28.10.2021

Themenreihe Corona

Autor*in

Kristin Oswald
leitet die Online-Redaktion von Kultur Management Network. Sie studierte Geschichte und Archäologie in Jena und Rom sowie Social Media-Marketing in Berlin. Sie ist freiberuflich in der Wissenschaftskommunikation und im Museumsmarketing mit Schwerpunkt online tätig.
Rüdiger Grube
ist seit 2020 Vorsitzender des Stiftungsrates der Stiftung Semperoper. Der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn AG trat auf Wunsch von Rudi Häussler in dessen Fußstapfen bei der Stiftung Semperoper. Er ist Diplom-Ingenieur und Wirtschaftspädagoge und war unter anderem langjähriger leitender Mitarbeiter und Vorstandmitglied der DaimlerChrysler AG. Zudem ist er u. a. Mitglied im Vorstand der Stiftung Lesen und im Kuratorium der Deutschen Nationalstiftung sowie Ehrenprofessor der TU Hamburg.
Ulrike Lerchl
ist seit Mai 2020 Geschäftsführerin der Stiftung Semperoper. Mit ihrer in Dresden ansässigen Kommunikationsagentur Oberüber Karger war sie bereits seit mehreren Jahren Kuratoriumsmitglied. Sie engagiert sich für junge, zeitgenössische Künstler*innen.
Kulturförderung unter widrigen Umständen

Was die Stiftung Semperoper aus der Krise gelernt hat

Die Dresdner Semperoper gehört zu den bekanntesten Kultureinrichtungen Deutschlands. Doch auch für ein so traditionsreiches Haus war es aktuell nicht einfach, die Spender*innen der unterstützenden Stiftung Semperoper zu überzeugen, wie Prof. Dr. Rüdiger Grube und Ulrike Lerchl berichten.

Themenreihe Corona

Liebe Frau Lerchl, lieber Herr Prof. Dr. Grube, zum Einstieg: In welchem Verhältnis stehen die Stiftung Semperoper und die Semperoper selbst zueinander?

Ulrike Lerchl: Die Stiftung Semperoper - Förderstiftung hat sich seit ihrer Gründung 1992 durch Rudi Häussler der Unterstützung der Semperoper Dresden verschrieben. Kunst von Weltrang zu fördern, liegt all unseren Spender*innen am Herzen. Die Semperoper hat eine wahnsinnige Strahlkraft und ist für die Stadt Dresden eine absolute Bereicherung.

Rüdiger Grube: Die Verantwortlichen der Semperoper Dresden schätzten die Zuwendung durch die Förderstiftung von Beginn an sehr. Wir verfolgen das gleiche Ziel: Wir wollen dieses einzigarte Opernhaus mit dem so außergewöhnlichen Ruf in genau dieser Qualität erhalten und weiterentwickeln. Die Semperoper Dresden und die Stiftung Semperoper sind allerdings per se unabhängig voneinander: Das Opernhaus ist Teil des Staatsbetriebs Sächsische Staatstheater, neben der Staatsoper gehört auch das Staatsschauspiel Dresden dazu. Die Stiftung Semperoper ist eine rechtsfähige Stiftung und damit eigenständig. 

Die Semperoper wird sowohl von der Kommune als auch vom Land Sachsen finanziert und erwirtschaftet zudem mehr als ein Drittel ihrer Einnahmen selbst. Welche Rolle spielte hier die Stiftung Semperoper in den beinahe 30 Jahren seit ihrer Gründung?
 
RG: In den Jahren seit der Gründung der Stiftung konnten wir ca. 15 Millionen Euro für die Förderung von Projekten an der Semperoper Dresden zusammentragen. Damit haben wir vor allem aufwändige Produktionen und Solist*innen finanziert. Allein 2021 fördern wir acht Projekte. Ohne diese Form der Unterstützung würde es also weniger Premieren und einen Spielplan geben, der zum großen Teil aus Stücken des vorhandenen Repertoires besteht. Auch die Förderung des Nachwuchses ist Aufgabe der Stiftung und sichert somit langfristig die künstlerische Qualität der Darbietungen. Es lässt sich demnach durchaus sagen, dass die Stiftung mit ihrer Arbeit einen essenziellen Beitrag für den Kulturbetrieb leistet.

Wie hat die Semperoper die Corona-Pandemie bisher überstanden - auch finanziell?

UL: Die Corona-Pandemie war und ist für uns alle eine herausfordernde Situation: Die Lockdowns haben kulturelle Veranstaltungen unmöglich gemacht, selbst das Proben war in der Semperoper Dresden lange Zeit nicht möglich. Uns hat jedoch mit Freude erfüllt, mit wie viel Kreativität viele Menschen auf die neuen Rahmenbedingungen reagiert haben. Auch die Semperoper Dresden ist neue Wege gegangen und wir konnten sie dabei schnell und flexibel unterstützen. So konnte das Streaming der Neuinszenierung von Mozarts "Die Zauberflöte" am Ostermontag 2021 dank großzügiger Zuwendungen der Stiftung überhaupt erst umgesetzt werden. 
 
Natürlich sind wir auch jetzt noch lange nicht in einem "normalen Modus": Die Zuschauer*innen haben immer noch Hemmungen, in die Oper zu gehen. Außerdem darf nicht voll besetzt werden. Natürlich hat die Semperoper Dresden eingebüßt - allein 2020 waren es mehrere Millionen Euro - und wird mit Sicherheit noch einige Zeit mit den Nachwehen zu kämpfen haben. Es sind also nach wie vor herausfordernde Zeiten, auch finanziell, in denen die Stiftung die Semperoper unterstützen kann. 

Aufgrund entfallener Ticketeinnahmen und Veranstaltungen sind in den vergangenen zwei Jahren einige Schwierigkeiten entstanden. Ganz ausgleichen konnten wir das monetäre Defizit zwar nicht, aber an wichtigen Stellen eingreifen. Bereits 2020 haben wir so das Junge Ensemble mit einer zusätzlichen Spende in Höhe von 30.000 Euro unterstützt. Der Nachwuchs ist von immenser Bedeutung für die Semperoper und für uns als Stiftung. Die Ausbildung und Förderung gerade der jungen Künstler*innen konnten aufgrund der Pandemie nicht im gewohnten Umfang stattfinden. Um dennoch ihre optimale Entwicklung zu gewährleisten, wurden die befristeten Verträge der Ensemblemitglieder um ein halbes Jahr verlängert. Dadurch fielen deutliche Mehrkosten für die Semperoper an. Genau an dieser Stelle konnten wir mit der Spende unterstützen. 
 
Obwohl die Semperoper seit dem Frühjahr 2020 fast durchgehend geschlossen war, hat die Stiftung Spenden in beachtlicher Höhe eingeworben. Wie viele waren es genau? Und wie haben Sie das geschafft?

RG: Die Mitglieder der Stiftung Semperoper haben sich trotz - oder vielleicht gerade wegen - der Pandemie mit außergewöhnlichem Einsatz für die Semperoper Dresden engagiert. Wir konnten Spenden in Höhe von 577.000 Euro für Projekte des Opernhauses sammeln. Ein großer Dank geht an dieser Stelle an den Unternehmer und Kunstmäzen Reinhold Würth, der mit einer Sonderspende diese Summe ermöglichte. Damit haben wir Projekte finanziert, die es ohne die Unterstützung durch die Mitglieder der Stiftung wahrscheinlich nicht gegeben hätte. 
 
Natürlich gab es auch Fälle, in denen stark von der Pandemie getroffene Unternehmen ihre Spende nicht mehr leisten konnten. Wir konnten aber, obgleich persönliche Treffen nahezu unmöglich waren, 13 neue Mitglieder gewinnen. Darin stecken sehr viel Zeit und Fingerspitzengefühl: Wir sprechen aktiv unser Netzwerk an und versuchen, von einem Engagement für die Semperoper Dresden zu überzeugen. Das Ergebnis macht uns stolz und zeigt, dass unser Bestreben richtig und wichtig ist. Eines der Argumente ist dabei, dass man gerade in solch einer herausfordernden Zeit zusammenhalten und sich füreinander einsetzen sollte. So hat die Pandemie auch dazu beigetragen, dass die Nöte der Kultur mehr gesehen werden: Neben unseren Ansprachen an potenzielle neue Mitglieder haben wir auch vermehrt Anfragen und Zulauf aus der Bevölkerung vor Ort bekommen. 
 
Was haben Sie aus dieser Pandemiezeit über das Kulturfundraising - und darüber hinaus - gelernt?
 
UL: Obgleich die Pandemiezeit viel von uns abverlangt hat, haben wir wieder einmal gelernt, dass uns Mitglieder die Liebe zu Kunst und Kultur - und ganz speziell zur Semperoper Dresden - vereint. Wir haben auch während der Lockdowns nicht aufgehört, uns mit Leidenschaft und persönlicher Hingabe für das Opernhaus zu engagieren. Für mich ganz besonders waren die engen Abstimmungen mit Prof. Dr. Grube und Dr. Christian Zwade, dem Vorsitzenden des Kuratoriums, in denen wir uns intensiv mit den Aufgaben der Stiftung auseinandergesetzt und neue Ideen entwickelt haben. So haben wir einen Newsletter ins Leben gerufen, der nicht nur zu den aktuellen Entwicklungen informiert, sondern auch einen Blick hinter die Kulissen ermöglicht. Das zeigt unseren Mitgliedern und Interessierten, dass die Zuwendung durch die Stiftungs- und Kuratoriumsmitglieder auch von den Künstler*innen und Mitarbeiter*innen der Semperoper gesehen und mit Dankbarkeit angenommen wird. Außerdem haben wir die Öffentlichkeitsarbeit intensiviert und tragen so unsere Intention in die Welt. Das alles hat die Qualität unserer Arbeit befördert. Besonders schön war es dann, viele Stiftungsrats- und Kuratoriumsmitglieder endlich wiederzusehen: Reinhold Würth hatte Ende September 2021 nach Künzelsau geladen. 

Glauben Sie, dass Sie das Spendenvolumen für die Semperoper trotz der aktuellen wirtschaftlichen Situation so hoch halten können wie bisher?

RG: Ja, wir glauben sogar, dass wir die Spenden noch erhöhen können. Mittelfristig wollen wir das Opernhaus mit Spenden in Höhe von 1 Million jährlich unterstützen. Wir suchen daher ununterbrochen nach Menschen, die sich für die Oper engagieren wollen. Dieses Bestreben bezeichnen wir als "Programm 100 ", denn wir möchten gern langfristig über 100 Spender*innen für ein Engagement in der Stiftung Semperoper gewinnen. Aktuell tun dies bereits über 80 Menschen. Ein sportliches Ziel also, auf das wir tagtäglich hinarbeiten. Getreu dem Motto: Siege beginnen im Kopf. Ich und der gesamte Stiftungsrat sind Macher*innen. Wir möchten Kunstschaffenden die Möglichkeit bieten, ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen.

Was motiviert Spender*innen in einer solchen Zeit, ein Opernhaus finanziell zu unterstützen? Was können vielleicht auch kleinere Häuser davon lernen?
 
UL: Uns alle eint die Leidenschaft für Kunst und Kultur und natürlich die Liebe zur Semperoper Dresden. Es ist ein außergewöhnlicher Ort: ein Opernhaus von Weltrang mit so talentierten Künstler*innen. Unser Engagement für die Semperoper ist nachhaltig und damit auch langfristig angelegt. Die Mitglieder unterstützen nicht einfach ein Einzelprojekt, sondern die Stiftungsarbeit ist Teil unseres Lebens und unseres Alltags und Mitglieder zu sein eine langfristige Bereitschaftsbekundung. Wir arbeiten als Gemeinschaft an der bestmöglichen Unterstützung der Semperoper. Dabei investieren wir all unsere Kraft, um neue Unterstützer*innen zu gewinnen, und natürlich auch, um hohe Spendensummen zu erreichen. Das klingt vielleicht ein wenig pathetisch: Aber bei uns ziehen alle an einem Strang.
 
 

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