09.01.2020

Themenreihe Karriere

Autor*in

Paulina Tsvetanova
ist Gründerin und CEO von PAULINA'S FRIENDS. Zuvor war sie u.a. Marketing-Managerin und Berlin-Koordinator beim sculpture network e.V.; Leiterin der Galerie der Berliner Kunstgießerei Flierl und Leiterin Marketing und Vertrieb im Verlag ART AUREA, Berlin. Seit 2016 bereibt sie PAULINA'S FRIENDS - Concept Store / Kreativagentur für Kunst, Design & Vintage-Mode. 
Selbstständigkeit im Kulturbereich als Möglichkeit zur Selbstverwirklichung

Herrin über den eigenen Weg

Auch in der Kultur- und Kreativwirtschaft gründet jeder aus anderen Motiven heraus. Der eine hat das perfekte Produkt, der andere eine Idee, die er realisieren möchte, der nächste will sich selbst verwirklichen. Doch immer steckt viel Leidenschaft und noch mehr Arbeit für die eigene Unternehmung dahinter. Paulina Tsvetanova, Gründerin des Concept Stores Paulina’s Friends in Berlin, berichtet über ihren Weg in die Selbstständigkeit.

Themenreihe Karriere

Mein Traum war immer das Studium der Kunstgeschichte, Philosophie und Archäologie und anschließend mit diesem "Beruf" mein Leben zu gestalten. Ich hatte das Glück, mithilfe von Stipendien die Anzahl meiner Nebenjobs reduzieren und das Studium schnell abschließen zu können. Nach einigen Praktika und Volontariaten im Kulturbetrieb wurde mir jedoch die Brotlosigkeit dieser Branche klar. Darum habe ich mehrere Weiterbildungen im Kulturmanagement absolviert und mich in Richtung Marketing, Fundraising und Vertrieb orientiert. Circa 8 Jahre lang habe ich für verschiedene Auftraggeber als feste und freie Mitarbeiterin gearbeitet (Kulturstiftung, NGO, Galerie, Kunstmessen, Verlag). Soweit ein sehr klassischer Lebenslauf für Kulturschaffende. 
 
Ich habe meine Arbeit immer mit Leidenschaft, viel Einsatzbereitschaft und Engagement betrieben. Dennoch war irgendwann der Punkt erreicht - und ich denke, es geht vielen anderen Kulturschaffenden ebenso -, an dem die Tatsache, für zu geringen Lohn zu viel und immer mehr leisten zu müssen, nicht mehr mit den Zielen und Vorstellungen für meine Zukunft vereinbar war. Doch nicht nur das war Anlass dafür, mich selbstständig zu machen. Es war schlicht der lang gehegte Wunsch nach Selbstverwirklichung und -entfaltung, meine eigene Chefin zu sein. Ich wollte meine Erfahrungen, Fähigkeiten und mein Know-how bündeln und meine Netzwerke, die ich über die Jahre gesponnen hatte, verbinden. Also kündigte ich meinen gut bezahlten Job bei einem Magazin für Kunst & Design und gründete PAULINA'S FRIENDS. 
 
Handverlesen, authentisch, nonkonform 
 
PAULINA’S FRIENDS ist eine Concept Galerie für zeitlose Unikate - sie vereint eine Kunstgalerie und eine Kreativwerkstatt voller außergewöhnlicher Einzelstücke aus den Bereichen zeitgenössischer Kunst, Design, gehobenem Kunsthandwerk und exquisiter Vintage-Mode. Außerdem agieren wir als Kreativagentur. PAULINA‘S FRIENDS vertreibt handverlesene, nonkonforme, authentische Dinge aller Kunst- und Designgattungen jenseits des Mainstreams. Diese Produkte zu verkaufen und davon zu leben, ist Luxus, denn es handelt sich ausschließlich um Einzelstücke, die ziemlich kostspielig in der Produktion und der Vermittlung sind. Umso nachhaltiger und langfristiger ist aber auch deren Konsum. Bei PAULINA'S FRIENDS kauft man keine Produkte, sondern Emotionen und Individualität. Das ist meine Vision für mein Unternehmen. 
 
Gut vorbereitet, schnell losgelegt 
 
Spontan zu gründen, hatte für mich allerdings auch so manche Tücke parat: Leider bekam ich keinen Gründerzuschuss, Grund dafür: Voraussetzung ist Restanspruch auf Arbeitslosengeld I von mindestens 5 Monaten. Kredite und Darlehen kamen für mich nicht infrage, ich wollte keine Schulden machen. Auch war die Zeit zu knapp, um mich bei Businessplanwettbewerben zu bewerben. Die einzige Unterstützung, die ich bekommen habe, waren die kompetente Beratung in der Gründerinnenzentrale und ein Existenzgründercrashkurs, der von der Agentur für Arbeit finanziert war. Allerdings hatte ich danach eher das Gefühl, nur die Wahl zwischen Schwarz oder Weiß zu haben: Entweder ich lasse es komplett oder ich starte direkt allen Warnungen, Risiken und Erwartungen zum Trotz, ohne viel Grübeln über potenzielle Fehler und vorhandene Schwächen. Es fehlte die Balance zwischen Für und Wider. 
 
Meine größte Hürde in der Gründungsphase waren vor allem die deutsche Bürokratie und die Tatsache, dass eine Stadt wie Berlin scheinbar nur "Non-Profit"-Projekte auf kommunaler Ebene oder Atelierräume für Künstler/ Produzenten fördert. Unternehmer in der Kultur werden nur theoretisch unterstützt - durch Seminare, Coachings etc. Letztendlich wollen aber alle Künstler und Designer nichts anderes als Publicity und gute Verkäufe. Alle wollen davon leben und brauchen Vertriebspartner und Geschäftsräume. Gewerbetreibende allerdings - egal womit sie handeln - werden sowohl von der Bürokratie als auch von der Öffentlichkeit als "Kommerzielle" gesehen, die sich vieles leisten können müssen. Das stimmt in der Praxis aber so einfach nicht. Händlern im Kulturbetrieb geht es genauso wie den Produzenten, wenn nicht teilweise schlechter - ein Blick auf die Galerieszene, wo nur eine verschwindend geringe Zahl wirklich von ihrem Handel leben kann, reicht hier aus. Händler tragen sogar viel mehr Verantwortung und Risiko. Sie profitieren auch nicht von Einrichtungen wie der KSK, der Gema, den Verwertungsgesellschaften usw. Doch sie sind ein wichtiger Baustein für die Kultur- und Kreativwirtschaft, ohne ihr Engagement geht es nicht. 
 
Was helfen kann? Der Staat könnte beispielsweise leerstehende Immobilien noch stärker in temporäre, kostengünstige Ausstellungs- und Verkaufsshowrooms für Kreative umfunktionieren und das ohne endlose Behördengänge. Ein Beispiel fällt mir aus München ein - dort wurde ein alternativer Pop-Up-Space in der luxuriösen Maximilianstraße installiert, um etwas Kultur und Spirit in die Schickeria zu bringen. Nur die Nebenkosten mussten von den "Mietern" bezahlt werden. Um diesen oder andere relevante Räume musste man sich beim Kompetenzteam Kultur- und Kreativwirtschaft bewerben. 
 
Ich beschloss letztlich, meine Unternehmung mit eigenen Kapazitäten und bescheidenen Ersparnissen aus dem Boden zu stampfen, wobei mir der extreme Zeit- und Gelddruck sehr bewusst war. Das hat mich aber eher motiviert als verunsichert. In 6 Monaten habe ich meine Firma konzipiert und ins Leben gerufen - vom Businessplan über den Finanzierungsplan, die Suche nach geeigneten Räumlichkeiten, Marketing- und PR-Konzepte, Corporate Identity, Website, Werbemittel, Printkatalog, Fotoshootings. 
 
Pop-up-Store - Die Generalprobe für die Zukunft 
 
Der Store von PAULINA’S FRIENDS befand sich für 5 Monate bis Ende Januar 2017 in der Concept Mall Bikini Berlin. Ich habe PAULINA’S FRIENDS als Pop-Up-Store begonnen, da ich erst testen musste, ob meine Zielgruppe vor Ort ist, und wollte sie dort besser kennen lernen. Es war die Generalprobe, ob das Konzept auch in der Praxis funktioniert. Und es kan fantastisch an, gerade die Mischung macht's! Allerdings hat sich erwiesen, dass das Bikini Berlin auf Dauer nicht der richtige Standort für mein Unternehmen ist. Zum einen sind die Mieten unerschwinglich teuer (für Kreativschaffende und Kulturentrepreneure schlicht unbezahlbar). Das konnte ich mir nur leisten, weil meine Aussteller an der Miete beteiligt waren. Dafür erhielten sie einen Großteil vom Verkaufserlös, was in der Kunstszene eher untypisch ist. Zudem bestand das Publikum im Bikini Berlin (mit wenigen Ausnahmen) aus 60 Prozent Touristen und etwa 40 Prozent Westberlinern. Die Touristen kaufen etwas, das man gerade so mitnehmen kann, Westberliner sind eher konservativ in ihrem Kaufverhalten. Zudem scheint die Bikini Mall mehr zum Schauen, Flanieren, Sich-Inspireren-Lassen, "Auf-den-Zoo-gucken" einzuladen als zum aktiven Kauf. 
 
Dennoch war es ein wunderbarer Start für PAULINA’S FRIENDS: Die Galerie hat eine sehr gute Presseresonanz bekommen und an Bekanntheit gewonnen. Meine Erfahrung hat auch gezeigt, dass Laufkundschaft für den Verkauf von Kunst- und Designobjekte eher sekundär ist (für Mode jedoch wichtig). Es ist ein sehr beratungsintensives, emotionales Geschäft, das mit einem langen Atem verbunden ist. Das war eine wichtige Erkenntnis. 
 
Startschuss für Dauerhaftigkeit 
 
PAULINA'S FRIENDS wird seitdem in Berlin-Mitte weitergeführt. Im Herzen von Berlin trifft sich der typische Mix aus Hipstern, Kunst-, Mode- und Design-Liebhabern sowie Touristen - Klientel, das wir zu unserer Kernkundengruppe zählen. Weitere Pluspunkte sind die erheblich günstigere Miete bei größeren Räumen und die Möglichkeit, die Öffnungszeiten individuell zu gestalten. Das Bikini Berlin hatte demgegenüber sehr strenge Vorgaben, die nicht zu den Bedarfen von PAULINA’S FRIENDS passten. 
 
Aus der bisherigen Zeit hat sich ein Kern an Produzenten herauskristallisiert, der zu einem wichtigen Bestandteil meines Angebots geworden ist. Anderen Kreativen biete ich die Gelegenheit, bei PAULINA'S FRIENDS gegen eine geringe Selbstbeteiligung an den Kosten für Raum, Marketing, Personal etc. mitzumachen, sich so der Öffentlichkeit zu präsentieren und ihren "Marktwert" ausprobieren zu können. Dieser Teilnahmebeitrag ist für jeden erschwinglich, zudem sollen die Künstler und Designer den größten Anteil vom Verkaufserlös bekommen. 
 
Mein Galerieraum steht wiederum der Inszenierung der Mode bzw. für Einzel- oder Gruppenausstellungen von bildenden Künstlern zur Verfügung und ist wochen- oder monatsweise anmietbar. Dieses Angebot zielt auf Künstler aus anderen Städten und Ländern ab. Ein weiteres meiner Ziel ist die Realisierung von eigenen Ausstellungen. Doch dies erst, wenn PAULINA’S FRIENDS eine tragfähige finanzielle Basis hat. Auch wird es keine klassische Galerietätigkeit sein. Ich habe viele Ideen, die aber erst mit der Zeit realisiert werden sollen. 
 
Was ich bisher gelernt habe? Unabhängigkeit bewahren und großzügiger kalkulieren. Man sollte das machen, was einem zu 100 Prozent liegt und den eigenen Wert selbstbewusst nach außen vertreten!
 
Dieser Beitrag erschien zuerst im Kultur Management Network Magazin "Kulturunternehmertum"

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