22.09.2013

Themenreihe Wahlkultur

Autor*in

Kristin Oswald
leitet die Online-Redaktion von Kultur Management Network. Sie studierte Geschichte und Archäologie in Jena und Rom sowie Social Media-Marketing in Berlin. Sie ist freiberuflich in der Wissenschaftskommunikation und im Museumsmarketing mit Schwerpunkt online tätig.
Wahlkultur 2013

Für unsere Nutzer hat Kulturpolitik "viel Potenzial für Wut und Ärger"

Während der letzten beiden Wochen haben wir parallel zu unserem Themen-Special Wahlkultur eine Umfrage bei unseren Lesern zu ihrer Einstellung in Bezug auf Kulturpolitik und Bundestagswahl durchgeführt. Über 850 Meinungen konnten wir dabei sammeln und auswerten. Dabei wollten wir nicht die Vorlieben unserer Leser für einzelne Parteien und deren Inhalte herausfinden, sondern Tendenzen dazu erkennen, welchen Stellenwert Kulturschaffende der Kulturpolitik einräumen und wo sie selbst Schwerpunkte und Herausforderungen für die Zukunft sehen. Die Ergebnisse sind dabei durchaus überraschend und dürften bei den zur Wahl stehenden Parteien hoffentlich für Nachdenken sorgen.

Themenreihe Wahlkultur

Wie die Beiträge von Wahlkultur zu den kulturpolitischen Programmen der Parteien, konzentrierte sich auch die Umfrage auf folgende zentrale Punkte, die für die Kulturpolitik der nächsten Jahre von Bedeutung sein werden:
 
  • Rang und Einordnung von Kulturpolitik im Parteiprogramm,
  • besonders betonte Inhalte der Kulturpolitik,
  • die Verantwortlichkeit für und die Finanzierung von Kultur zwischen Staat und Ländern,
  • Kulturpolitik und gesellschaftliche Kontexte,
  • die Verbindung zwischen Medien-/Internetpolitik, Urheberrecht und Kultur/kultureller Bildung,
  • die Bildungs- und Hochschulpolitik mit Bezug zu den Kulturwissenschaften sowie
  • Personalpolitik im Kulturbereich und die Künstlersozialkasse.
Die Mehrheit der Befragten ist zwischen 26 und 35 Jahren (32,8%), 36 und 50 Jahren (35,7%) oder 51 und 65 Jahren (20,9%) und vertritt daher Kulturmacher,manager und interessierte, die im Arbeitsleben stehen und die Arbeits- und Rahmenbedingungen im Kulturbereich sehr gut kennen. Mit 9,2% bestimmten auch Studenten die Ergebnisse der Umfrage mit.
 
Interessant erscheint in Anbetracht dieser Zahlen, dass trotz der beruflichen Tätigkeit in Kunst und Kultur nur etwas mehr als die Hälfte der Umfrageteilnehmer angab, sich die kulturpolitischen Programme der Parteien vor der Bundestagswahl überhaupt anzuschauen. Im Gegensatz dazu gaben jedoch 69,2% an, dass Kulturpolitik für sie bei der Wahl einer Partei durchaus eine Rolle spielt. Fast die Hälfte der Befragten würden sogar ihre Wahlentscheidung ändern, ginge es allein um Kulturpolitik! Es ist zu vermuten, dass sich diese Differenz daher erklärt, dass man meint, die kulturpolitischen Grundsätze der Parteien zu kennen und dass es nicht notwendig sei, sich über Details genauer zu informieren. Gerade aufgrund des digitalen Wandels und dem Ruf nach neuen Beteiligungsmöglichkeiten lohnt sich dies aber durchaus, da die Ideen und Meinungen der Parteien nicht nur sehr unterschiedlich, sondern zum Teil auch sehr überraschend und innovativ sind.
 
Ein von den Parteien sehr unterschiedlich behandelter Punkt ist die Verteilung der Verantwortlichkeit für Kulturpolitik zwischen Bund, Ländern und Kommunen. CDU und FDP möchten die Länderhoheit beibehalten, die anderen Parteien zumindest das Kooperationsverbot zwischen den Ländern und dem Bund aufheben. Auch 53,2% der Leser sind für eine gemeinschaftliche Verantwortung aller drei Ebenen. Weder wird eine mehrheitliche kulturpolitische Verantwortung des Bundes (14,4%) noch der Kommunen (16,5%) gewünscht. Da allerdings nur 5,4% mit der derzeitigen Situation zufrieden sind, wünscht sich die Mehrheit der Teilnehmer eine Reform dieses Bereiches. Entsprechend wurde auch die Frage, ob Deutschland eine/n Bundeskulturminister/in braucht, von 77,2% mit ja beantwortet. Das ist ein klares Votum für eine Aufwertung dieses Amtes.
 
Recht uneinig zeigten sich die Leser hingegen bei den inhaltlichen Fragestellungen, denen sich die Kulturpolitik in den nächsten Jahren vorrangig widmen sollte. Die Förderung von Künstlern und Kreativen hielten 57,1% für besonders wichtig, dicht gefolgt von integrativer kultureller Bildung mit 56,5%. Ein neues Urheberrecht erachten 37,8% für am notwendigsten, während der Digitalisierung nur 24,7% und dem Kulturerbe 17,6% eine politische Präferenz zugestanden. Stolze 87,4 % halten eine stärkere Verknüpfung von Kultur-, Bildungs- und Netzpolitik für wichtig oder sehr wichtig. Ähnlich zeigt sich die Verteilung auch bei den Parteien. Reformierte Förderungsbedingungen und neue Maßstäbe für die kulturelle Bildung, die Integration und Toleranz stärker unterstützen, thematisieren alle. Dem Urheberrecht, der Digitalisierung und Zugänglichkeit zu Bildung und Forschung wird ebenfalls häufig ein hoher Stellenwert zugeschrieben. Entsprechend scheint es, als wären sich die politischen Verantwortlichen mit Kulturmachern, Künstlern und Kreativen einig über die Bedeutung dieser Themen für die Gesellschaft und den Kulturbereich selbst und auch darüber, dass hier Reformbedarf besteht.
 
Der letzte Punkt der Umfrage und auch eine Vielzahl der Kommentare beschäftigten sich mit den Arbeitsbedingungen im Kultursektor. Reformen hielten hier 39,6% für sehr wichtig und 37,3% für wichtig. Die Teilnehmer sprachen sich speziell für eine bessere Absicherung im Alter, im Krankheitsfall und zwischen Projekten oder befristeten Beschäftigungen aus. Auch mehr Abstand zu reiner Projektförderung, mehr Steuergerechtigkeit innerhalb der Kultur, eine Anpassung der Künstlersozialkasse an neue Kulturzweige und weniger bürokratischer Verwaltungsaufwand wurden gewünscht. Insgesamt gehen die Meinungen der Leser hier in Richtung einer größeren Nachhaltigkeit in der Kultur, im Bereich der Arbeits- und Lebensbedingungen ebenso wie in Bezug auf die geförderten Inhalte, insbesondere auch im Kontext mit kurzfristigen Sparmaßnahmen auf kommunaler und Länderebene.
 
Auch mehr kulturelle Vielfalt auf regionaler und vor allem ländlicher Ebene, mehr Kulturbreite und Förderung von bürgernahen Kulturorten wie Bibliotheken und Subkulturen wurden gefordert. Die Bezuschussung von Hochkultur und Leuchtturmprojekten hingegen ginge seit Langem am Ziel vorbei. Die Gleichsetzung von Kultur mit Kunst auf der einen und Hochkultur auf der anderen Seite hat ihre Gültigkeit längst eingebüßt und wird von der Mehrheit der Umfrageteilnehmer als Bremse kultureller Entwicklung wahrgenommen. Auch die zunehmend erzwungene Einpassung des Kultursektors in ökonomische Zwänge kritisierten die Teilnehmer der Umfrage. Doch eine von Verkaufszahlen und vermeintlich messbaren Erfolg geprägte Kulturpolitik verfehlt den gesellschaftlichen und Eigenwert von Kultur.
 
Speziell im Vorfeld der Wahl interessant ist zudem der Hinweis, dass die Politik einsehen solle, dass die Stimmung in der Bevölkerung nicht besser wird, indem man zuerst die Kulturfinanzierung kürzt/streicht. Dass hier viel Potenzial für Wut und Ärger von Seiten der Bevölkerung besteht, wird immer wieder deutlich. Die geringe Bedeutung des Themas zeigt jedoch die Tatsache, dass Kulturpolitik im Wahlkampf keine Rolle spielt. Dies kritisierten viele unserer Leser. Kultur bildet die Identität eines Landes. Als ein Gesicht nach innen und außen müssen wir Kultur pflegen.
 
Aufgrund stetiger Finanzierungsprobleme, schwieriger bis desaströser Arbeitsbedingungen in Kunst, Kreativwirtschaft und wissenschaftlicher Kultur, neuer gesellschaftlicher Fragestellungen und einem sinkenden Ansehen der Kultur in Politik und auch Gesellschaft, bedarf die Kulturpolitik innovativer Ideen und neuer Möglichkeiten, die über reine Reformen hinausgehen. Inwieweit die einzelnen Parteien hierbei die Ihrer Meinung nach richtigen Inhalte bereit halten, können Sie anhand unserer Beiträge zu den kulturpolitischen Programmen entscheiden.
 

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