26.09.2009
Kreativwirtschaft

Was bedeutet Standort für die zukünftige Entwicklung der kreativen Branchen

Als ein Großteil der Mannheimer Popakademie-Absolventen nach Berlin zogen - obwohl sie keinen Job in Aussicht hattten, geriet der Musikredakteur und DJ und Kenner der Mannheimer Clubszene Sebastian Dresel ins Grübeln. War das Lebensumfeld, das Berlin bot einfach so viel interessanter? Hat sich hier ein Mentalistätswandel vollzogen, von der Sicherheit hin zum Risiko und dafür mehr Raum?
Sebastian Dresel schrieb für Magazine wie Spex und Groove und ist eine DJ Legende der Mannheimer Clubszene; für diese kämpft er jetzt ganz offiziell an vorderster Front - seit 2007 bekleidet er das Amt des Beauftragten für Musik und Popkultur der ungefähr 350.000 Einwohner zählenden Stadt an Rhein und Neckar.

Seine Wirkungsstätte liegt im Jungbuschviertel, wo es seit mittlerweile fünf Jahren den Musikpark, eine Art Existenzgründerzentrum für Unternehmen rund ums Musikbusiness gibt. Dieses Kreativquartier hat sich im Zuge der Popakademie Gründung vor rund 7 Jahren in Mannheim angesiedelt, die geographische Konzentration ergibt sich aus der besonderen Situation Mannheims als vollkommen vollgebauter Stadt - anders als Berlin (noch zumindest).

Die zentralen Fragen der Session am ersten #camp Tag der all2gehternow skizzierte Dresel folgendermaßen:
 
  • Wie wichtig ist ein Standort für die Entwicklung einer kreativen Szene, welche Merkmale zeichnen ihn aus?
  • Was sollte eine Stadt/Kommune tun und fast noch wichtiger: was sollte sie auf keinen Fall tun?
  • Welche Handlungsmöglichkeiten stehen auf lokaler Ebene zur Verfügung, um Kreativwirtschaft zu fördern. Als Frage, die sich im Laufe der Diskussion als absolut entscheidend herauskristallisierte, kam noch hinzu:
  • Was heißt heutzutage Arbeit? Hat sich das Leben, der Lebensstil und die Auffassung von Arbeit nicht vollkommen gewandelt, hat die Kreativwirtschaft hier nicht eine Pionierfunktion inne?
  • Sollten Städte also versuchen, Lebensumfelder zu gestalten (das hieße dann wohl auch, öffentlichen Raum zuzugestehen, Freiräume zu lassen) oder sollen sie versuchen, indirekt und passiv zu fördern, indem sie Geld in die wirtschaftliche Entwicklung ihrer Kommune stecken?

Wenn es um öffentliche Förderung von Popmusik geht, kommen dafür drei Töpfe in Frage: Jugend, Kultur und Wirtschaft. Wenn die Grundsatzentscheidung pro Kulturförderung durch Stadt oder Staat (siehe dazu auch die große Geschichte in der aktuellen Spex #322 Sept/Okt 2009, Pop mit Staatsknete) gefallen ist, kommt es vor allem auf Strukturen an. So wie die Fördertöpfe sich auf drei aufteilen, so spielen unheimlich viele Ressorts eine Rolle, wenn es um Popkultur geht - Baurecht, Gastro, Arbeit, Stadtplanung und Stadtmarketing, Umweltschutz, um nur einige Beispiele zu nennen.

Kreativwirtschaft sollte daher in all diesen Ressorts und ihren jeweiligen Spezialisten als strategisches Ziel der Stadt vorgegeben sein, die Aufgabe eines Popbeauftragten ist es dann auch eher, bei all diesen unterschiedlichen Stellen, Begeisterung zu wecken. Er agiert damit auf zwei Ebenen. Zum einen auf einer übergeordneten, strategischen und zum anderen auf der Detailebene.
Die Frage nach der Definition von Kultur schließt sich hieran unmittelbar an. Ist die Technoparty nur Kommerz oder ist sie auch Kultur, weil in Mannheim tatsächlich eine "interkulturelle" Veranstaltung? Schnell ist man bei den jeweiligen Fördertöpfen also am Überzeugungsarbeit leisten, dass eine bestimmte Veranstaltung "Kultur" ist usw. (Eine Anregung war, Pop auch mal wieder als Kunst zu sehen und sich auf dem Kunstmarkt nach möglichen Vorbildern umzusehen. Die Fotografie Kunst ja oder nein Debatte der 20er Jahre liefert hier eine gut übertragbare Folie.)

In der Diskussion mehrerer Stadtmodelle ergab sich dann ein zuerst vielleicht verblüffendes Ergebnis:
Der Versuch, Kreativwirtschaft räumlich zu bündeln ging in vielen Fällen nach hinten los. Dort, wo Städte versuchten, ihre Clubszene (beispielsweise) in einer Straße zu fixieren, machte die Qualität kaputt, es waren die. Zwischennutzungen, die sebstbesetzten Freiräume, die spannend waren bzw. sind, sei das nun die Admiralsbrücke in Kreuzberg oder das Rocko (?!) in Stuttgart --- könnte ein Vorteil Berlins auch darin liegen, dass das Ordnungsamt hier nicht alles mitbekommt? Das Laissez-faire, das "Hm, hier sind ja gar keine Lichter auf der Treppe..." Oder sind es einfach nur die vielen freistehenden Räume (was auch Leipzig momentan ausmacht)?

Standorte sind attraktiv, wenn sie viel Freiflächen zur Verfügung haben, viel Platz - also keine Zookäfigzuweisung. Und ganz wichtig: es braucht gute Vermittler, die die unterschiedlichen Bedürfnisse austarieren. Städte alskönnen folgendermaßen agieren:Leute in Fachressorts begeistern, Kulturförderung als strategisches Ziel umsetzen, Gelegenheiten für Kultur wahrnehmen und möglich machen etwa als Arbeitsbörsencharakter. Die Etnscheidungsträger rmüssen eruieren, wo der Markt ist, wo das Publikum sich aufhält und entgegen der langfristigen Zyklen der Stadtplanung handeln, auch mal Zufall zulassen. Grundsätzlich so Dresel, müssten sie akzeptieren, dass Arbeit und ihr Verständnis sich geändert haben, Experimentalcharakter hat, der Raum zum Ausprobieren und Scheitern lassen muss.
Sein stäkstes Plädoyer, dafür was Städte nicht tun sollten: eine eigene Kreativförderungswirtschaftsabteilung bilden.

Kreditwirtschaft als "Pionierpflanze für Arbeitsauffassung", durch Wandertendenzen agieren Kreative als Kultivatoren von Stadtvierteln, sorgen für eine Wertsteigerung, die allen zugute kommt. In vielen Köpfen gilt es hier noch Wahrnehmungsschwellen zu überwinden.
 

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