06.06.2006

Autor*in

Katharina Hautz
Werbung in der Unterhaltungsindustrie

Branded Entertainment. Eine neue Möglichkeit, Kultur ins Bewusstsein zu rücken?

Branded Entertainment ist die Konvergenz von Werbung und Unterhaltungsindustrie, und der Versuch, die Botschaft einer Marke in einem geeigneten Kontext, als Teil der Interaktion zu präsentieren. Es geht hierbei um viel mehr als einfaches Product Placement, bei welchem Produkte zwar visuell präsentiert, aber nicht interaktiv behandelt werden. Branded Entertainment bietet den Vorteil, dass das Produkt nicht für sich alleine steht, sondern mit einem relevanten Inhalt verbunden wird und dadurch beim Empfänger der Botschaft zu einer größeren emotionalen Bindung führt.
Die Bindung an die Marke ist hierdurch ungleich stärker als beim herkömmlichen Werbewirrwarr, da das Produkt vom Betrachter nicht als störend, sondern als passend empfunden wird. Diese Wirkung machen sich immer mehr Wirtschaftsunternehmen zu nutze, was zu neuen Allianzen zwischen Kunst und Wirtschaft führt. So werden Kulturschaffende, wie zum Beispiel Filmemacher, von der Industrie angesprochen, um eine bestimmte Marke anders als nach bisher üblichen Methoden darzustellen und dadurch den Kunden enger zu binden und neue Zielgruppen zu erschließen. Dabei geht es um viel mehr als nur Werbung; Kunst und Kommerz halten sich die Waage. So hat neben vielen anderen Regisseuren beispielsweise Spike Lee im Auftrag von BMW einen Kurzfilm gedreht, der auf den Filmfestspielen von Cannes gezeigt wurde und durch seine Ästhetik überzeugte. Der Film inszeniert ein bestimmtes urbanes Lebensgefühl, in dem BMW erst gegen Ende eine sichtbare Rolle spielt und auf jede plakative Werbebotschaft verzichtet wird. Die Marke profitiert vom ästhetischen Glanz des Filmkunstwerks. Diese ungewöhnlich sublimierte Form der Werbung eröffnet eine neue Welt, in der Reklame nicht mehr störendes Beiwerk ist, sondern Unterhaltung, von Kulturschaffenden produziert.

Diese neue Grenzüberschreitung zwischen Kunst und Kommerz wirft natürlich kritische Fragen auf. Verkaufen sich Künstler, indem sie Branded Entertainment für eine Marke machen? Oder bereichern sie hierdurch die Gesellschaft, weil eine ästhetische Markendarstellung für den Beobachter angenehmer ist als herkömmliche TV-Werbung? Ist eine Trennung zwischen Kultur und Wirtschaft erstrebenswert? Oder ist Kultur ohnehin ein selbständiger Wirtschaftsfaktor und Allianzen sind erwünscht? Ist es möglich, die Qualität von Werbung so zu verbessern, dass sie zur Kunst wird? Ist es beispielsweise wünschenswert, ein bestimmtes Theater in einem Film so zu platzieren, dass es zum Mittelpunkt des Geschehens wird und so positiv auf den Zuschauer wirkt, dass dieser den Wunsch verspürt, Teil des Geschehens zu sein und ins Theater zu gehen? Steigt die Auslastung von Museen, wenn einzelne Bilder von besonderen Ausstellungen visuell in einem Computerspiel dargestellt und erklärt und so ganz neue Zielgruppen angesprochen werden? Werden Kinder wieder ein größeres Interesse an Büchern entwickeln, wenn der Held eines Online Games Hemingway liest und sich mit der Heldin darüber austauscht? Oder Jazz hören, wenn bei McDonald's Louis Armstrong gespielt wird, statt Destiny's Child? Bietet Branded Entertainment vielleicht gerade für den Kulturbereich eine neue Möglichkeit, sich fern ab von traditioneller Werbung verstärkt ins Bewusstsein der Menschen zu bringen und ganz neue Zielgruppen zu erschließen? Mit diesen Themen beschäftigen sich außer Kulturschaffenden auch in Deutschland immer mehr Wirtschaftsunternehmen und Entwicklungsstudios, so auch der in Berlin ansässige Entwickler eos interactive GmbH, mit dem nachfolgend ein Interview zum Thema Branded Entertainment stattgefunden hat.

Neue Darstellungsformen: Branded Entertainment
Ein Interview mit den Geschäftsführern von eos interactive GmbH Peter Holzapfel, Matthias Storz und Adrian Winkel

eos interactive GmbH ist ein in Berlin ansässiges Entwicklungsstudio, welches sich mit Branded Entertainment, 3D-Visualisierungen und der Konzeption und Entwicklung von Serious Games beschäftigt.

KMN: Wie würden Sie die Entwicklung von Branded Entertainment beschreiben?
EOS: Branded Entertainment hat in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Die ansteigende Verbreitung von schnellen Internetverbindungen ermöglicht es, auch komplexe Inhalte wie Filme oder Spiele auf Anfrage schnell zum Nutzer zu transportieren. In Deutschland ist im Bereich Interactive Entertainment gerade im letzten Jahr ein starker Zuwachs zu beobachten, was auch auf einen Anstieg der öffentlichen Akzeptanz von Computerspielen zurückzuführen ist.
KMN: Welchen Stellenwert nimmt Branded Entertainment im Marketingbereich ein?
EOS: Klassische Marketingkanäle wie Fernsehen, Radio und Printmedien nehmen immer noch den Grossteil des Marketingbudgets in Anspruch. Hier wird jedoch nach unserer Ansicht eine Verschiebung stattfinden. Kanäle wie das Fernsehen, die als Push-Medien bezeichnet werden, da die Information hier nur vom Sender zum Empfänger geschoben wird, verlieren immer mehr an Bedeutung. Menschen wollen selber entscheiden, mit welchen Marketingbotschaften oder Produktinformationen sie sich beschäftigen. Branded Entertainment ist dabei eine sehr effektive Form des Pull-Marketings. Der Kunde darf und will dabei selbst aktiv werden, um das Produkt (die Branded Entertainment Lösung) zu erhalten.
KMN: Unterscheidet sich die Akzeptanz von Branded Entertainment in Deutschland und zum Beispiel in den USA?
EOS: In den USA ist Branded Entertainment schon seit längerer Zeit sehr populär. In Deutschland ist das Thema erst seit circa einem Jahr wirklich präsent.
KMN: Was ist das Besondere an Branded Entertainment?
EOS: Branded Entertainment ist darauf ausgerichtet, für den Nutzer ein positives Erlebnis zu erzeugen. Damit spielt es aus Marketingsicht in einer ähnlichen Kategorie wie das Sponsoring, bei dem ja ebenfalls die positive Erfahrung mit einem Produkt in Verbindung gebracht wird. Im besten Fall, wie bei den BMW Filmen geschehen, die nun in die Sammlung des MoMA aufgenommen wurden, kann dadurch ein Werbeprodukt einen künstlerischen Wert erhalten.
KMN: Glauben Sie, dass durch Branded Entertainent neue Zielgruppen angesprochen werden können? Auch im Kulturbereich?
EOS: Wir denken sehr wohl, dass dies möglich ist. Auch hier kann man wieder als gelungenes Beispiel die BMW Filme anführen. Die Filme von Wong Kar Wai als Independent Filme zu bezeichnen wäre mit Sicherheit vermessen, dennoch hat sich sein Publikum durch die BMW Filme möglicherweise auf Autoliebhaber erweitert, die seine Filme vorher nicht kannten. Im Fall von Computerspielen ist die Situation noch komplizierter. Bei sehr hohen Entwicklungskosten sind Publisher eher selten bereit, visuelle Experimente einzugehen. Markenhersteller sind aber genau auf diese Experimente angewiesen, um ihr Publikum zu überraschen. Dadurch werden eigene Spiele im Sinne des Braded Entertainment möglich, die abseits von Mainstreampublikationen entstehen.
 

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