17.02.2020

Buchdetails

Museen digital: Eine Gedächtnisinstitution sucht den Anschluss an die Zukunft
von Hubertus Kohle
Verlag: Heidelberg University
Seiten: 210
 

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Autor*in

Markus Wiesenhofer
ist Stv. Leiter der Hauptabteilung Kommunikation & Marketing der Österreichischen Galerie Belvedere in Wien und unterrichtet Kulturtourismus & -marketing u.a. an der FH Wien, JKU Linz und dem Art & Economy Lehrgang der Universität für Angewandte Kunst Wien. Er studierte Tourismusmanagement an der Fachhochschule IMC Krems und Public Communication an der Universität Wien und arbeitet seit 20 Jahren in Kulturtourismus und -management (u.a. Schloß Schönbrunn Kultur- und Betriebsges.m.b.H., Österreich Werbung).
Buchrezension

Museen digital

Digitalisierung in der Museumswelt ist ein überaus intensiv diskutiertes zweischneidiges Schwert: Den vielfältigen Möglichkeiten und modernen Anwendungsfällen steht eine skeptische Haltung zu negativen Effekten einer übermedialisierten Gesellschaft gegenüber. Welche Chancen, aber auch Risiken für die Museen daher grundsätzlich in der Digitalisierung stecken, zeigt Hubertus Kohle in "Museen digital".
 
Der renommierte Münchner Kunsthistoriker unternimmt in seiner 2018 bei Heidelberg University Publishing erschienen Publikation eine unterhaltsame und praxisnahe Reise durch die zunehmend auch digitale Museumswelt. Das Motto dabei: Eine Gedächtnisinstitution sucht Anschluss an die Zukunft. Mit einer ausführlichen kritischen Betrachtung über das sich gerade stark wandelnde Wesen eines Museums leitet Kohle das Thema ein.
 
Seine intensive Recherche ermöglicht in weiterer Folge eine Tour d’horizon durch folgende sieben Museen:
  • Brooklyn Museum of Art,
  • Metropolitan Museum of Art,
  • Cooper Hewitt,
  • Smithsonian Design Museum,
  • Rijksmuseum, Tate Gallery,
  • Städelsches Kunstinstitut und
  • die europaweite Kunstplattform Europeana
 
In jedem Kapitel wird die grundsätzliche Haltung des jeweiligen Museums zur Digitalisierung analysiert und anhand von zahlreichen Beispielen illustriert.  Dabei geht der Autor auch ganz bewusst auf weniger erfolgreiche Projekte ein, um mögliche Lehren zu ziehen. Nebenbei erklärt der Autor außerdem Fachbegriffe, von Augmented Reality bis Wisdom of Crowds. Seine Ausführungen werden zusätzlich garniert mit kürzeren Anekdoten und Beispielen aus anderen Institutionen, die Lust machen, die einzelnen Projekte kennenzulernen. Kohle gibt damit einen sehr kompakten Überblick zu den wesentlichen digitalen Entwicklungen in Museen weltweit, wobei ein sehr heterogenes und differenziertes Bild entsteht. Aus den vielen außergewöhnlichen Digitalisierungsprojekten im Buch seien hier zwei exemplarisch herausgegriffen:

Die Tate Gallery in London hat beispielsweise bereits sehr früh erkannt, dass die Digitalisierung ein Museum ganzheitlich erfasst und entsprechend eine umfassende Digitalisierungsstrategie formuliert: "Digital as a dimension of everything". Natürlich sind nicht in allen Belangen gleich schnell Fortschritte zu verzeichnen. Dennoch hat die Tate Gallery mit einigen Vorzeigeprojekten in den letzten Jahren eine Pionierrolle eingenommen, wie etwa mit der "Art UK" - Plattform. Auf dieser werden Bilder digital als "Open Content" zur Verfügung gestellt und können von allen Nutzern partizipativ und egalitär mit Annotationen erweitert werden. So entsteht einerseits von Experten und Laien geteiltes Wissen und andererseits auch intensiver Austausch unter den Interessierten.

Das Riijksmuseum in Amsterdam steht darüber hinaus seit Jahren für gelebte Transparenz und Offenheit und darf getrost als "Internet-enthusiastisch" bezeichnet werden: Denn die drei Prinzipien "Open Science", "Open Access", "Open Culture" werden hier gelebt. So können aktuell über 200.000 Bilder jederzeit frei - auch kommerziell - verwendet werden. Das Rijksstudio geht so gar noch einen Schritt weiter und forciert aktiv die kreative Nutzung von Kunstwerken der Sammlung im digitalen Raum. 

Ohne langfristige Strategie kein digitaler Erfolg

Wichtige Eckpfeiler der Bemühungen im digitalen Raum sind Diversität, Partizipation und Offenheit. Die unterschiedlichen Versuche der Museen in diesem Bereich werden von den Rezipienten doch mit sehr wechselhaftem Erfolg angenommen. An der grundsätzlichen ernsthaften Auseinandersetzung mit einer Digitalstrategie führt jedoch ganz offensichtlich für kein Museum ein Weg vorbei. 

Der Autor gibt dazu zwei wesentliche Empfehlungen für alle Museen, die im Bereich Digitalisierung agieren: Zunächst ist eine grundlegende und für die jeweilige Institution individuell passende Strategie zu definieren. Darin sollten Ziele und strategische Eckpunkte für eine Digitalisierungsstrategie festgelegt sein. Erst wenn klar ist, was das eigene Museum im digitalen Raum erreichen will (und kann), sollten weitere Planungen und erste Schritte folgen. Danach sollten die nötigen Ressourcen langfristig dafür gesichert werden. Nur wenn ausreichende personelle und finanzielle Ausstattung vorhanden ist, können digitale Projekte auch nachhaltig zum Erfolg führen. Davon zeugen auch viele der im Buch vorgestellten Beispiele. Trotz der vielfach geäußerten Vorbehalte gegenüber den Entwicklungen in der digitalen Welt - insbesondere in der deutschen Museumslandschaft - überwiegen letztlich die Möglichkeiten, die Rolle des Museums in der neuen digitalen Realität neu zu prägen. 

Das Buch schließt daher mit einer optimistischen Aufforderung, sich dieser großen Herausforderung Digitalisierung im Museumsbereich zu stellen. Ein Glossar aktueller Begriffe der digitalen Welt sowie eine umfangreiche Linksammlung regen zur weiteren Vertiefung des Themas an.

Mehr als ein gedruckter Online-Guide zur Museumswelt

Hubertus Kohle zeigt in seinem Buch, wie Museen die Digitalisierung nutzen, um ihren gesellschaftlichen Auftrag zu erfüllen und sich dabei neu erfinden (müssen). Der Autor gibt einen praxisorientierten Einblick in die international herausragendsten Ansätze der Gegenwart. Die sehr persönliche, humorvolle und gleichzeitig sehr profunde Einschätzung aus Sicht eines Kunsthistorikers macht das Buch äußerst lesenswert. Das Buch selbst wirkt dabei wie eine gedruckte Version einer Blog-Sammlung oder eines Online Guides, das viele Referenzen und Verlinkungen zu aktuellen Themen und Projekten der unterschiedlichen Museen aufweist. 

Aufgrund der rasant voranschreitenden gesellschaftlichen und technologischen Entwicklung wird wohl bald eine Aktualisierung notwendig, da Kohles umfassende Beurteilung der digitalen Lage der Museumswelt auf dem Stand von 2018 basiert. Besonders wertvoll wäre es darüber hinaus, auch in weiterer Folge einen Blick auf kleinere Museumseinrichtungen zu werfen. Die breite Basis von kleinen Kultureinrichtungen hat - wenn auch mit beschränkten Ressourcen - ähnliche Herausforderungen zu bewältigen. Ein Einblick in deren gelebte Praxis wäre daher lohnenswert und wünschenswert, um deutlich zu machen, was auch mit geringeren finanziellen und personellen Ressourcen möglich ist. Nichtsdestotrotz ist das Buch für alle Museumsinteressierten sehr empfehlenswert, die sich einen raschen Überblick über den aktuellen Diskurs verschaffen wollen.

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