20.03.2023

Themenreihe klimafreundlich

Autor*in

Manuela Casagrande
ist Kunsthistorikerin und Co-Studiengangsleitung am Studienangebot Kulturmanagement (SKM) der Universität Basel. 
Resultat der Ökobilanz eines Kulturmanagement-Studiengangs

Eine Tonne leichter

Die Digitalisierung des universitären Unterrichts kann die Nachhaltigkeit verbessern, wie der Masterstudiengang Kulturmanagement an der Universität Basel (SKM) während der Pandemie feststellte. Eigene Beobachtungen und eine Ökobilanz gaben Impulse, um das Lehrangebot attraktiver und ökologisch nachhaltiger durchzuführen und die bisherigen Abläufe neu zu beurteilen.

Themenreihe klimafreundlich

Practice what you preach 
 
Im Curriculum des berufsbegleitenden Master of Advanced Studies (MAS) in Kulturmanagement ist das Thema Nachhaltigkeit bereits seit einigen Jahren verankert. In mehreren Blockseminaren werden wirtschaftliche, soziale und ökologische Aspekte der Nachhaltigkeit diskutiert, wenn es etwa um Reisekosten, Löhne, Projektmanagement oder kulturpolitische Förderschwerpunkte geht. Ebenso lernen die Studierenden anhand von Praxisbeispielen, wie sie mit einfachen Massnahmen die CO2-Emissionen ihres Kulturbetriebes verringern können. 
 
Nach dem Motto «practice what you preach» war es für das SKM naheliegend, den ökologischen Fussabdruck des eigenen Studienangebots unter die Lupe zu nehmen. Trotz umfangreichen Wissens stand für uns erst einmal die Frage im Raum: Wo sollen wir beginnen? Für die ersten Schritte in der Ökobilanz konnten wir auf das universitäre Netzwerk zurückgreifen und erhielten dabei Unterstützung von der Fachstelle Nachhaltigkeit, die für uns die Daten auswertete. Da während der Pandemie dann auch das Studienangebot Kulturmanagement am SKM für zwei Semester sämtliche Lehrgänge auf Online-Unterricht umstellen musste, galt unser Interesse der Frage, inwiefern sich die CO2-Bilanz von zwei unterschiedlichen MAS-Kursdurchführungen unterscheiden. 
 
Messwerte für die Ökobilanz des SKM
 
Wir erhoben nachträglich die Daten des zweijährigen Lehrgangs vor der Pandemie (2018-2019), der im Präsenzunterricht stattfand, und des Lehrgangs nach der Pandemie (2021-2022), der zu 20 Prozent online durchgeführt wurde. Die Messwerte bezogen sich auf die Mobilität und Verpflegung von Studierenden und Dozierenden und auf Exkursionen innerhalb des zweijährigen MAS-Lehrgangs. Für die Fläche und Ausstattung unserer Büros und Kursräumlichkeiten konnte keine klare Quantifizierung gemacht werden, weil die Energiedaten sich nur auf das ganze Gebäude beziehen. Unter dem Punkt Mobilität erfassten wir tabellarisch die Distanz in Kilometern sowie die gewählten Verkehrsmittel. Ein Flugreisen Monitoring, über das mittlerweile viele Hochschulen verfügen, vereinfachte die Datenerhebung. Bezüglich Verpflegung unterschieden wir zwischen gemeinsamen Mahlzeiten im Restaurant und individuellen Mittagessen. 
 
Folgende Analysetools wurden für die CO2-Bilanz verwendet:
 
Was bei unserem Kursangebot mit internationalen Dozierenden vor allem in die CO2-Waagschale fällt, ist die Mobilität. Der grösste Posten sind die Flugreisen der Dozierenden. Die Anfahrtswege der Studierenden und Mitarbeitenden, die aufgrund der kürzeren Distanzen und guten Verkehrsanbindungen fast immer mit dem öffentlichen Verkehr oder dem Fahrrad unterwegs sind, fallen demgegenüber weniger ins Gewicht. Die folgende Tabelle fasst die CO2-Emissionen in den Jahren 2018-2019 zusammen, die durch die Anreisen, inklusive Hotelübernachtungen und Verpflegung, entstanden sind.
 
 
Rechnet man zu den rund 4 Tonnen CO2-Emission auch die Anfahrtswege der Studierenden und des SKM-Teams mit 0,6 Tonnen dazu, befinden wir uns knapp unter den jährlich im Inland produzierten Emissionen einer in der Schweiz lebenden Person (durchschnittlich 5 Tonnen CO2-Äquivalente). Zur Kompensation unserer Emissionen müsste ein Waldstück mit rund 400 Bäumen ein Jahr CO2 abbauen.
 
Massnahmen in der Lehre
 
Zur Verbesserung unserer Ökobilanz haben wir im MAS-Lehrgang 2020-2021 bei Lehrpersonen mit langen Anfahrtswegen geprüft, ob der Unterricht auch online, im Wechsel von Wissensvermittlung, Übungen und Coaching, vermittelt werden kann. Von den insgesamt 76 Studientagen des MAS in Kulturmanagement haben wir so ein Fünftel der Unterrichtstage auf Online-Unterricht umgestellt. Im Vergleich zu den Studienjahren vor der Pandemie konnten wir allein mit dieser Massnahme eine Tonne CO2-Äquivalente einsparen, was der Menge entspricht, die zur Herstellung von 13’600 Tassen Kaffee nötig ist. 
 
 
Der webbasierte Unterricht via Zoom verbraucht ebenfalls Energie. Auch wenn man den hierfür benötigten Energieaufwand innerhalb der Privathaushalte einbezieht, ist die Menge ist im Vergleich mit den Flugemissionen jedoch immer noch verschwindend klein und kann vernachlässigt werden. Das Factsheet Dienstreisen der UZH gibt einen guten Einblick in die Dimensionen. Wir empfehlen heute, dass Lehrpersonen mit einem Wohnort unter 1000 km Entfernung mit dem Zug anreisen. Die Wahl der Verkehrsmittel bleibt jedoch den Dozierenden überlassen. Die meisten favorisieren die Anreise mit der Bahn. Bei Engpässen verschieben wir die Unterrichtszeiten nach vorne, damit die Heimreise noch am gleichen Tag erfolgen kann.  
 
Um auf ausgewiesene Fachleute aus weiter entfernten Regionen nicht verzichten zu müssen, ist der punktuelle Online-Unterricht eine gute Alternative. So können sich Expert:innen aus verschiedenen Teilen der Welt zuschalten, z.B. im aktuellen «CAS Kulturpolitik» aus den U.S.A., Nigeria und der Ukraine. 
 
 
Chancen der Online-Lehre
 
Neben den Emissionseinsparungen bei den Anfahrtswegen ergeben sich weitere Vorteile des Online-Unterrichts:
 
  • Der Online-Unterricht ermöglicht leichteres Arbeiten mit detaillierten Dokumenten und Zahlen, wie Budgets, die während des Unterrichts einfacher geteilt und überarbeitet werden können.
  • Kantonale Unterschiede bei den Ferienterminen können ausgeglichen werden, da es möglich ist, sich bei Bedarf auch aus dem Urlaub zuzuschalten. Die Vereinbarkeit mit familiären Aufgaben an den Wochenenden ist gemäss Rückmeldung einiger Studierenden ebenfalls einfacher zu bewerkstelligen.
Mit den positiven Konsequenzen des Online-Unterrichts geht jedoch auch eine andere Rhythmisierung des Lernens einher. Dies ist eine nicht zu unterschätzende Umstellung für Studierende und Dozierende, die Auswirkungen auf die Didaktik und die Aneignung von Lerninhalten hat. Das Lernen im Präsenzunterricht ist tief verinnerlicht und die Gefahr besteht, dass die Unterrichtstage eins zu eins auf die digitalen Kanäle verlagert werden. Die Methode des «flipped classroom» - also die Verlagerung ins Selbststudium über Lektüre, Aufgaben oder Videotutorials mit anschliessender Vertiefung und Übungen im Präsenzunterricht - versucht, das beste beider Welten zu kombinieren. Die Methode setzt sich aus den besagten Gründen und fixen Unterrichtszeiten jedoch nur zögerlich durch. 
 
Welche Konsequenzen der webbasierte Unterricht auf das Kursangebot hat, werden wir weiter (auch experimentell) verfolgen. Es gilt sorgfältig abzuwägen, wann welche Methode für die Lehre förderlich ist oder wann es besser ist, einen langen Anfahrtsweg für eine Unterrichtseinheit in Kauf zu nehmen.   
 
Präsenzunterricht nach wie vor hoch im Kurs
 
Der Präsenzunterricht wird sowohl von Studierenden als auch von den Lehrpersonen nach wie vor sehr geschätzt wird und kann durch den Online-Unterricht nicht vollständig ersetzt werden. Er ist ein wichtiger Bestandteil unseres Masterstudiengangs, weil wir die persönliche Vernetzung unter den Studierenden und Dozierenden unterstützen möchten. Der dialogische Unterricht oder auch der Wissens- und Erfahrungsaustausch in den informellen Gesprächen während den gemeinsamen Kaffee- und Mittagspausen zeichnen den Unterricht vor Ort aus. Zentrale Bausteine des Curriculums sind deshalb auch die sogenannten Labortage, die eine vertiefte Auseinandersetzung mit eigenen Projektideen ermöglichen sowie ein- bis zweitägige Exkursionen pro Jahr. 
 
Empfehlungen der Fachstelle Nachhaltigkeit 
 
Die Empfehlungen für das SKM sind genereller Natur und können für den Kulturbetrieb, aber auch für den privaten Haushalt Impulse geben. Wir setzen dort an, wo wir als SKM Einfluss nehmen können. Handlungsspielraum gibt es bei der Anreise der Lehrpersonen, die von uns mit einer möglichst flexiblen Terminkoordination unterstützt wird. Wir versuchen zudem, wenig auszudrucken, verwenden FSC-zertifiziertes Papier und achten bei den Veranstaltungen auf Mehrweggeschirr, lokale Produkte und auf die Anreisewege der Beteiligten. 
 
Besonders bei der Verpflegung können wir uns als Studiengang deutlich verbessern, wenn wir vermehrt das regionale und saisonale Angebot einbeziehen. Vielleicht hat die Sensibilisierung während des Studiums darauf eingewirkt, dass die MAS-Klasse 2020/21 für das gemeinsame Abschlussessen ein vegetarisches Restaurant wählte. Der Unterschied zeigt sich auch in unserer Bilanz. Eine vegetarische Mahlzeit verursacht 0,61 kg CO2 - sechsmal weniger als ein fleischhaltiges Menu (3,6 kg CO2). Weitere Empfehlungen finden sich in dem von der Fachstelle entwickelten Eventleitfaden und Catering-Leitfaden, die in weiten Teilen auch auf Projekte und Kulturbetriebe übertragbar sind.
 
Fazit
 
Die Auseinandersetzung mit einer CO2-Bilanz bringt einen interessanten Blickwinkel in eine Organisation.  Auf verschiedenen Ebenen, im Kleinen wie im Großen, kann eine CO2-Bilanz Veränderungen bewirken. Sie zeigt uns auf, dass unser Bewusstsein für Nachhaltigkeit nicht erst an den Türen des Kulturbetriebs beginnt, sondern bereits in der Ausbildung von Kulturmanager*innen - und zwar sowohl in der theoretischen Auseinandersetzung als auch in der praktischen Umsetzung der universitären Ausbildung. 
 
In einer repräsentativen Umfrage des Schweizer Bundesamtes für Umwelt BAFU bei Schweizer Studierenden von 2021 wünschten sich rund zwei Drittel der Befragten einen Ausbau von nachhaltiger Entwicklung in Lehre, Forschung und Hochschulbetrieb. Für die Wahl des Studiengangs ist das Kriterium Nachhaltigkeit wohl (noch) nicht entscheidend. Zunehmend wird Nachhaltigkeit in den Bildungsinstituten aber als selbstverständlich vorausgesetzt und darauf müssen auch und gerade die Kulturmanagement-Studiengänge reagieren.

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