04.05.2020

Themenreihe Berufsbild

Autor*in

Edith Koschwitz
studierte Illustration und Stadtsoziologie und ist schon lange in verschiedenen Projekten als Kulturmanagerin tätig. Aktuell ist sie Geschäftsführerin des Vereins Netzwerk Kultur Reutlingen, hat maßgeblich an der Kulturkonzeption der Stadt mitgearbeitet und auch im Ländlichen Räume für Kreativität geschaffen. 
Amelie Köperl
ist seit 2016 Studentin der Empirischen Kulturwissenschaft an der Eberhard Karls-Universität Tübingen. Zudem absolvierte sie bereits Praktika bei der Stadtbibliothek Langenau, der Volkshochschule Ulm und dem Landratsamt Ostalbkreis. Sie interessiert sich insbesondere für Aspekte der Regionalität und der Kultur im Ländlichen Raum sowie fürnachhaltige Regionalentwicklung. 
Kulturelle Stadtentwicklung und Projektmanagement

Von der Stadtsoziologin zur Kulturmanagerin

Kulturmanager*innen zeichnen sich oft durch eine Mischung aus Rationalität und Kreativität aus. Die individuelle Ausprägung dieser Mischung richtig zu nutzen, kann zu spannenden Karrierewegen führen. Im Fall von Edith Koschwitz begann der Weg bei der Beschäftigung mit der Wirkung von Kultur auf Städte. Heute setzt sie kulturelle Regionalentwicklungskonzepte in Baden-Württemberg um.

Themenreihe Berufsbild

Amelie Köperl: Im Kulturbereich gibt es zahlreiche Quereinsteiger*innen. Sie haben wahrscheinlich auch nicht direkt die Idee im Kopf gehabt, Kulturmanagerin zu werden. Wie sind Sie von Ihrem Studium zum Projektmanagement im Kulturbereich gekommen?
 
Edith Koschwitz: Da haben Sie völlig recht, ich kann nicht mit einem klassisch strukturierten Lebenslauf aufwarten. Bei mir lief das ein wenig individueller ab und vieles war auch durch Zufälle geprägt. Oft ging es von einem Projekt direkt ins andere, außerdem war ich einige Jahre mit Familienarbeit zugange. In dieser Zeit habe ich an einer Weiterbildung an einer Fernuniversität teilgenommen und konnte mich auch Dank dessen hinterher selbstständig machen, zum Teil auch aus der Not heraus. Damals bekam ich als Frau mit drei Kindern abseits von klassischer Büroarbeit nicht wirklich viel angeboten. Das gefiel mir aber nicht, woraufhin ich im Bereich der Stadtentwicklung für verschiedene Städte gearbeitet habe. Diese Stadtentwicklungsprojekte waren eher ein gesellschaftlicher Ansatz, bei Themen wie der Ausarbeitung einer sozialen Stadt und der Aufwertung von Stadtquartieren im Sinne von Teilhabe und Integration hatte ich eine begleitende Funktion. Weil das Kulturelle in jeglicher Stadtteilarbeit, neben kommunaler und politischer Arbeit ein wichtiger Bestandteil ist, verschob sich mein Blick Richtung Kultur. Ich begann, spartenübergreifend zu denken und mit anderen zusammen zu arbeiten. Mit meiner Arbeit beim Verein Netzwerk Kultur Reutlingen und dem Runden Tisch Kultur als eine Art Dachverband verlagerte sich mein Schwerpunkt Richtung Kulturmanagement. Daraus haben sich dann immer weitere Projekte ergeben, die gemischt waren, einerseits viel persönliches Engagement und andererseits verfolgte ich auch Auftragsarbeiten für Kommunen, also meist Honorararbeit. 
 
AK: Mir ist aufgefallen, dass Sie sich sowohl als Projektleiterin als auch als Kulturmanagerin bezeichnen. Wo liegt da der Übergang, wo die Unterschiede?
 
EK: Eigentlich umgehe ich es, mich so explizit in irgendeiner Form zu bezeichnen, weil meine Projekte immer in unterschiedlichen Bereichen angesiedelt sind, zum Beispiel in der Existenzgründung, in verschiedenen Kulturbereiche oder in der Stadtentwicklung. Nach Bedarf sag ich dann, dass ich Soziologin oder Projektmanagerin bin, Künstlerin oder Kulturmanagerin verwende ich auch. Ich möchte immer miteinbeziehen, dass ich mich neu mit den Aufgaben verbinde, die ich gerade habe. Der Kern der Tätigkeiten, und das ist im Kulturmanagement schon auch ein Merkmal, sind organisatorische Tätigkeiten, Kommunikation, Netzwerken, oftmals auch Fundraising. Im weitesten Sinne sind es dieselben Grundlagen: Eine Idee haben, Teilnehmer und Unterstützer finden, die Idee umsetzen und sie verkaufen, um Publikum für die Themen zu gewinnen.
 
AK: Welche Fähigkeiten haben Sie in Ihrem Studium erworben, die Ihnen jetzt weiterhelfen?
 
EK: In meinem Fall war das Studium eine Erkenntnis, dass es ganz schwierig ist, in Kunstbereichen zu überleben und sich selbstständig zu machen bzw. vielmehr sich zu halten. Das Studium bietet den Einstieg - die Herausforderung ist es, die Möglichkeiten zu suchen und vor allem zu sehen. Wo sind die Freiräume, in denen ich etwas anstoßen kann? Was fehlt, was möchte ich anbieten? Das Studium ist gewiss eine Voraussetzung, aber dann lernt man viel durch Tun und selbst erfahren. Erstmals muss man sich ordentlich engagieren und in den Projekten immer ergebnisoffen bleiben. Es hilft auch, den Mut zu haben, sich in neue Tätigkeitsfelder hineinzubegeben. Mit einer gewissen Integriertheit in ein Netzwerk kann man sich wieder bewerben und Kontakte knüpfen. 
 
AK: Welche konkreten Aufgaben in Ihrem Tätigkeitsbereich fallen vor allem in den Bereich Stadt- und Regionalentwicklung und wie sieht dabei ein typischer Arbeitsalltag von Ihnen aus?
 
EK: Meine bisherigen Projekte im Bereich Stadtentwicklung basierten auf sozialen Sanierungsvorhaben in bestimmten Gebieten, für die Kommunen Programmmittel für einen begrenzten Zeitraum beantragt haben, etwa das Sanierungsprogramm "Soziale Stadt", "Lokales Kapital für soziale Zwecke" oder LEADER. Dazu gehören Bürgerbeteiligung und die Umsetzung von befristeten Projekten zu gesellschaftlichen Themen, beispielsweise soziale Ungleichheit, Bildung oder auch Kultur. In diesem Bereich arbeiten viele Quereinsteiger mit unterschiedlichen Professionen - Architekten, Geographen, Sozialwissenschaftler, interdisziplinäre Teams und so weiter. Bei mir ist es eben die Kombination von Kunst und Stadt-Soziologie. Wenn die Sanierungsvorhaben beendet waren, wurden daraus in manchen Fällen Verstetigungen, aus denen ich längerfristige Aufgabenfelder und Folgeaufträge ableiten konnte - Gesundheitsarbeit in Albstadt, Existenzgründungsprojekte und Gründermesse in Reutlingen, LEADER-Projekte sowie diverse Kulturprojekte. Ich denke, man muss sich breit aufstellen - als Freelancer sowieso - und auch benachbarte Tätigkeitsfelder für sich nutzen. Irgendwie hat ja alles mit Kultur zu tun. Einen typischen Arbeitsalltag gibt es bei mir nicht. Meist sind meine Termine und Veranstaltungen nachmittags oder abends, vormittags ist Büroarbeit angesagt. Aber es gibt keine festen Abläufe.
 
AK: In welche Richtung wird sich das Kulturmanagement in den nächsten Jahren entwickeln, was wird wichtiger werden, was weniger wichtig?
 
EK: Aus meinen Erfahrungen und Beobachtungen würde ich sagen, der Trend geht dahin, dass man viele Bevölkerungsgruppen mitnehmen muss, dass es ein spartenübergreifendes Betätigungsfeld sein kann und auch mehr im Eventbereich anzubieten hat. Betriebswirtschaft und Kulturmarketing werden wichtiger werden. Es gibt nicht mehr einfach nur ein Konzert, sondern solche Formate sind inzwischen beispielsweise oft mit Catering, einer Lichtshow, einer zusätzlichen Lesung ergänzt oder eine Kombination aus Klassik- und Rockmusik oder die Spielstätte ist in einer alten Fabrik. Es gibt keine schnellen Lösungen. Als Kultureinrichtung sollte man lernen, auch mal Macht abzugeben und sich für neue kreative Ideen von außen zu öffnen. Viele Kultureinrichtungen machen sich auf den Weg, inklusiver zu werden und neue Besuchergruppen jeglichen Alters, Geschlechts und Disposition zu gewinnen, eben durch Impulse von außen. Es braucht Kooperationen und Vernetzungsarbeit, auch um finanzielle Mittel zu generieren. Darüber hinaus sollte die Verantwortung nicht nur auf einer Person gelagert sein, um sich auf Stärken konzentrieren und sich in den eigenen Angeboten ausdifferenzieren zu können. 
 
AK: Was glauben Sie ist wichtig für den Berufseinstieg? Wann sollte man Kulturmanager*in werden, wann besser nicht?
 
Das ist ganz individuell, gerade auch in der Schnittstelle Kultur selber machen und Kultur organisieren. Es gibt meiner Meinung nach zwei Wege und da muss jede Person für sich eine Entscheidung treffen: Bin ich glücklich in einem Job in der Kulturverwaltung, das heißt in einem Angestelltenverhältnis, oder möchte ich einen eigenen kulturellen Impetus einbringen? Habe ich große Existenzängste oder kann ich es aushalten, mich von Projekt zu Projekt zu hangeln? Das eine schließt das andere nicht aus, aber ich glaube anfangs ist es von Vorteil, Einblicke zu erhalten und sich ein Netzwerk in einem sicheren Umfeld aufbauen zu können - mit dem Risiko, dass es manchmal unterfordernd ist und man wenig Handlungsspielraum hat. Es kann natürlich ein Einstieg sein, um von dieser sicheren Position seine Kreise zu erweitern. Auf alle Fälle muss man brennen für seinen Beruf. Ich habe klare Vorstellung von dem, was ich möchte, und auch eine gewisse Begeisterung dafür. Oft ist ein Antrieb auch das Bedürfnis, sich einen Namen zu machen und eine gewisse Bekanntheit und ein Standing in dem Feld erlangen zu wollen. Überlegen Sie sich immer was Sie machen würden, wenn es keine Hürden gäbe. Und dann braucht es kleine Schritte und Durchhaltevermögen. Bleiben Sie immer flexibel, um sich dem Weg anpassen zu können und erfinden Sie sich selber wieder und wieder neu.
 
 
 
Das Interview enstand im Rahmen des von Dr. Diana Betzler geleiteten Workshops "Arts Management in der Praxis" des Programms "Studium Professionale" der Universität Tübingen. 

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