08.01.2014

Autor*in

Kristin Oswald
leitet die Online-Redaktion von Kultur Management Network. Sie studierte Geschichte und Archäologie in Jena und Rom sowie Social Media-Marketing in Berlin. Sie ist freiberuflich in der Wissenschaftskommunikation und im Museumsmarketing mit Schwerpunkt online tätig.
Landeskulturkonzept Sachsen-Anhalt

Niemand hat die Absicht, Kultur abzubauen

Gerade wurden mit dem Haushalt für 2014 in Sachsen-Anhalt auch das neue Landeskulturkonzept und die damit einhergehenden Änderungen der Kulturförderrichtlinien verabschiedet. Sie zeigen die immer öfter mit Kulturplanung verbundene Spaltung zwischen Politik auf der einen und Kulturmachern und Bürgern auf der anderen Seite. Vor allem gegen die starken Kürzungen für Theater und Orchester gab es Proteste, eine Petition mit über 30.000 Unterschriften und eine umfangreiche Medienberichterstattung. Die Inhalte, Ziele und Probleme in der Anwendbarkeit und Planbarkeit des Konzepts haben wir uns angeschaut.
Das Landeskulturkonzept Inhalte, Pläne und Probleme
Die vorgelegte Landeskulturplanung Sachsen-Anhalts möchte die Aspekte von Kultur im Hinblick auf kulturelle Bildung und gesellschaftliche Probleme wie Integration und Identitätsstiftung sowie Wirtschaftlichkeit zukunftsträchtig gestalten. Zentral seien hierfür Umstrukturierungen und die Anpassung an den steigenden Wettbewerb durch mitteldeutsche, nationale und internationale Vernetzung. Vielfalt, Breitenkultur und mit den neuen Medien einhergehende Ideen werden zwar weiterhin gefördert, dies aber im Wesentlichen in Form einzelner Projekte oder Häuser und durch Anschubfinanzierungen. Dauerhafte Unterstützung wird es nur noch für die Hochkultur des Landes geben, die Stiftungen, Museen, Jubiläen und die UNESCO-Welterbestätten. Die zentralen Ziele liegen dabei im Bereich Tourismus und Standortmarke. Zu dieser gehören u.a. das Lutherland und das Musikland Sachsen-Anhalt.
Zugleich will das Konzept die Gründe für die Entscheidungen aufzeigen. Sie liegen demnach in den Folgen des demografischen Wandels und den in Sachsen-Anhalt noch immer starken Abwanderungen. Hinzu kommen der auslaufende Solidarpakt II, weniger EU-Gelder sowie die Verpflichtung zum Schuldenabbau. Dank der Flutbeihilfe stehen dem Land im nächsten Jahr trotzdem nicht erheblich weniger Gelder zur Verfügung. Dies hat an den Kürzungsplänen jedoch nichts geändert. Stattdessen betrifft die Konsolidierung des Haushalts durch Einsparungen vor allem die Kultur ihr Anteil beträgt 0,7% und die Hochschulen. Effizienz und Umstrukturierungen sowie die verstärkte Suche nach anderen Finanzierungsmöglichkeiten werden gefordert. Zugleich wird es nur eine bedingte Unterstützung der Kulturfinanzierung der Kommunen geben, sodass sich hier weitere Problemstellungen eröffnen. Diese sind auch durch die geplanten Strukturanpassungsfonds und Beihilfen zur Lohnentwicklung nicht auszugleichen. Die Richtlinien sollen 2015 überprüft und novelliert werden.
Mit diesen Vorgaben widersprechen die Pläne der Landesregierung einigen wichtigen der 163 Empfehlungen des Kulturkonvents Sachsen-Anhalt. Dessen Abschlussbericht sollte die Basis des vorgelegten Landeskulturkonzeptes bilden. Die Abänderungen betreffen vor allem die Erhöhung des Gesamtetats Kultur, die Unterstützung der Kommunen bei Kulturprojekten und die Festschreibung der Theater- und Orchesterförderung. In dem Gremium waren alle Kultursparten, Hochschulen, Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften und Kirchen vertreten in vom Land festgelegten Arbeitsgruppen. Der Konvent tagte über ein Jahr lang regelmäßig und zeigte viele der oben genannten Probleme des Kulturbereichs auf. Da die Lösungen, die schließlich in das Landeskulturkonzept aufgenommen wurden, sich jedoch von den Empfehlungen unterscheiden, ist zu fragen, wieviel die Gelder für diesen Prozess tatsächlich wert waren. Manch einer mag sich erhofft haben, dass der Kulturkonvent Vorschläge macht, diese oder jene Kultureinrichtung zu schließen, in dieser oder jener Sparte massive Kürzungen vorzunehmen, diese oder jene Kulturstruktur in Frage zu stellen. [...] Wer eine solche Streichliste haben wollte, hätte besser eine der zahlreichen kommerziellen Beratungsfirmen beauftragt, die kommen, Vorschläge machen und danach wieder verschwinden, so der Abschlussbericht.
Die mit dem Konzept einhergehende Kulturentwicklungsplanung Sachsen-Anhalts zeigt dabei aber keine genauen Fördermaßstäbe und Handlungsanweisungen und in Anbetracht der jährlich neu verteilten Gelder kaum dauerhafte Orientierungen auf. Mit einer Vielzahl an unpräzisen Schlagwörtern wie Effizienz oder Identität sind die Pläne recht interpretativ. Dies wird beispielsweise daran deutlich, dass die Höhe der finanziellen Unterstützungen abhängig von unterschiedlichen Strukturen im Kultursektor, von Aufwand, Stärken und Schwächen, Chancen und Risiken und dem Landesmehrwert sein soll. Die Evaluierung und Priorisierung dieser Aspekte wird jedoch nicht präzise dargelegt. Die proklamierte Transparenz der Qualitätskriterien und Entscheidungsprozesse ist demnach nur scheinbar, auch wenn positive Zuwendungsentscheidungen online veröffentlicht werden sollen. Ein offener Dialog zwischen Kulturpolitikern und Kulturmachern, mutet in Anbetracht der Vielzahl an Unklarheiten und Konflikten seit Bekanntwerden der Pläne eher unrealistisch an.
Zudem wirkt das Konzeptpapier durch den starken Tourismusbezug und die Ausrichtung auf Marketing, also Angebot und Nachfrage nach Kultur, sehr wirtschaftsorientiert. Es enthält in Bezug auf diese Zielsetzung aber auch einige Widersprüche:
  • Es wird betont, dass das Land die Nachfrage nach Kultur durch öffentliche Einrichtungen allein nicht decken könne und auch private Angebote benötige. Zugleich werden die Kürzungen jedoch mit zu vielen Angebot und zu niedrigen Besucherzahlen begründet.
  • Kultur wird als ein Wirtschaftsfaktor bezeichnet, denn jeder in öffentliche Kulturangebote investierte Euro bringt wirtschaftliche Effekte in anderen Branchen in Höhe von rund fünf Euro. Dies wird jedoch nicht als Argument gegen die Kürzungen genutzt, sondern als Begründung für sie.
  • Zugleich fragt sich, wie hilfreich eine gewinnorientierte Zweck-Mittel-Relation ist, die die kulturelle Infrastruktur Mitteldeutschlands als Rechengröße für die kulturelle Abdeckung Sachsen-Anhalts sowohl für dessen Einwohner als auch Touristen einbezieht.
  • Ebenso widerspricht es sich, dass Sachsen-Anhalt zwar spezifische Institutionen fördert, diese aber trotzdem höhere Eigenanteile hinnehmen müssen und sich stärker wirtschaftlich ausrichten sollen. Zugleich soll Förderung den Wettbewerb und die Existenz freier Anbieter nicht beeinträchtigen, die vom Land begünstigten Institutionen jedoch weitere Einnahmemöglichkeiten in Anspruch nehmen.
Theater, Orchester und die Folgen der Kürzungen
Da Theater und Orchester in Sachsen-Anhalt mit über 35% bisher am meisten gefördert wurden, scheint es nur bedingt verwunderlich, dass sie nun von den Kürzungen am stärksten betroffen sind. Dabei soll die Abdeckung mit Theater-Angeboten in den Zentren wie in der Fläche garantiert bleiben vor allem, um das Musikland Sachsen-Anhalt als Marke auszubauen. Problematisch ist aber, dass zwar eine langfristige, aber sinkende Förderung bestimmter Häuser vorgesehen ist, während andere gänzlich aus der Förderung fallen und von den kommunalen Trägern allein nicht aufgefangen werden können. Schließungen erscheinen unausweichlich. Für jedes Theater gilt, dass Verträge nur nach entsprechenden Prozessen in Anlehnung an das Konzept geschlossen werden. Während dies mit der Mehrheit der Häuser bereits geschehen ist, stehen jene in Dessau (ATD), Halle und Eisleben derzeit vor den größten strukturellen und finanziellen Herausforderungen. Die Theater werden im Konzept als überdimensioniert oder falsch positioniert beschrieben und sollen nun mit anderen Häusern kooperieren, um eine Schließung zu vermeiden. Wie die Umstrukturierungen der Theater- und Orchesterangebote beispielsweise in Stendal, Magdeburg oder Naumburg diese Probleme lösen konnten, wird wiederum nicht aufgezeigt. Gerade hier könnte ihre Beispielhaftigkeit helfen, Alternativen zu kosten- und aufwandsintensiven Fusionen zu verdeutlichen.
Landeskulturkonzepte im Vergleich Möglichkeiten und Chancen
Trotz aller Probleme und Widersprüche zeigt das Konzept eine Vielzahl aktueller Problemen des Kulturbereiches auf, auch über Finanzfragen hinaus. Die Kürzungen machen so auf Aspekte wie Nachfrage, Zielgruppen, Personalfragen, Bürokratieabbau und langfristige Planung aufmerksam. Auch zusätzliche Gelder für den Ausbau der Nutzung der Online-Kommunikation und -Vermittlung sowie die Evaluierung der Publikumswünsche fallen in diesen Bereich. Zu den künftigen Aufgaben gehören zudem eine stärkere Vernetzung mit Partnern in Forschung, Bildung oder Landesentwicklung sowie mit den Medien. Hierfür sollen Fördermittel aus verschiedenen ministeriellen Ressorts des Landes zusammengestellt werden.
Das Aufbegehren gegen die Pläne macht zudem die Problematik der sich stetig vergrößernden Kluft zwischen politischen Entscheidungsträgern, Kulturverantwortlichen und Bürgern deutlich. Gerade Kulturpolitik bietet ein großes Aufregungspotenzial, da sie direkte Einflüsse politischer Entscheidungen auf den Alltag und die Freizeit der Menschen mit sich bringt. Einsparungen und Intransparenz in diesem Bereich bedürfen aus diesem Grund verstärkter Legitimation, für die reine Wirtschaftlichkeit nicht ausreicht. Auch wenn Freiwilligendienste das Interesse und die Teilnahme an Kultur und die Bindung an die eigene Herkunft stärken sollen, können sie Fachpersonal und Subventionen nicht überall ersetzen.
Eine Ausrichtung eines Landeskulturkonzeptes an denjenigen Bundesländern, die geringere Pro-Kopf-Ausgaben pro Einwohner und Kulturmitarbeiter haben, ist jedoch nicht der einzige Weg, Kultur trotz geringerer finanzieller Möglichkeiten zu fördern. Auch in Thüringen werden Solidarpakt und EU-Förderung in den nächsten Jahren auslaufen, die Besiedlungs- und Wirtschaftsgegebenheiten ähneln denen Sachsen-Anhalts ebenfalls. Trotzdem wurde der Etat für Kultur und Bildung aufgestockt, um beispielsweise mit dem Programm Kulturagenten für kreative Schulen enger mit dem Bereich Bildung zusammenarbeiten und neue Schwerpunkte setzen zu können. Dazu gehören die bessere Abdeckung und erreichbare Nähe von Kultur auch in den ländlichen Regionen, eine Neuprofilierung bisher eher marginal geförderter Kulturbereiche und einrichtungen und ein Landesdigitalisierungskonzept, das die Zugänglichkeit von und Aufmerksamkeit für Thüringer Kulturbetriebe erhöhen soll. Außerdem stehen zusätzliche Gelder aus der Kultur zur Unterstützung der Kommunen zu Verfügung. Auch in Thüringen wird dabei der Großteil der Gelder in Theater und Orchester investiert, diese aber weniger beim Personalabbau als bei der Profilschärfung unterstützt.
Trotz seines Umfanges ist das von Sachsen-Anhalt vorgelegte Landeskulturkonzept also zu ungenau und oberflächlich, wenig aktivierend, kaum Leitfaden und Orientierung. Stattdessen ist es vor allem auf finanzielle und idealistische Leitideen ausgerichtet, deren Umsetzungsmöglichkeiten strittig erscheinen. Anstatt mit Kürzungen Effizienz erzwingen zu wollen, können Pläne wie jener von Thüringen dafür sorgen, dass Kultur verstärkt wahrgenommen und als gesellschaftlicher und Bildungsfaktor genutzt wird, der mit anderen Freizeitaktivitäten in Konkurrenz treten kann.

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