29.07.2019

Themenreihe Karriere

Autor*in

Jörg Arndt
ist nach verschiedenen beruflichen Leitungsstationen im Kultur- und Bildungsbereich sowie als Führungskräfte-Coach derzeit Interims-Vorstand und -Direktor der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen. Seine breiten Führungs- und Managementerfahrungen und Kenntnisse an der Nahtstelle zwischen Politik und Verwaltung reichen von der Einführung neuer Instrumente des Personalmanagements und der Organisationsentwicklung bis hin zum Prozessmanagement. 
Wie werden Bewerber ausgewählt?

Annika sucht ihren Traumjob Teil II

Nach der Bewerbung ist vor dem Vorstellungsgespräch. Dabei geht es nicht um Standardantworten, sondern um Engagement, Kreativität und Selbstbewusstsein. Wir zeigen beispielhaft, wie der Prozess der Bewerbungsbegutachtung in einer kommunalen Kultureinrichtung abläuft und wie sich Kulturschaffende auf das erste Kennenlernen vorbereiten können.

Themenreihe Karriere

Wie gehen die Entscheider nach Eingang der Bewerbungen vor?
 
Dieter, der Personaler der Stadtverwaltung, nimmt nach Ablauf der Bewerbungsfrist die formale Sichtung der Bewerbungen vor. Für Dieter ist das Routine. Er prüft zunächst, ob bei den Bewerbungen die formalen Voraussetzungen vorliegen. Er verzieht ein wenig das Gesicht, da Museumsleiterin Katharina ein breites Spektrum an geisteswissenschaftlichen Studienabschlüssen im Ausschreibungstext gesucht hat. Umso breiter ist die Bewerber*innen-Lage, insgesamt 143 Bewerbungen. 
 
Mit seinem geübten Blick erkennt er jedoch, dass sich einige nicht wirklich Mühe gegeben haben. Zudem verfügen manche Bewerber*innen nicht über die in der Ausschreibung angegebenen und zwingend zu erfüllenden formalen Qualifikationen und Studienabschlüsse. Diese Bewerbungen landen auf dem Stapel "D" für: nicht weiter im Verfahren zu berücksichtigen und für fehlende Voraussetzungen. 
 
Dieter filtert anschließend jene Bewerbungen heraus, in denen Kandidat*innen über einen akademischen, jedoch nicht geisteswissenschaftlichen Abschluss verfügen und die deutlich erkennbar vom Anforderungsprofil abweichen. Diese Bewerbungen landen auf dem Stapel "C" steht für: im Prinzip unbeachtlich, da unterdurchschnittlich und außerhalb der geforderten Kompetenzen.
 
Der Umfang der näher zu betrachtenden Bewerbungen schrumpft gewaltig. Es sind nur noch 57 verblieben, mit denen er sich genauer beschäftigen muss. Diese verfügen alle über die formalen Voraussetzungen eines geisteswissenschaftlichen Studienabschlusses, liegen jedoch bei den fachlichen und außerfachlichen Anforderungen in Teilen weit auseinander. 
 
Dieter macht jetzt zwei Stapel auf. Im Stapel "B" landen alle Bewerbungen, bei denen nicht auf den ersten Blick erkennbar ist, ob die Kandidat*innen schon über alle Anforderungen verfügen. Diese Gruppe ist noch nicht aus dem "Rennen", aber hier muss ggf. im weiteren Auswahlverfahren nachgefragt werden. Der Anteil dieser Bewerbungen ist mit 30 nochmals hoch.
 
Automatisch hat sich der Stapel "A" befüllt. Das sind die TOP-Bewerbungen. Ganze 27 Kandidat*innen sind in dem "Topf" und die Qual der Wahl wird schwer. Jetzt erstellt Dieter einen dezidierten Bewerberspiegel in Excel, um die verbliebenen Bewerbungen mit dem Anforderungsprofil zu "matchen" Dazu liefert ihm die Gewichtung aus dem Anforderungsprofil die Grundlage und es ergibt sich ein Ranking der 27. Annika hat Glück. Sie ist unter den ersten 5. Dieter schlägt Katharina vor, diese 5 Kandidat*innen zum zweistufigen Auswahlverfahren einzuladen.
 
Katharina als Museumsleiterin schaut sich nun den Stapel A komplett an, den Stapel B nur kursorisch, Stapel C und D gar nicht. Im Stapel B findet Katharina noch zwei interessante Kandidat*innen. Bei ihnen ist sie anderer Auffassung als Dieter, denn sie schaut stärker auf den innovativen Gehalt der Bewerbungen - und: Ist die Bewerbung in sich stimmig und wird eine "Person" erkennbar? Da hat Dieter zu formal geschaut. Also werden zwei Bewerbungen aus Stapel B zusätzlich zu den 5 eingeladen.
 
Katharina nutzt die Zeit bis zum Bewerbungsschluss, um das Auswahlverfahren vorzubereiten. Es wird ein sog. strukturiertes oder zweistufiges Verfahren sein. Im Ersten Teil soll eine Selbstpräsentation zum Einsatz kommen, deren Aufgabe die Kandidat*innen mit der Einladung erhalten. Es soll nach Möglichkeit visualisiert vorgetragen werden, aber einige Kandidat*innen wollen nach Katharinas Erfahrung dennoch lieber vom Blatt und im Sitzen ablesen, um es "hinter sich zu bringen". Katharina weiß, da "trennt sich die Spreu vom Weizen". Zudem hat sie einen Interview-Leitfaden mit Dieters Hilfe entwickelt, der fachliche und außerfachliche sowie situative Fragen aus dem bisherigen beruflichen Alltag der Kandidat*innen beinhaltet. Das Ganze ist für ca. 45 Minuten im ersten Verfahren angelegt.
 
Darüber hinaus wird es eine Woche später eine zweite Stufe geben. Jetzt geht es vor allem darum, ob die Kandidat*innen über die im Anforderungsprofil formulierten außerfachlichen Fähigkeiten und Kompetenzen verfügen. Dazu sind zwei situative Rollenspiele angedacht, u.a. sollen die Kandidat*innen in einem round-table-Gespräch ein konkretes, von ihnen frei wählbares Community-Projekt vier Kolleg*innen aus dem Museum "schmackhaft" machen. Dabei geht es nicht um richtig oder falsch, vielmehr wird auf die Art und Weise und die Überzeugungskraft geschaut.
 
Nach der Bewerbung ist vor dem Auswahlgespräch vs. ich warte mal ab
 
Annika bereitet sich vor. Sie weiß, was auf Sie zukommen kann. Die üblichen Bewerbungsratgeber hat sie beiseitegelegt. Von den dort genannten Fallstricken in einem Auswahlverfahren schwirrt ihr der Kopf. Beim Lesen hat sie jedoch erkannt, dass es eine Art "Struktur" gibt und folgende Fragen sich fast immer wiederholen:
 
Bei einer (zu visualisierenden) Selbstpräsentation von max. 15 Minuten:
 
  1. Benennen Sie bitte kurz Ihre wesentlichen beruflichen Stationen, die für die ausgeschriebene Position von Relevanz sind. 
  2. Wo vermuten Sie die Herausforderungen in Ihrem künftigen Arbeitsfeld? 
  3. Unter welchen Rahmenbedingungen konnten Sie in Ihrer aktuellen Position erfolgreich arbeiten und welche empfanden Sie eher als belastend? 
  4. Skizzieren Sie Ihr persönliches Leitbild, das für Ihre Arbeit und Herangehensweise kennzeichnend sein wird.
Annika weiß auch, dass es dazu Nachfragen geben kann, wie:
 
  • Was waren jeweils die bleibenden Eindrücke aus den bisherigen beruflichen Stationen, was haben Sie für sich jeweils mitgenommen?
  • Wie lange suchen Sie schon eine andere Position? Ist dies die einzige Bewerbung?
Für das Interview der ersten Stufe bereitet sich Annika anhand folgender Fragen vor, die so oder ähnlich häufig gestellt werden:
 
  • Wie haben Sie sich zu der ausgeschriebenen Aufgabe/ zu der Einrichtung informiert?
  • Sie erfüllen nicht ganz die angeführten Voraussetzungen, was reizt Sie an der ausgeschriebenen Aufgabe/ Position? (Motivation)
  • Was vermuten Sie für Anforderungen an die ausgeschriebene Stelle?
  • Was war Ihr bisher größter beruflicher Erfolg und welchen Anteil hatten Sie daran?
  • In Ihrer Arbeit begegnen Sie vielfältigen Herausforderungen, wie gehen Sie damit um? Haben Sie ein konkretes Beispiel aus Ihrer jetzigen beruflichen Zeit?
  • Was beinhalte für Sie Projektmanagement, z.B. für die ausgeschriebene Aufgabe? Wieviel Projektarbeit könnte in der Aufgabe stecken?
  • Welche beruflichen Situationen empfanden/ empfinden Sie als besonders herausfordernd?
  • Wie gehen Sie mit Kritik um? (Haben Sie schon einmal Fehler im Beruf gemacht?)
  • Unter welchen Bedingungen sind Sie am besten? -> wo sagen Sie einmal Chaka?
  • Wie nutzen Sie selbst die Soziale Netze?
… und sie bereitet sich auf die Standardfragen vor, auch wenn die scheinbar "abgedroschen" sind:
 
  • Was sind Ihre drei wichtigsten Stärken und Schwächen (neutraler formuliert: Entwicklungspotenziale) und warum sollten wir uns für Sie entscheiden? 
  • Welche Fragen haben Sie an uns? (Annika bereitet sich vor: Kolleg*innen? Eigener Verantwortungsbereich? Konkrete Aufgabe? Unterstützung bei der Einarbeitung? Über den Entgeltrechner im Internet kennt sie bereits ihr Einstiegsgehalt.)
  • Wie lange schätzen Sie die Einarbeitungszeit ein?
  • Ab wann könnten Sie uns zur Verfügung stehen?
Sie weiß, dass sie sich vor allem mental auf diese Fragen einstellen, nicht etwas auswendig lernen sollte. Annika möchte locker und authentisch bleiben und tut gut daran.
 
Während der Wochen bis zum Bewerbungsgespräch spricht Sie für sich die eine oder andere Fragestellung im Stillen durch. Dabei fallen ihr noch weitere mögliche Fragen ein. Es macht ihr plötzlich Spaß und Sie merkt, Sie wird in den Antworten sicherer. Auch hat sie mit Ihrer Freundin verabredet, dass sie vor ihr eine Selbstpräsentation probt. Annika macht sich gedanklich auch mit möglichen Aufgabenstellungen im Auswahlverfahren vertraut. Damit kann sie souveräner auftreten.  
 
Sie liest zudem nochmal die Stellenausschreibung und die Anforderungen, überlegt sich, welche Herausforderungen das für sie beinhaltet und welchen Beitrag sie zur erfolgreichen Aufgabenwahrnehmung und Zielstellung leisten kann. Auch überlegt sie, wo sie in einem Jahr stehen möchte, falls sie die Stelle bekommen würde. Vielleicht wird das auch eine Frage im Interviewteil?
 
Annika ist gut gerüstet. Bewerbung, Auswahlverfahren aber vor allem Ihre Vorbereitung und den im Verfahren gezeigten Esprit und die Fachlichkeit haben überzeugt.
 
Das Fazit
 
Annika bekommt die Stelle und ihre Freude ist grenzenlos. Ihre Mühe und intensive Vorbereitung werden belohnt, jetzt muss sie nur noch das Ganze unter Beweis stellen. In zwei Monaten tritt sie die Aufgabe an und kann sogar noch einen Urlaub zuvor planen.
 
Katharina hat einen Einführungsplan für Annika erstellt, der auch eine Fortbildung zum Wandel in Städtischen Museen einschließt. Change-Management-Instrumente und methodisches Wissen, auf welche Weise Organisationsentwicklung und Kulturwandel in die Umsetzung gebracht werden können, kann Annika noch lernen. Ihre Voraussetzungen sind vielversprechend. Auch Katharina freut sich, so eine Hoffnungsträgerin gefunden zu haben. Sie wird Annika beim Start unterstützen.  
 
Dieter lehnt sich zufrieden in den Bürostuhl zurück. Wieder einmal hat sein methodisches Vorgehen bei der Vorauswahl die richtige Wahl ermöglicht. Dieter hatte Annika schon nach der Erstauswahl als heimliche Favoritin auf dem Schirm. 
 
Der erste Teil dieses Beitrages erklärt, worauf Personaler und künftige Vorgesetzte bei Bewerbungsschreiben und Lebensläufen.

Unterstützungsabos


Mit unseren Unterstützungsabos unterstützen Sie unsere Redaktion mit einem festen Betrag pro Monat – und damit alle unsere kostenfreien Inhalte, also unser Magazin, unseren Podcast, die Beiträge und die Informationen zu Büchern, Veranstaltungen oder Studiengängen auf unserer Website. 

5€-Unterstützungsabo Redaktion

Mit diesem Abo unterstützen Sie unsere Redaktion mit 5€ im Monat. Das Abonnement ist jederzeit über Ihren eigenen Account kündbar.

Preis: 5,00 EUR / 1 Monat(e)*

15€-Unterstützungsabo Redaktion

Mit diesem Abo unterstützen Sie unsere Redaktion mit 15€ im Monat. Das Abonnement ist jederzeit über Ihren eigenen Account kündbar.

Preis: 15,00 EUR / 1 Monat(e)*

25€-Unterstützungsabo Redaktion

Mit diesem Abo unterstützen Sie unsere Redaktion mit 25€ im Monat. Das Abonnement ist jederzeit über Ihren eigenen Account kündbar.

Preis: 25,00 EUR / 1 Monat(e)*
* Alle Preise sind inkl. der gesetzl. Mehrwertsteuer, zzgl. evtl. anfallenden Gebühren
Kommentare (0)
Zu diesem Beitrag sind noch keine Kommentare vorhanden.

Unterstützungsabos

Mit einem Unterstützungsabo unterstützen Sie die kostenfreien Inhalte unserer Redaktion mit einem festen Betrag pro Monat – also unser Magazin, unseren Podcast, die Beiträge und die Informationen zu Büchern, Veranstaltungen oder Studiengängen auf unserer Website. 

5€-Unterstützungsabo Redaktion

Mit diesem Abo unterstützen Sie unsere Redaktion mit 5€ im Monat. Das Abonnement ist jederzeit über Ihren eigenen Account kündbar.

Preis: 5,00 EUR / 1 Monat(e)*

15€-Unterstützungsabo Redaktion

25€-Unterstützungsabo Redaktion

* Alle Preise sind inkl. der gesetzl. Mehrwertsteuer, zzgl. evtl. anfallenden Gebühren
Cookie-Einstellungen
Wir setzen auf unserer Website Cookies ein. Einige von ihnen sind notwendig (z.B. für den Stellenmarkt), während andere uns helfen, unsere Angebote (Redaktion, Magazin) zu verbessern und wirtschaftlich zu betreiben. Einige Angebote können nur genutzt werden, wenn Cookies gesetzt wurden.
Sie können die nicht notwendigen Cookies akzeptieren oder per Klick auf die graue Schaltfläche ablehnen. Nähere Hinweise erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Ich akzeptiere
nur notwendige Cookies akzeptieren
Impressum/Kontakt | AGB