15.04.2024

Themenreihe Zukunft der Arbeit

Autor*in

Julia Meyners
ist Kommunikationsexpertin, Kunstwissenschaftlerin und UX-Designerin mit 15 Jahren Erfahrung in der 360°-Kommunikation von Museen. Sie war unter anderem leitend am Bucerius Kunst Forum und am Städel Museum tätig. Das von ihr gegründete VXD Studio berät Kulturinstitutionen in der Anwendung neuester Technologien sowie publikumsorientierter Methoden und entwickelt maßgeschneiderte KI-Tools für Museen.
ChatGPT als Co-Pilot in der Kulturkommunikation

Neue Chancen trotz Zeit- und Personalknappheit

Eingesetzt als Co-Creation-Tool, können KI-Anwendungen wie ChatGPT in der Kommunikation von Kulturinstitutionen Chancen eröffnen und wertvolle Zeit einsparen. Hilfreich für eine erste Annäherung sind das Wissen über Anwendungsmöglichkeiten und den richtigen Umgang mit dem Tool.

Themenreihe Zukunft der Arbeit

Warum der Hype um ChatGPT?
 
Generative Künstliche Intelligenz hat seit der Veröffentlichung von ChatGPT im Herbst 2022 rasant an Bedeutung gewonnen und transformiert bereits verschiedenste Arbeitsbereiche. Grund dafür sind die breiten Anwendungsmöglichkeiten, die Qualität des zugrunde liegenden KI-Modells und insbesondere die Einfachheit der Nutzung. Das Spektrum des Tools reicht von der Erstellung kohärenter und nuancierter Antworten auf komplexe Fragen bis hin zur Generierung von kreativen Geschichten oder Programmcode. Und die einfache Kommunikation mit der KI via Chatbot macht ChatGPT zu einer user*innenfreundlichen, leicht zugänglichen Technologie.
 
Wie funktioniert ChatGPT?
 
Zugrunde liegt ChatGPT ein auf Textgenerierung spezialisiertes Sprachmodell: Generative Pre-trained Transformer (GPT). GPTs generieren Texte durch ein Verfahren, das auf einem tiefen Verständnis der menschlichen Sprache basiert. Diese Modelle werden zunächst mit umfangreichen Textkorpora trainiert, wodurch sie lernen, Muster, Kontext und Nuancen der Sprache zu erkennen. "Transformers" beschreibt dabei die zugrundeliegende KI-Technologie, die es dem Modell ermöglicht, menschliche Sprache nicht nur durch einzelne Wörter, sondern kontextuell und somit möglichst natürlich zu erfassen und zu verarbeiten. Wenn ein*e User*in eine Frage oder Aufforderung - einen sogenannten Prompt - eingibt, analysiert GPT diese auf Basis des gelernten Kontextes und generiert Wort für Wort eine Antwort, indem es jeweils das nächste wahrscheinlichste Wort auswählt. Diese Fähigkeit zur kontextbezogenen Analyse und zur Vorhersage folgender Sequenzen ermöglicht es GPT, relevante, zusammenhängende und oft verblüffend menschenähnliche Texte zu erzeugen. 
 
Dies mag die KI als intelligent und menschlich erscheinen lassen. Doch ChatGPT "kennt" die Informationen nicht wirklich, sondern ahmt nur die Art und Weise nach, wie Menschen schreiben. Die Antworten, die ChatGPT ausgibt, beruhen auf Wahrscheinlichkeiten. Um die Qualität und Korrektheit des von der KI generierten Contents einschätzen zu können, ist die fachliche Kompetenz der User*innen daher zentral. Klar ist also, dass ChatGPT nicht den Menschen ersetzen kann. Vielmehr gilt es, die KI als Werkzeug zur Ergänzung des menschlichen Intellekts einzusetzen und so von Synergien zu profitieren. Ko-Kreation zwischen Mensch und Maschine ist also gefragt. 
 
Was bringt der ko-kreative Prozess zwischen Mensch und Maschine?
 
In ersten Studien wurde untersucht, welche Effekte die Nutzung von ChatGPT als Co-Pilot in der täglichen Arbeit hat. So wurden etwa in einer im März 2023 veröffentlichten Studie des MIT die Produktivitätseffekte von generativer Künstlicher Intelligenz beleuchtet. Hier sollten Fachkräfte ChatGPT zum Erstellen von verschiedenen Geschäftsdokumenten einsetzen. Die Ergebnisse zeigten eine Verbesserung von Produktivität und Qualität bei der Nutzung des Chatbots. Das Interessante: Die Verteilung des Zeitaufwands zwischen Brainstorming, Erstellung eines Textentwurfs und dem finalen Editieren war bei Nutzung der KI verändert. So hatte die mit ChatGPT arbeitende Gruppe im Vergleich zur nicht KI-unterstützten Gruppe nur die Hälfte der Zeit für den Entwurf des Textes aufgebracht, da der größte Teil dieser Arbeit auf ChatGPT übertragen wurde. Die Studie zeigte zudem, dass genau die Phase des Textentwurfs ohne KI die meiste Zeit beansprucht, somit war der Zeitgewinn an dieser Stelle besonders groß. Für das finale Editieren durch die Studienteilnehmenden wurde hingegen bei der KI-nutzenden Gruppe mehr Zeit aufgewendet, was eine Erklärung für die Qualitätssteigerung sein könnte. Das optimale Ergebnis wird offenbar in der Ko-Kreation zwischen Mensch und Maschine erreicht: KI beschleunigt die Textentwurfsproduktion, wodurch Fachkräfte ihre Zeit auf die Bearbeitung und den Feinschliff konzentrieren können.
 
Welche Chancen für das Kulturmanagement entstehen?
 
Zeit gewinnen ohne Qualitätsverlust - das macht das Tool auch für den Einsatz in Kulturinstitutionen attraktiv. Das Engagement und die Leidenschaft der Mitarbeitenden für die Institution, die Inhalte und das Publikum ist groß, die Ressourcen doch oft viel zu begrenzt. Dennoch müssen trotz Zeit- und Personalknappheit immer wieder in Ansprache und Länge variierende Texte für verschiedene Formate, Zielgruppen oder Kanäle ausgearbeitet, Ideen für Social-Media-Content entwickelt, Rezensionen und Kommentare von Besuchenden beantwortet oder ein Strategie-Workshop zur nächsten Sonderausstellung vorbereitet werden. Bei all diesen Aufgaben kann ChatGPT unterstützen und dabei helfen, wertvolle Zeit zu gewinnen - sowohl für die routinierte Bespielung der verschiedenen Kanäle als auch für die Entwicklung innovativer und kreativer Konzepte. Somit kann das Tool einen positiven Beitrag nicht nur in Hinblick auf Arbeitsbelastung leisten, sondern auch zur Zufriedenheit und Motivation der Mitarbeitenden beitragen. Auch mit Blick auf das Thema Fachkräftemangel in der Kultur sind das entscheidende Aspekte. Der Einstieg in die Nutzung des Tools ist dank der einfachen Handhabung niedrigschwellig. Und wer etwa einen halben Arbeitstag für gezielte Weiterbildungen wie Workshops investiert, kann sehr schnell die Potentiale von ChatGPT in der täglichen Arbeit nutzen. 
 
Welche Anwendungen in der Kulturkommunikation sind denkbar?
 
An welchen Stellen der Sprachmodell-Chatbot in der täglichen Arbeit unterstützen kann, lässt sich gut veranschaulichen. Um zu verstehen, wie genau diese Unterstützung im Arbeitsalltag aussehen kann, hilft es, sich das Tool als Co-Pilot vorzustellen, der bei verschiedensten kleinen und großen Aufgaben unterstützen kann. Schnell eine Überschrift brainstormen, einen Post für Instagram übersetzen, einen Text kürzen - das sind kleine, niedrigschwellige Anwendungsmöglichkeiten. Doch damit ist das Potential längst nicht ausgeschöpft, denn dieses reicht von der Konzeption bis zur Textproduktion für Social Media, Website, Flyer und Co.
 
So kann ChatGPT beim Entwurf von Beiträgen für soziale Medien helfen, die auf die Interessen verschiedener Zielgruppen zugeschnitten sind. Oft liegen bereits Texte vor, die Dank der KI schnell für die verschiedenen Kanäle und Zielgruppen angepasst werden können. ChatGPT kürzt etwa eine ausführliche Beschreibung auf die Länge eines Instagram-Posts sowie bei anderen Zusammenfassungen längerer Texte für verschiedene Kanäle und ergänzt Engagement-Ideen. Liegt kein Bildmaterial vor, kann die in ChatGPT integrierte KI DALL-E zur Bilderstellung genutzt werden und die aufwendige Recherche von Stockphotos ersparen. Das Tool unterstützt bei der Beantwortung häufig gestellter Fragen und Rezensionen, beim Verfassen von Kurztexten über kommende Veranstaltungen für den Newsletter sowie bei der Ermittlung von relevanten Keywords für die Suchmaschinenoptimierung oder von vielversprechenden Hashtags. Bei der Recherche von Best Practices  anderer  kultureller Einrichtungen kann das Tool Informationen bereitstellen. 
 
Auch der Einsatz von ChatGPT zur Entwicklung von ersten Ideen für Social-Media-Reihen oder Kurzvideos zu einem Exponat oder einer Aufführung ist möglich. Zudem können Transkripte von Vorträgen oder Videos schnell überarbeitet werden. ChatGPT hilft hier also dabei, einmal erstellte Inhalte für mehrere Kanäle nachzunutzen. 
 
Das Tool dient als Brainstorming-Sparringspartner bei der Ideenentwicklung von Marketingkampagnen für die kommende Ausstellung oder die neue Veranstaltungsreihe. Auch die Analyse von Marketingdaten ist ein Einsatzfeld. Der Chatbot kann bei der Erstellung von Texten für Flyer, Broschüren und andere Werbematerialien unterstützen, indem bestehendes Material zusammengefasst und sprachlich angepasst wird. Der Prozess der Erstellung von Pressemitteilungen lässt sich beschleunigen, indem erste Textbausteine basierend auf Konzeptpapieren zu Ausstellungen oder Veranstaltungen generiert werden, die dann von den Mitarbeitenden weiter angepasst und verfeinert werden. Auch bei der Beantwortung von internationalen Presseanfragen kann ChatGPT mit seiner Vielsprachigkeit helfen. 
 
Die Möglichkeiten sind extrem vielfältig und dies nur einige erste Beispiele für den Einsatz des Tools als Co-Pilot in einer Kulturinstitution. Doch was gilt es zu beachten, damit die Zusammenarbeit mit dem Tool tatsächlich mehrwertstiftend funktioniert?
 
Wie gelingt die ko-kreative Nutzung von ChatGPT?
 
Für einen erfolgreichen und effizienten Einsatz von ChaGPT in der täglichen Arbeit gilt es, das Augenmerk auf das Prompting  zu richten. Ein Prompt ist eine Aufforderung oder Frage, die an ChatGPT gerichtet wird, um zu steuern, welche Art von Antwort oder Text generiert wird. Prompts können in ihrer Komplexität variieren, von einfachen Fragen bis hin zu detaillierten Anweisungen, und beeinflussen direkt die Relevanz, den Detailgrad und die Ausrichtung der Antwort, die ChatGPT liefert. 
 
Dabei sind Klarheit und Spezifität in Prompts entscheidend. Das reduziert die Interpretationsspielräume und ermöglicht es dem Chatbot, relevante Informationen gezielter zu filtern und zusammenzustellen. Die Prompts sollten so formuliert werden, dass sie den nötigen Kontext liefern. Hier kann etwa definiert werden, wofür ein gewünschter Text genutzt wird und/oder welche Zielgruppe angesprochen werden soll. Auch Hintergrundinformationen zur eigenen Einrichtung sind hilfreich. Zweideutige oder zu weit gefasste Eingabeaufforderungen sollten hingegen vermieden werden, da sie zu weniger relevanten Antworten führen können. Statt "Verfasse einen Post zur  Ausstellung xy" sollte der Prompt etwa genau definieren, für welchen Social-Media-Kanal der Text gedacht ist und aus welcher Perspektive er verfasst sein soll. Sonst ist das Ergebnis möglicherweise ein Textentwurf aus der Sicht eines Besuchenden, der über das eigene Ausstellungserlebnis schreibt.
 
Neben Präzision und Kontext spielt Iteration eine große Rolle in der Interaktion mit dem Chatbot. Wenn ChatGPT eine Antwort generiert, die ungenau ist oder nicht den Vorstellungen entspricht, gilt es, in folgenden Prompts Feedback zu geben, eine andere Formulierung zu finden oder Rückfragen zu stellen. In diesem iterativen Prozess können die Ergebnisse immer weiter verbessert und verfeinert werden. Gleichzeitig schult es das eigene Gespür für das Prompting. 
 
Der ko-kreative Einsatz von ChatGPT erfordert ein Verständnis dafür, wie man effektiv mit der KI kommuniziert. Aber vor allem erfordert es Experimentierfreude.
 
Wo liegen die Grenzen der Nutzung?
 
Wer das Tool intensiv nutzt, stößt auch an Grenzen, insbesondere bei der Verwendung der kostenlosen Basis-Version. Features wie die Suche nach aktuellen Quellen aus dem Internet, Bilderstellung, komplexe Datenauswertung oder Datenschutzeinstellungen fehlen hier (noch) und sind stark eingeschränkt. 
 
Die aktuell frei zugängliche ChatGPT-Version ist auf Daten trainiert, die bis zu einen bestimmten Stichtag reichen. Ohne Zugriff auf aktuelle Texte aus dem Internet fehlen dem Chatbot Informationen etwa zur gerade eröffneten Sonderausstellung oder den jüngst geänderten Öffnungszeiten einer Institution. Zudem gibt es Informationen, die der Chatbot nicht kennen kann. Möchte ein*e Pressesprecher*in etwa zu einer noch nicht kommunizierten Ausstellung einen ersten Pressetext verfassen, muss sie die Informationen dazu in ihrem Prompt mitgeben, was die Anwendung komplexer werden lässt. Dabei ist unbedingt zu bedenken: Wird mit der kostenlosen, öffentlichen Version von ChatGPT gearbeitet, fließen die eingegebenen Prompts und hochgeladenen Text an ChatGPT-Entwickler OpenAI. Dies ist nicht zuletzt bei Themen, die noch nicht öffentlich kommuniziert werden sollen, äußerst heikel. Eine Alternative stellen auf GPT-basierende, personalisierte und mit den eigenen Inhalten maßgeschneiderte Chatbots dar, z.B. durch sogenannte CustomGPTs von OpenAI oder durch die technische Einbettung von GPT-Modellen in spezialisierte Tools. 
 
Auch von Verzerrungen, sogenannten Biases, ist ChatGPT nicht frei, wurde es doch mit allgemein zugänglichen Texten und Informationen trainiert, die von Menschen erstellt wurden und Vorurteile enthalten können. Dringend abzuraten ist zudem, den Antworten von ChatGPT blind zu vertrauen. Ein Faktencheck ist immer erforderlich, beruht doch der von ChatGPT ausgegebenen Text auf Wahrscheinlichkeiten und kann durchaus erfundene Informationen, sogenannte Halluzinationen, enthalten. 
 
Diesen Grenzen müssen sich Kulturinstitutionen beim Einsatz des Tools bewusst sein. Doch bei einem wissenden und verantwortungsvollen Umgang mit ChatGPT oder vergleichbaren Sprachmodell-Chatbots überwiegen die Vorteile. Es gilt die Chancen zu nutzen für ein zukunftsfähiges Kulturmanagement. Denn eines ist klar: KI ist da und wird bleiben. Die Frage ist also nicht: Setze ich KI ein oder nicht? Die Frage lautet: Wann fange ich damit an?

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