12.11.2008

Autor*in

Dirk Heinze
Rückblick 5. Jahrestagung Kulturwirtschaft 2008

Kulturwirtschaft bleibt Lieblingsthema der Politiker

Die zum 5. Mal in Berlin veranstaltete Jahrestagung Kulturwirtschaft darf zumindest aufgrund des hohen Publikumszuspruchs als Erfolg bezeichnet werden. Mehr als 250 Teilnehmer sowie 40 Referenten fanden sich am 17.10. im Eugen-Gutmann- Haus der Dresdner Bank am Brandenburger Tor ein.
Außer der Feststellung, dass die Kulturwirtschaft weiterhin ein dynamisches Feld ist, blieben allerdings einige Fragen unbeantwortet. Vor allem die nach dem Ziel all dieser politischen Initiativen. Bernd Neumann (CDU), Staatsminister für Kultur und Medien, verbreitete in seinem Grußwort viele gute Botschaften in die Runde. Die Förderpolitik habe sich in den letzen Jahren verändert. Der Kultursektor sei nicht länger nur Zuwendungsempfänger, sondern auch Wirtschaftsmotor. Europa habe sich mit 4,7 Mill. Erwerbstätigen hier neben den USA und Asien als eines von drei globalen Handelszentren für die Kulturwirtschaft entwickelt. Innerhalb Europas verfügt wiederum Deutschland über die größte Kulturwirtschaft. Unternehmen machten hierzulande 124 Mrd. Euro Umsatz, wobei der Hinweis des Ministers auf die auch wegen der ästhetischen Überzeugungskraft verkauften Autos verriet, dass hier viel kreative Buchführung - Entschuldigung - Ökonomie im Spiel war.
 
Nach Ansicht Neumanns trägt die Kulturwirtschaft dazu bei, die soziale Situation von Künstlern und Kulturschaffenden zu verbessern. Er fügte eilig hinzu, dass die öffentliche Kulturförderung weiterhin unverzichtbar sei. Sein Vorwurf an die Adresse der Vereinigten Staaten, bisher nicht der UNESCO-Konvention beigetreten zu sein, blieb von ihm unbegründet. Vor 1,5 Jahren als völkerrechtliche Grundlage für das Recht aller Staaten auf eine eigenständige Kulturpolitik in Kraft getreten, konnte Neumann nicht schlüssig erklären, welche konkreten Errungenschaften die beigetretenen Staaten bisher vorweisen können. Die bloße Anerkennung der Doppelnatur von Kulturgütern als Ware und gleichzeitig Verkörperung von Werten ist wohl kaum ausreichend. Spätestens die These des Kulturstaatsministers, dass die aktuelle Finanzkrise beweist, wie riskant es sei, der UNESCO-Konvention nicht beigetreten zu sein, da Opern und Museen in den USA zusammen brächen, lief aufgrund fehlender Belege einfach ins Leere. Der vermeintliche Schutzschirm der UNESCO für die hiesigen Kultureinrichtungen dürfte sich rasch als grobmaschig erweisen. Bernd Neumann ist aber überzeugt, dass Museen und Theater dank der öffentlichen Förderung zuversichtlich in die Zukunft blicken können. Als Beweis lieferte er dann doch lieber das Beispiel Filmförderung, bei der 1 Mill. Subvention Folgeinvestitionen in 6-facher Höhe hervorgebracht hat. Dass diese Filme selten international eine Rolle spielen, erwähnte er wohlweislich nicht.
 
Neumann verwies danach zurecht auf den Erfolg der Initiative Musik, die junge Künstler, darunter die Hälfte mit Migrationshintergrund, unterstützt und dabei auch auf die Entwicklung der Infrastruktur setzt. Individuelle Lösungen seien gefragt, so der Kulturstaatsminister am Ende seiner Rede, da viele Betriebe aus Einzelkämpfern bestehen. Ihm läge die Verbesserung der Lage der Kulturschaffenden ganz besonders am Herzen.
Schließlich stünden diese Künstler am Anfang der sog. Wertschöpfungskette. In diesem Zusammenhang sei er froh, dass die widersinnigen Vorschläge zur Abschaffung der Künstlersozialkasse (KSK) im September im Bundestag mehrheitlich abgelehnt wurden.
Diese Vorschläge, die z.T. von seinen eigenen Fraktionskollegen aus Baden-Württemberg eingebracht wurden, dürften Hans-Joachim Otto (FDP), der Ausschussvorsitzende für Kultur und Medien im Bundestag, auch nicht geschmeckt haben. Er ging leider nicht auf diesen Widerspruch ein, der dadurch entsteht, dass gerade die Liberalen!!mit der ihr nahe stehenden Friedrich-Naumann-Stiftung immerhin Mit-Veranstalter des Jahrestagung - an der Spitze der politischen Initiativen für die Kulturwirtschaft stehen. Allerdings liegt hier der Teufel eher im Detail, da der Unmut einiger Wirtschaftspolitiker auch anderer Parteien über die KSK daher rührt, dass sie beispielsweise mit bürokratischen Auskunftsersuchen bei 300.000 Unternehmen oder dreijährigen Nachzahlungsforderungen für viel Ärger sorgt. Hier ist in den kommenden Monaten Dialog statt Konfrontation auf allen Seiten angesagt. Eines der Forderungen von Hans-Joachim Otto war unter der Überschrift "Kenntnisse gewinnen" die nach einer Verbesserung der Information über die geschaffenen Aktivitäten und Fördermaßnahmen.
Hingegen tut sich viel im Bereich der Finanzierung. Zum Thema Venture Capitol wurde auf der Expertentagung in Berlin eigens ein Forum eingerichtet. Roger Bendisch, Geschäftsführer der IBB Beteiligungsgesellschaft mbH erläutert die Hintergründe seines Engagements für die 5. Jahrestagung Kulturwirtschaft: "Die Veranstaltung bietet ein ideales Forum, um die neue Finanzierungsform zu erläutern. Dazu wurden eine Reihe namhafter Experten für das Panel gewonnen, u.a. Frau Dörte Höppner, Geschäftsführerin des Bundesverbandes Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften, Herr Dr. Cornelius Boersch, Vorstandsvorsitzender der Schweizer Mountain Partner Group und Herr Guido van Nispen, Fundmanager des niederländischen Creative Industry Fund." Seit Januar 2008 verwaltet die IBB Beteiligungsgesellschaft den mit 30 Mio. EUR dotierten VC Fonds Kreativwirtschaft Berlin. Dieser ist deutschlandweit der erste Venture Capital Fonds, der sich explizit an die Kreativbranchen wendet. Allerdings steht dieses Angebot derzeit nur Berliner Unternehmen für die Eigenkapitalfinanzierung zur Verfügung.
Neben der Finanzbranche und der Bundespolitik positionieren sich auch die Städte neu. Mannheim hat als erste Stadt in Deutschland die Dezernate Kultur und Wirtschaft vereint. In Köln wurde ein dezernatsübergreifender Arbeitskreis der Verwaltung geschaffen. Diese und andere wichtigen Trends werden auch im jüngst erschienenen Jahrbuch Kulturpolitik nachzulesen sein, das sich 2008 der Kulturwirtschaft und kreativen Stadt auf über 500 Seiten widmet.
Eines der Höhepunkte des Tages war das Referat von Dieter Gorny. Seine Berufung zu einem der vier künstlerischen Leiter der Kulturhauptstadt Ruhr 2010 hat ihm augenscheinlich noch mehr kreative Energie verliehen. Ein ganzes Feuerwerk an Projekten lassen erahnen, wie viel man sich in Essen und im gesamten Land Nordrhein-Westfalen vorgenommen hat. Wenn man nur die Hälfte aller Ideen verwirklicht, darf man schon zufrieden sein. Da ist bei Gorny von einer Kongressmesse für Kreativität und Ökonomie die Rede, von einer digitalen Stadt im Netz als Kunst- und Debattenraum, von einem Europäischen Zentrum für kreative Ökonomie, von urbanen Entwicklungsräumen, Kreativquartieren als städtebauliche Entwicklungsareale, von einem Center for the Creative Industries oder der Einrichtung einer deutschen Auslandsakademie in Istanbul.
Man spürte im Vortrag von Dieter Gorny exemplarisch für die gesamte Jahrestagung, mit welchem politischen Nachdruck die Entwicklung in der Kultur- und Kreativwirtschaft derzeit in Deutschland vorangetrieben wird. Da gingen die z.T. bemerkenswerten Beispiele aus den Niederlanden, die als Gastland die Veranstaltung begleiteten, fast schon unter. Man ist offenkundig davon beseelt, sich auch medial und damit in der öffentlichen Wahrnehmung mit diesem Lieblingsthema durchzusetzen. Schließlich landet das Thema nach wie vor selten auf die ersten Seiten der Presse oder als Meldung in der Tagesschau. Doch gewinnt der interessierte Zuschauer allmählich den Eindruck, dass bei diesem Tempo schnell das strategische Ziel dieser Bemühungen aus den Augen geraten könnte. Wir kennen ja dieses Ziel. Oder?
 

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