praxis jungen Kultur- und Medienunternehmern sowie Quereinsteigern aus älteren Generationen nützen.
Das Podium der zweiten Veranstaltung setzte sich aus einer Mitarbeiterin des Schulverwaltungsamts Köln sowie freien Künstlern, Projektleitern und Autoren zusammen. Exemplarisch wurde das Konzept "Kultur und Schule" vorgestellt, welches Kultur unterrichtet von Künstler und Musikern ganztägig an Schulen einbinden soll. Ein Projekt, das von beide Seiten gut angenommen wird, jedoch auch eins klar macht: hier geht es um Schulförderung, nicht um Künstlerförderung. So trat die eigentliche Fragestellung "Neue Geschäftsmodelle durch kulturelle Bildung?" schon nach kurzer Zeit in den Hintergrund und wich einem eher existenziellen Problem: die soziale Absicherung. So musste auch Annette Gröschke von der Kölner Stadtverwaltung eingestehen, dass die Masse der qualifizierten Bewerber den Stundenpreis drücken. Leider scheint keine Verbesserung in Sicht. Und so wird zum Schluss dann doch noch über alternative Geschäftsmodelle gesprochen.
Selbstständigkeit als Ausweg. Die Autorin Barbara Zoschke geht mit gutem Beispiel voran: als Vorleserin in Schulen.
Das dritte Forum ging auf die Ökonomie der Selbstständigkeit. Hier musste Dr. Ulrich S. Soénius von der IHK Köln zugeben, dass man sich in der Vergangenheit in seinem Haus mit dem Thema Kultur als Feld für Existenzgründungen nicht beschäftigte. Während man noch immer Künstlern, die sich selbstständig machen wollen, kaum helfen könne, habe man in letzter Zeit einen Umdenkungsprozess eingeleitet und sich notwendiges Wissen über die Funktionsweise der Kultur- und Medienbranche angeeignet. Dies scheint auch bitter nötig - man mag sich kaum ausmalen, in wie vielen Regionen die Industrie- und Handelskammer als Anlaufstelle für diesen immer wichtiger werdenden Sektor weiterhin ein Totalausfall ist. Andreas Bruenjes, Leiter der GründerCenter der Sparkasse KölnBonn, wies darauf hin, dass sein Haus nur Rendite orientierte Unternehmen fördere, was im Grunde auch verständlich ist, aber auch Klarheit über das Rollenverständnis zwischen Banken und öffentlicher Förderung voraussetzt. Nach Auskunft von Jochen Hellmann, Förderberater bei der NRW-Bank, gibt es derzeit keine spezialisierten Gründerprogramme für bestimmte Branchen. Außerdem hätte die Existenzgründung mehr Facetten als die der Finanzierung. Die Förderprogramme werden im übrigen über die eigene Hausbank beantragt. Sylvia Hustedt, Geschäftsführerin vom Gründerzentrum Kulturwirtschaft in Aachen, gab zu Bedenken, dass sich Kulturschaffende von den herkömmlichen Beratern nicht angesprochen fühlten. Umso mehr kämen junge Kulturunternehmen auf ihre Einrichtung zu und würden dann bei der weiteren Professionalisierung unterstützt, wobei sie die Rolle ihres Gründerzentrums weniger in der eines Beraters, sondern vielmehr der eines Übersetzers und Reflektierers sieht. Nach ihrer Beobachtung der letzten Jahre überwiegen bei den Gründern die intrinsische Motive wie der Wunsch nach Selbstverwirklichung, nicht das vordringliche Ziel des Geldverdienens.
Im letzten Forum ging man der Frage nach, inwieweit Universitäten ihre Studenten auf den Arbeitsmarkt vorbereiten. Die Vertreter der Hochschulen auf dem Podium waren sich schnell einig: Hier stehen sich künstlerische Selbstständigkeit und Orientierung am Markt gegenüber. Den Studenten ist bewusst, dass das ein Kampf wird, dennoch fällt ihnen unternehmerisches Handeln schwer. So können Kompetenzen (wie z.B. Finanzierung, Management) demnach nicht nur durch Kurse vermittelt werden sondern vor allem durch Projektarbeit. Vernetzung, Weiterbildung und als Alternative die Unternehmensgründung sind weitere Schlagwörter, die klar zeigen, dass die (hier anwesenden) Hochschulen für Medien ihre Rolle als Wegweiser in die Zukunft der Arbeitsmärkte angenommen haben. Es wäre wünschenswert, wenn auch die Universitäten und Hochschulen der klassischen Künste diesem Beispiel folgen würden. Die Verantwortung aber liegt letztendlich bei jedem Einzelnen.
Und damit schloss sich der Kreis, denn die Kultur- und Kreativwirtschaft hat sich lange durch das Engagement der einzelnen Akteure gut entwickelt, ohne dass die Politik oder öffentliche Institutionen eingegriffen haben. Bessere Rahmenbedingungen kann man sich immer vorstellen, und vieles wird derzeit auf Länder- und Regionalebene in Deutschland, Österreich und der Schweiz unternommen. Solche Veranstaltungen wie die der SK Stiftung und der Stadt Köln Ende Oktober sind in jedem Fall ein wichtiger Beitrag für das Ziel, besser informiert und vernetzt zu sein. Man darf gespannt sein, ob auch andere Städte und Regionen diesem Trend folgen. Aber auch darauf, was die 3. Arbeitsmarktkonferenz im kommenden Jahr bringt. Hoffentlich auch eine stärkere Einbeziehung der Kultur, die bisher deutlich gegenüber den Medien unterrepräsentiert war.
 

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