11.04.2024

Themenreihe Personal

Autor*in

Suy Lan Hopmann
hat Politikwissenschaften studiert und war Kuratorin im "Museum am Rothenbaum - Kulturen und Künste der Welt", wo sie unter anderem für die Ausstellung "Hey Hamburg, kennst du Duala Manga Bell" zuständig war, die sich anhand des Protagonisten mit deutscher Kolonialgeschichte auseinandersetzt. Zudem war sie Projektreferentin für die Dekolonisierung Hamburgs bei der Kulturbehörde der Stadt und ist nun als Programmkuratorin im Stadtmuseum Berlin tätig.  
Julia Jakob
studierte Musikwissenschaft und Kulturmanagement in Weimar. Praktische Erfahrungen im Kulturbetrieb sammelte sie bei unterschiedlichen Festivals und in verschiedenen Veranstaltungsbüros sowie als Agentin bei weim|art e. V. Seit 2021 ist sie die Chefredakteurin des Kultur Management Network Magazins und stellvertretende Leiterin der Redaktion.
Diversitätsorientierte Personalentwicklung

Diversität endet nicht bei der Stellenbesetzung

Wollen Kultureinrichtungen sich neuen Zielgruppen öffnen, müssen sie sich auch intern diverser aufstellen. Wie komplex solche Diversifizierungsprozesse sind, darüber sprachen wir mit Suy Lan Hopmann. Als damalige Kuratorin für Diversität und Sonderprojekte am MARKK in Hamburg gab sie dabei Einblicke ihre damit verbundenen Erfahrungen.

Themenreihe Personal

Hinweis: Das Interview erschien bereits im August 2021 in unserem KMN Magazin zu "Personalentwicklung".
 
Liebe Frau Hopmann, Sie sind Kuratorin für Diversität und Sonderprojekte im Museum am Rothenbaum - Kulturen und Künste der Welt (MARKK) in Hamburg. Was sind dabei Ihre Aufgaben?
Meine Aufgabe ist, das MARKK dabei zu unterstützen, sich neuen Zielgruppen zu öffnen und Angebote zu schaffen, die auch für die diverse Stadtgesellschaft interessant sind. Dabei ist es wichtig, auch das dahinterstehende Team zu diversifizieren. All das läuft im Rahmen des Programms "360° - Fonds für eine neue Stadtgesellschaft" von der Kulturstiftung des Bundes, worüber auch meine Stelle finanziert wird. In diesem Programm sind circa 40 Kulturinstitutionen aller Sparten, die sich mit diversitätsbezogenen Öffnungsprozessen mit Fokus auf Migration und kulturelle Vielfalt in den Bereichen Personal, Programm und Publikum beschäftigen wollen. Am MARKK ist uns dabei wichtig, die Debatte nicht nur zu verfolgen, sondern aktiv daran teilzunehmen und deutlich zu machen, dass es nicht nur um Migrationsgeschichte geht, sondern auch um Rassismuserfahrungen. 
 
Was gilt es bei den Diversifizierungsprozessen des Personals zu beachten? Welche Erfahrungen haben Sie dabei insbesondere beim MARKK gemacht?
Beim MARKK waren wir in der vorteilhaften Situation, dass mit dem Leitungswechsel neue Stellen geschaffen wurden, die wir unter Berücksichtigung von Diversitätskriterien besetzen konnten. Dazu haben wir uns das Bewerbungsverfahren als Ganzes angeschaut und auch Fragen gestellt wie: Wer entscheidet über die Beschreibung des Stellenprofils? Wer ist in welchen Gremien involviert? An welchen Punkten werden die Gleichstellungsbeauftragte und die Behindertenvertretung im Ausschreibungs- und Besetzungsprozess miteinbezogen? Nach welchen Kriterien werden die Bewerber:innen ausgewählt? Wie können wir sicherstellen, dass im gesamten Prozess Diversitätskriterien zum Tragen kommen? 
 
Dazu ist es zum Beispiel wichtig, dass Diversität bereits im Auswahlgremium gegeben ist, um Lebensläufe, Anschreiben und Berufserfahrungen aus verschiedenen Perspektiven beurteilen und einschätzen zu können. Zusätzlich gibt es außerdem die Möglichkeit, Verfahren stärker zu standardisieren, um sogenannte "Bauchgefühle", die in Bewerbungsverfahren - ausgesprochen oder unausgesprochen - immer eine Rolle spielen, im Gremium verargumentieren zu müssen und sich somit zur Selbstreflektion zu zwingen. Beurteile ich diese oder jene Antwort gerade aus einem Vorurteil heraus oder ist es gerechtfertigt?
 
Zusätzlich signalisieren wir in unseren Stellenausschreibungen, dass wir uns auch besonders über Bewerbungen von Personen of Color sowie Menschen mit Migrations- oder Fluchtgeschichte freuen. Damit zeigen wir, dass wir uns mit dieser Form der strukturellen Diskriminierung auseinandersetzen und ein Interesse daran haben, das Team diverser aufzustellen. Ebenso achten wir darauf, wo die Bewerbungen gestreut werden und ob wir damit wirklich die Leute erreichen, die wir erreichen wollen. Darüber hinaus verzichten wir außerdem auf das Einreichen von Bewerbungsfotos. Damit schützen wir zum Beispiel das Auswahlgremium davor, Bewerbungsunterlagen aufgrund des Aussehens von Bewerber:innen zu beurteilen. 
 
Was muss über den Bewerbungsprozess hinaus beachtet werden, damit solche Diversifizierungsprozesse gelingen?
Besonders wichtig ist es, nicht nur neue und diverse Kolleg:innen zu gewinnen, sondern sie auch zu halten. Wie können wir zum Beispiel sicherstellen, dass sich Menschen, die Rassismuserfahrungen machen, an ihrem Arbeitsplatz wohl und sicher fühlen? Wir am MARKK entwickeln dazu aktuell eine Art "Inclusion Index", den wir über den Diversity Manager der Tate Galleries in Großbritannien kennengelernt haben. Beim Inclusion Index sollen regelmäßig sowohl Diversitätskriterien als auch Antworten zu Fragen erhoben werden wie: Kennen Sie das Leitbild der Organisation und können Sie sich damit identifizieren? Fühlen Sie sich von Ihren Vorgesetzten gesehen? Können Sie an Ihrem Arbeitsplatz Sie selbst sein? Als kleines Haus müssen wir dabei allerdings beachten, die Befragungen so zu gestalten, dass die Anonymität gewahrt bleibt. 
 
An dieser Stelle geht es dann also um den Umgang mit Diskriminierungserfahrungen - ein Thema, das generell sehr sensibel behandelt werden muss. Wie geht man das an?
Die Kolleg:innen müssen natürlich bereit sein, an ihrem Arbeitsplatz über Diskriminierungserfahrungen zu sprechen und sei es in einer anonymen Befragung. Hier braucht es sehr viel Vertrauen innerhalb der Institution. Dieses Vertrauen aufzubauen, ist eine der größten Herausforderungen. Und leider beißt sich die Katze an dieser Stelle auch etwas in den Schwanz: Denn der Inclusion Index soll einerseits das Vertrauen in die Institution erhöhen, gleichzeitig setzt er auch einen gewissen Grad an Vertrauen voraus. Diese muss dann im Vorfeld über die direkte Ansprache sowie Transparenz in der Entwicklung des Index geschaffen werden.
 
Welche Rolle spielt die Entwicklung des bestehenden Personals, wenn es darum geht, Diversity und Change Management Prozesse umzusetzen? 
Schulungen und Weiterbildungen sind eine Möglichkeit, für Themen wie Rassismus und rechte Anfeindungen zu sensibilisieren. Daran schließt sich die Frage nach dem Umgang mit diskriminierenden Strukturen und den dafür notwendigen Diversitätskompetenzen an. Welches Wissen braucht zum Beispiel die Kolleg:in aus dem Besucher:innenservice, um eine diversitätssensible Umgebung für das Publikum und ihre Kolleg:innen zu schaffen? Welche Strukturen und Ressourcen braucht wiederum eine Kurator:in, um die Sammlungsobjekte adäquat und sensibel in den Ausstellungen zu präsentieren und zu gewährleisten, dass sich Herkunftsgesellschaften wie Diaspora respektvoll repräsentiert fühlen. 
 
Dazu haben wir unter anderem auch die Hausordnung geändert. In der Regel sind diese in Museen in erster Instanz auf den Schutz der Objekte ausgelegt. Wir wollten auch das Wohlbefinden der Besucher:innen sicherstellen, weil wir das Museum nicht nur als einen Ort des Wissens und der Bildung wahrnehmen, sondern auch als Ort der Begegnung und des Austauschs. Dieser Ort muss besonders von institutioneller Seite aktiv hergestellt werden. 
 
Welches Mindset braucht es in der Führungs- und Personalabteilung, damit die Notwendigkeit solcher Prozesse überhaupt gesehen wird und diese entsprechend angestoßen werden können?
Ich denke, es braucht vor allem Offenheit, Neugierde und die Bereitschaft, sich auf Dinge und Themen einzulassen, die man noch nicht kennt oder versteht. Damit verbunden ist auch der Mut zu sagen: "Das wusste ich nicht. Diese Form von Diskriminierung liegt außerhalb meines Erfahrungsschatzes, aber es ist wichtig, mich damit zu beschäftigen." 
 
Das Interview erschien zuerst im KMN Magazin Nr. 161: "Personalentwicklung".

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