28.08.2020

Themenreihe Digitale Formate

Autor*in

Nicole Schwarz
ist Professorin für Marketing und Leiterin des Masterstudiengangs Kulturmanagement der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes. Ihre Lehr- und Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Kulturmarketing, Interkulturelles und strategisches Marketing, Eventmanagement, Kulturnutzerforschung, Kultur im Saarland, Kulturtourismus. 
 
Ohne Digitalisierung kein Überleben

Digitale Angebote nicht nur entwickeln, sondern monetarisieren!

Innovative digitale Formate können helfen, Kunst und Kultur mit einem breiten Publikum in Kontakt zu bringen und gleichzeitig das Überleben von Kulturanbieter*innen zu sichern. Dafür müssen Kultureinrichtungen und Kulturschaffende digitale Leistungen kostenpflichtig anbieten.

Themenreihe Digitale Formate

Eine Intensivierung des Ausbaus von digitalen Angeboten ist nicht nur ein "nice to have". Digitale Angebote dürfen aber nicht nur als marginaler Baustein der Kulturvermittlung und/oder Öffentlichkeitsarbeit gesehen, sondern müssen als ernsthafter Zugang für das Publikum verstanden werden. Gerade auch, weil somit eine neue "Produktpalette" entwickelt werden muss, sollten Kultureinrichtungen die digitalen Programme nicht generell kostenfrei anbieten. Kultur braucht nicht nur Publikum, Kultur braucht auch Finanzierung. 
 
Dass das Entwickeln digitaler Angebote aufgrund der hohen Anpassungs- und Innovationsfähigkeit der Kulturbranche nicht lange dauern muss, zeigt die enorme und durchaus überraschende Schnelligkeit, mit der diese auf die Beschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie reagiert hatte. 
 
Kulturelle Einrichtungen müssen endlich den Mehrwert erkennen. 
 
Der Ausbau von Digitalisierung muss zu einer Priorität werden, um dynamisch auf einen sich schnell verändernden Markt reagieren zu können und nicht obsolet zu werden. Digitale Angebote dürfen dabei nicht als Konkurrenz zu oder Ersatz für analoge Leistungen gesehen werden. Sie dienen vielmehr als Erweiterung. Analoge und virtuelle Angebote können dabei zu einem stimmigen Gesamtkonzept zusammengefügt werden, müssen sich aber nicht zwangsläufig ergänzen, sondern können auch komplett neue Wege gehen. 
 
Das Staatstheater Augsburg zeigt, wie digitale Kulturangebote im Bereich Theater aussehen können. Es nutzte aufgrund der Schließung durch die Corona-Pandemie digitale Wege, um sein Programm weiterhin seinem Publikum zugänglich zu machen. Mittels einer Virtual-Reality-Brille, die Mitarbeiter*innen des Theaters ihren Besucher*innen in Paketen nach Hause liefern, können die Aufführungen virtuell angesehen werden. Dank 360°-Perspektive scheinen sich die Zuschauer*innen im Zentrum des Stücks zu befinden. So haben sie das Gefühl, anders als bei einer reinen Aufzeichnung, unmittelbar am Geschehen beteiligt zu sein. Das Angebot findet Zuspruch. Der Intendant André Brückner plant deshalb, dieses Format als ein "digitales Repertoire, eine fünfte, digitale Sparte” weiterhin auszubauen. 
 
Der digitale Raum muss also mit all seinen vielseitigen und weitreichenden Möglichkeiten als selbstverständlicher Teil in die Gesamtstrategien von Kultureinrichtungen mit einbezogen werden, wenn er nicht sogar zentraler Baustein werden muss. Die Wahrnehmung, insbesondere kleinerer Kulturinstitutionen, kann durch die Digitalisierung der Angebote gestärkt werden, da sie so über ihren lokalen Wirkungsbereich hinaus auf ihr Programm aufmerksam machen können. Das kulturelle Leben, das sich offline vorrangig in Großstädten abspielt, wird plötzlich auch in weniger urbanen Regionen, ja sogar weltweit sichtbar und zugänglich. So wird auch der Zentralisierung von Kunstangebot entgegengewirkt. 
 
Das Kreativitätspotential der Branche und die Vielfalt der Technologien ermöglichen es, eine unendliche Zahl an neuen Formaten zu entwickeln, die Kunst und Kultur nach außen tragen und der gesamten Bevölkerung zugänglich machen. Kulturmanager*innen sollten sich von den neuartigen Formaten, die während der Corona-Krise entstanden sind, inspirieren lassen und nicht in Versuchung geraten, diese nach der Wiederöffnung zu vergessen. Wichtig ist vielmehr, diese vielen innovativen Prozesse nachzuvollziehen, zu analysieren, zu prüfen was funktioniert und was nicht, Verbesserungen vorzunehmen und die Potenziale zu nutzen. 
 
Notwendigkeit konkreter Finanzierungsstrategien 
 
Die digitale Transformation benötigt dabei konkrete Handlungsmaßnahmen. Es gilt nicht nur, die Kommunikation zu digitalisieren, was die meisten Einrichtungen bereits in Angriff genommen haben, sondern auch die Angebote selbst. Hierfür gibt es keine Universalstrategie, die für alle erfolgreich implementiert werden kann. Kulturorganisationen müssen sich stattdessen selbstreflektiert mit ihren eigenen Zielen und Kompetenzen auseinandersetzen und individuell auf sie zugeschnittene, passende Programme erstellen. 
 
Um konkurrenzfähig zu bleiben, ist es allerdings nicht ausreichend, dass sie nur digitale Angebote entwickeln und anbieten, sondern sie müssen damit auch Einnahmen generieren. Es müssen hierbei die folgenden Fragen gestellt werden: Wieso sollte ein virtueller Museumsrundgang gratis sein, wenn eine Führung vor Ort etwas kostet? Wie soll Professionalisierung erreicht und aufrechterhalten werden, wenn keine ausreichenden finanziellen Mittel vorhanden sind? Wie sollen Kultureinrichtungen bestehen bleiben, wenn ihre Angebote kostenfrei genutzt werden? Wie sollen Kulturschaffende überleben, wenn sie mit ihren Werken kein Geld verdienen können? 
 
Der Transformationsprozess zu digitalen Kulturangeboten muss also endlich nachhaltig gestaltet werden. Es nützt niemandem, virtuelle Programme zu entwickeln, die Kultur zwar für ein Publikum zugänglich machen, sich aber langfristig nicht finanzieren können. Mit Gratis-Angeboten kann man sicherlich auf das eigene Programm aufmerksam machen und Nutzer*innen anlocken, allerdings keine Kosten decken, geschweige denn Gewinne erzielen. 
 
Die Finanzierung der bisherigen Angebote beruhen oft auf freiwilliger Spendenbasis. Diese Finanzierung stellt aber kein tragfähiges Geschäftskonzept dar, weder für Kulturschaffende noch für Kulturbetriebe selbst. Langfristig gesehen, wenn Performances wieder mit Publikum stattfinden können, wird zudem die Bereitschaft abnehmen, für Online-Streams zu spenden. Ungeachtet dessen möchten Kulturschaffende und Kulturbetriebe, dass ihre Arbeit anerkannt und ihre Professionalität entlohnt wird. 
 
Allerdings zeigt die aktuelle Spendenbereitschaft auch, dass Menschen Kultur wichtig ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie bereit sind, auch regulär für ein digitales Angebot zu zahlen, ist also gegeben. Nun geht es darum, herauszufinden, was digital von den Konsument*innen gewünscht ist und wo die Preissensibilität für digitale Angebote liegt usw. Die entscheidende Frage wird sein, wie man einen Mehrwert für das Publikum schaffen kann. Dies fordert Flexibilität, Umdenken und vor allem Akzeptanz neuen Präsentationsformen gegenüber. Kulturschaffende können ohne Frage auch virtuell eine Exklusivität und Nähe erreichen, für die Fans bezahlen werden. 
 
Auch hierbei können Finanzierungsmechanismen vielfältig gestaltet werden. Abonnements sind ein Ausgangspunkt. Mit einem monatlichen Beitrag könnte man, ähnlich wie bei Netflix oder Spotify, auf einen Pool von Kulturgütern zugreifen. Einrichtungen könnten zudem mithilfe von Paywalls bestimmte Leistungen kostenpflichtig anbieten. Außerdem würde sich für alle, die sich nicht binden möchten, ein Paketsystem anbieten, bei dem unterschiedliche Leistungen in unterschiedlichen Kategorien zusammengefasst und zu entsprechenden Preisen angeboten werden. Nicht jeder möchte ein Rundum-Sorglos-Paket, man sollte deshalb abgespeckte Versionen zu moderaten Preisen wählen können. 
 
Vorstellbar wären auch Plattformen, auf denen sich Kultureinrichtungen oder Künstler*innen zusammenschließen und ihre Angebote gemeinsam sichtbar und unkompliziert zugänglich platzieren. Es benötigt Zeit und Erfahrungswerte, um hier adäquate Angebote zu entwickeln, die alle Stakeholder zufriedenstellen. 
 
Professionalisierung durch Vernetzung 
 
Kulturschaffende können hinsichtlich der technischen Umsetzung von Digitalisierungsstrategien auf zahlreiche Hilfestellungen zurückgreifen. Kulturmanager*innen müssen den Transformationsprozess also nicht allein bewältigen. Sie können ihre Fähigkeiten als Vermittler*in nutzen, um Partnerschaften mit der Technikbranche einzugehen. Es ist essenziell, dass Online-Angebote einem gut durchdachten Konzept folgen und die Qualität nicht unter mangelnder Fachkenntnis leidet. 
 
Ein Ausblick 
 
Hält die breite Kulturbranche an rein analogen Programmen fest, wird sie den Zug in Richtung Zukunft verpassen. Eine ständige, ortsunabhängige Abrufbarkeit ermöglicht den einfachen Zugriff auf Daten. Einzelpersonen der Kunst- und Kulturszene stehen dem Wandel sicherlich kritisch gegenüberstehen und sich ihm verschließen. In Zeiten der Corona-Pandemie wird sich zeigen, wer am Ende die besseren Karten hat: flexible Künstler*innen mit Anpassungsfähigkeit oder jene, die virtuelle Darstellungen kategorisch ablehnen. 
 
Gerade auch im Hinblick auf neueste Entwicklungen, bei denen Musikstücke und Gemälde von Künstlicher Intelligenz erzeugt werden können, ist es an der Zeit, sich mit neuen Möglichkeiten auseinanderzusetzen und das kreative Potenzial der Kunst und Kultur zu nutzen, um den digitalen Wandel aktiv mitzugestalten und das Selbstbewusstsein zu entwickeln, sich diese kreative Kraft entlohnen zu lassen. Kulturschaffende müssen sich auf die Veränderungen einlassen und die Chance nutzen, um spannende und innovative Projekte zu wagen. 
 
Dieser Beitrag erschien in ausführlicher Form zuerst im Kultur Management Network Magazin "Blick zurück nach vorn"

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