11.04.2007

Autor*in

Thomas Mersich
studierte Musik- und Theaterwissenschaft sowie Kulturmanagement an der Universität für Musik und Darstellende Kunst in Wien. Er ist Gründer und Miteigentümer vom Musikverlag Mersich & Kiess Wien. Als Marketing Manager war er bei den Haydn Festspielen Eisenstadt tätig, beim Liszt Festival Raiding und für das Liszt-Jahr Lisztomania 2011.
Rückblick "Volksmusik und neue Regionalität" 2007

"Volksmusik und neue Regionalität"

Menschen haben im Zeitalter der Globalisierung wieder die Sehnsucht nach kleinen, überschaubaren Einheiten. Hier kann die Volksmusik und die Volkskultur in der Region identitätsstiftend wirken. Mit diesem Thema befasste sich das zweitägigen Symposium %u201EVolksmusik und neue Regionalität%u201C am 23./24. März 2007 im Haus der Volkskultur in Oberschützen, bei dem insgesamt neun Vorträge zu hören waren. Die Vortragenden waren aus Deutschland und den verschiedensten Bundesländern Österreichs angereist, und so unterschiedlich die Herkunft der Referenten war, so vielschichtig und gegensätzlich waren auch die Inhalte und Standpunkte.
Nach der Begrüßung durch den Präsidenten des Österreichischen Volksliedwerkes Dr. Sepp Gmasz, einer Ansprache des Kulturlandesrates und einer unterhaltsamen Präsentation eines Heanzischen Märchens (heanzisch: Dialekt im Südburgenland) referierte Univ.Prof. Dr. Konrad Köstlin (Institutsvorstand Europäische Ethnologie, Universität Wien und Vorstand Wissenschaftliche Kommission des Österreichischen Volksliedwerkes) zum Thema Neue Regionalität: Muster und Diskurse. Menschen und Regionen versuchen in der heutigen Zeit der Globalisierung durch die Pflege ihrer Kulturen und Traditionen ihre Eigenständigkeit zu bewahren um sich von anderen besser zu differenzieren, so lautete die Kernaussage von Konrad Köstlin. Coca Cola, McDonalds und Satellitenschüssel sind überall die Regionalität tritt dem entgegen. Die neue Regionalität ist in der globalen Welt somit auch eine Alternative zu mehr Wettbewerbsfähigkeit. Gesamt gesehen war der Vortrag thematisch sehr global angelegt, wobei die Themen Volkskultur und Volkslied nur sehr skizzenhaft berührt wurden.

Dass sich die EU besonders für den Schutz und den Erhalt der regionalen Kulturen einsetzt betonte Univ.Prof. Dr. Dieter Kramer (Institut für Europäische Ethnologie, Universität Wien; Dörscheid/Loreleykreis; Mitglied der Enquete- Kommission Kultur in Deutschland und des Deutschen Bundestages) in seinem Beitrag Globalisierung, kulturelle Vielfalt und regionale Kultur: Positionen in Kulturpolitik und UNESCO. Die regionalen Kulturen benötigen diesen Schutz zum Erhalt deren Freiheit und Vielfalt. Kramer zeigte sich bzgl. Wettbewerbsfähigkeit der Kultur am globalen Markt sehr besorgt und vertrat den Standpunkt, dass sich Kulturgüter nicht durchsetzten können und deshalb vor den Regeln des freien Marktes geschützt werden müssten. Als Beispiel hob er besonders das UNESCO-Programm Weltkulturerbe hervor.

Ganz anders argumentierte die Tourismusexpertin Dr. Alexandra Brunner- Sperdin (Institut für Strategisches Management, Marketing und Tourismus, Universität Innsbruck). In ihrer sehr konzeptionell angelegten Präsentation Erlebnisorientierte Volkskultur als Angebot in Tourismusregionen zeigte sie umfangreiche Marketingstrategien für die Vermarktung regionaler Kulturinszenierungen. Volkskultur kann sehr wohl am globalen Markt bestehen und soll sogar helfen, den Tourismus zu vermarkten. Volkskultur bietet den Menschen die Teilnahme am Erlebnis und ist somit eine USP, mit Hilfe derer man sich von der Konkurrenz unterscheidet und durch diese man eine Marktführerschaft erreichen kann.

Dem Land Tirol die Treue Tirol singt seine Lieder ein interessanter Vortrag von Dr. Petra Streng (Volkskundlerin, VOKUS-Volkskultur, Mitglied Tiroler Volksliedwerk), der auf die Suche nach den Ursprüngen des authentischen Tiroler Volksliedes ging. Unter dem Motto Tirol singt seine Lieder aber singt es sie wirklich? erfuhr man Vieles über die historischen Hintergründe des Tiroler Volksliedes, über die Gegensätzlichkeit von volkstümlicher Musik und Volksmusik, über praktische Beispiele von Missbrauch der Verwendung authentischer Volkslieder bis hin zur Tatsache, dass die Jugendlichen Tirols ganz begeistert bei der Sache sind, wenn es um das Herunterladen des Klingeltones des berühmten Tiroler Volksliedes Dem Land Tirol die Treue geht. Letztendlich bleibt als Resümee: Tirol hat zwei Bilder: die eigentliche authentische Volkskultur und den stets singenden, jodelnden Tiroler dieser ist allerdings leider nur ein Mythos, der als Exportgut für die Deutschen, Japaner und neuerdings auch Chinesen herhalten muss.

Herbert Zottis (Leitung Wiener Volksliedwerk) präsentierte in seinem Vortrag wean hean das gleichnamige Wienerlied Festival, das seit 1993 jährlich von Ende September bis Mitte Oktober in der Bundeshauptstadt stattfindet. Interessanterweise erfuhr man hier, dass es das Festival mit der Authentizität der Volkslieder nicht oder besser gesagt nicht mehr so genau nimmt. Es gibt ca. 70.000 Wiener Lieder, und unzählige Bearbeitungen. Ob die Werke, die unsere auftretenden Musiker spielen nun echte Wiener Lieder sind oder nicht, damit haben wir uns früher beschäftigt. Mittlerweile spielen die Musiker bei uns ein sehr breit gestreutes Repertoire., so der Mitorganisator, der in seiner eigentlichen Funktion als Geschäftsführender Vorsitzender des Wiener Volksliedwerkes eine jahrelange intensive Auseinandersetzung mit der Erforschung und der Dokumentation des Wienerliedes vorweisen kann.

Ebenfalls vom Format einer Festivalpräsentation war der Vortrag Volkskultur Niederösterreich. Regionale Entwicklung und kulturpolitisches Konzept von Dr. Edgar Niemeczek (Geschäftsführer der Volkskultur Niederösterreich BetriebsGmbH, Vorsitzender des NÖ Kultursenats). Neben einleitenden Worten über die Globalisierung der Gesellschaft und den Stellenwert der neuen Regionalität gab Niemeczek Einblick in das niederösterreichische Volksmusikfestival aufhOHRchen, das seit 1994 jährlich abwechselnd in verschiedenen Städten Niederösterreichs veranstaltet wird sowie über die neue Struktur und die Aufgaben der Volkskultur Niederösterreich BetriebsGmbH.

Mehr eine Art Projektpräsentation war der Vortrag Den Bräuchen per Mouseclick auf der Spur. Salzburger Bräuche Gebrauch und Erforschung von Dr. Ulrike Kammerhofer-Aggermann (Institutsleiterin Salzburger Landesinstitut für Volkskunde), die in ihrer Präsentation den Produktionshergang der interaktiven DVD-Reihe Salzburger Bräuche schilderte. Ähnlich angelegt war der Vortrag Lieder der Regionen Die neue Liederbuchreihe des Steirischen Volksliedwerkes im praktischen Rocktaschenformat von Dr. Monika Primas (stellvertretende Geschäftsleiterin des Steirischen Volksliedwerkes), die das neue Liederbuch ihrer Institution vorstellte. Ein Doppelreferat über das Thema Volksmusik und akademische Ausbildung am Beispiel Kärntens und der westlichen Bundesländer, gehalten von Mag. Manfred Riedl (Leiter der Studienrichtung Volksmusik am Kärntner Landeskonservatorium) und Univ.-Prof. Dr. Thomas Hochradner (Universität Mozarteum) über Möglichkeiten einer universitären Volksmusikausbildung vervollständigten das Symposium.

Fazit: Beim gut und liebevoll organisierten Symposium konnte man einem bunten Reigen an Vorträgen folgen, die auch beim zahlreich erschienenen Publikum zu teilweise lebhaften und langen Diskussionen führten. Das eigentliche Thema wurde bei einigen Präsentationen jedoch nur teilweise behandelt. Nichtsdestotrotz bildeten die verschiedenen Vorträge ein interessantes Mosaik zum Thema Volkskultur, wobei einige zentrale Kernaussagen besonders hervorragten: Regionen sind die Räume neuer Sinngebung: Dauernd anders sein ist furchtbar anstrengend. Das Gleichbleibende, das Traditionelle hingegen ist entspannend. Andererseits scheint es aber auch gegenüber auswärtigen Anspruchsgruppen nicht mehr so wichtig, zwischen Originalität bzw. Authentizität und verkitschtem Mythos zu unterscheiden. Es geht dann nicht darum was echt ist und was nicht, sondern vielmehr, wie man die Regionen und deren Kulturen am besten präsentieren und auch vermarkten kann.
 

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