02.03.2011

Autor*in

Svenja Kluckow
Kunstsommer Berlin

Wege zur Berliner Kunsthalle

1500 qm Fläche im Atelierhaus Monbijoupark in Berlin-Mitte, 80 ausgewählte "Emerging Artists", sechs Wochen täglich eine Veranstaltung das ist der Kunstsommer in der Hauptstadt mit dem Titel "based in Berlin".
In Berlin wird seit langem diskutiert, ob und in welcher Form die Stadt eine Kunsthalle braucht. Mit der Ausstellung based in Berlin ermöglicht der engagierte Kulturstaatssekretär André Schmitz auf Initiative des Regierenden Bürgermeisters und Kultursenators Klaus Wowereit Berliner Künstlern temporär einen öffentlichen Ort der Präsentation, der in Berlin im Spannungsfeld zwischen Museen, Galerien und Off-Spaces als dauerhafte Institution bisher fehlt. Veranstalter ist die landeseigene Kulturprojekte Berlin Gmbh, die Projekte zur Förderung, Vernetzung und Vermittlung von Kultur realisiert.
 
Ende letzten Jahres haben fünf junge Kuratorinnen und Kuratoren von den Beratern Klaus Biesenbach (New York), Christine Macel (Paris) und Hans Ulrich Obrist (London) das Mandat bekommen, die Berliner Kunstproduktion in einer neuen Darstellungsform in die öffentliche Aufmerksamkeit zu rücken. Ein Traumjob für die Kuratoren Angelique Campens, Fredi Fischli, Magdalena Magiera, Jakob Schillinger und Scott Cameron Weaver. Aus einem Projektbudget von insgesamt rund 1,5 Millionen Euro erhalten die 80 Künstler Honorare und Produktionsbudgets für die Ausstellung und Projekträume Mittel zur Programmentwicklung, denn dezentrale Orte des Produktions-Diskurses sollen mit eingebettet werden. Das kurz vor dem Abriss stehende Atelierhaus wird unter der Leitung des Berliner Architektenbüros Raumlabor umgestaltet. Weiterhin soll ein umfassendes Rahmenprogramm mit diskursiven Veranstaltungen, Workshops, Screenings, Performances und Live-Acts zur Situation und Funktion von Berliner Kunstinstitutionen, sowie zu den Produktionsbedingungen der Berliner Künstler Auskunft geben. Und auch eine große Kommunikationskampagne wird es geben.
 

Die Schau für den Überblick

Das Kuratorenteam absolvierte einen Marathon, den ein jeder Kunstnarr neidet. In den letzten vier Monaten wurden insgesamt rund 2000 Künstlerarbeiten gesichtet, von denen rund 1250 Mappen im Rahmen eines eines "open calls" eingereicht wurden. Studios besuchen, Protagonisten und Bedingungen erforschen, Tendenzen zeigen, unterschiedliche Arbeitsweisen erkunden, das waren die Vorbereitungen zur Besetzung der Überblicksschau. In der Pressekonferenz am 24.Februar äußerten sich die Kuratoren vor Ort zu ihren ersten Erkenntnissen aus dieser intensiven Feldforschung, denn während des Auswahlprozesses wurden bereits Bedingungen und Probleme der Kunstproduktion in Berlin offenbar.
 
 
Die unterschiedlichen Rahmenbedingungen in der Stadt beeinflussen die Kunstproduktion selber. Beispielsweise hat sich eine Künstlerin aus Mangel eines Studios der Performance-Kunst verschrieben, die sie ausschließlich im öffentlichen Raum entwickelt. Das Bild vom Kunst im Koffer, besser gesagt in der Laptoptasche von Künstlern beim Treffen in Cafés, setzt sich nachhaltig fest. Viele Biographien bleiben den Kuratoren als Mikrodramen in der Großstadt in Erinnerung. Außerdem beobachten die Kuratoren eine grundlegende Veränderung der Kunstgesellschaft. Bisher brachten Künstler ihre Kritik an der Kulturindustrie als Dekonstruktion der Massenkultur in Form von Produkten für den passiven Konsumenten hervor. Von der Massenkultur vollzieht sich nun eine Wendung zur Massenproduktion. Heute kann jeder Mensch ein Künstler sein, der sich situieren und seine individuelle Erscheinungsform in den Parametern der alten und neuen Medien finden muss. Das Vorhaben der Ausstellung soll als Prozess begriffen werden, die Form der Überblicksausstellung als Modell und Labor anerkannt werden. Wie werden die Erkenntnisse der Feldforschung dokumentiert? Die Kuratoren sehen sich der Herausforderung gewappnet, mit der Ausstellung "eine Form der künstlerischen Aussagen zu Transformationsprozessen" zu realisieren.
 

Kuratoren als Vermittler

Die Liste der zugelassenen Teilnehmer steht fest, wird aber noch nicht verraten. Sowohl etablierte Künstler wie auch Studenten wurden ausgewählt, deren bekannte Positionen bisher noch in keiner Ausstellung gezeigt wurden. Die Kuratoren haben sich zum Ziel gesetzt, Tendenzen zeitgenössischer Kunstproduktion zu zeigen, über Kunst zu diskutieren, und einfach gemeinsam abzuhängen. Sie möchten kein Statement zu der Frage nach der Notwendigkeit einer dauerhaften Kunsthalle abgeben. Keiner der konsultierten Künstler sage "Nein" zum Vorhaben der Kunsthalle, denn natürlich möchten Künstler Zugang zu Präsentationsmöglichkeiten erhalten, soviel Aussage ist erlaubt. Und doch nehmen die unabhängigen Kuratoren die Rolle der Vermittler zwischen Künstlern, Politikern und der Öffentlichkeit ein, sozusagen als Übersetzer zwischen Politik und Kunst. Hier herrscht nämlich eine kritische Distanz, das haben die umfangreichen bisher ergebnislosen Diskussionen in der Vergangenheit gezeigt. Die Herausforderung besteht nun darin, das erlangte Wissen aus der Feldforschung in der Ausstellung an die Öffentlichkeit zu übermitteln.
 
Noch spricht man von der Ausstellung als Plattform für die Debatte, ziemlich schnell wird aber klar, dass das Ergebnis der Ausstellung den Beweis erbringen wird, dass Berlin tatsächlich eine Kunsthalle braucht. Die Frage nach der Funktion und Nutzen scheint lange geklärt. Vorherige Initiativen wie die der Temporären Kunsthalle der Stiftung Zukunft Berlin auf dem Schlossplatz waren engagierte Vorstöße, bei denen es womöglich an der adäquaten Form der Präsentation und Auswahl der Künstler mangelte oder diese Aspekte aus den Auseinandersetzungen von eigens gegründeten Vereinen, Bürgerinitiativen und Parteien über Ort und Architektur nicht transportiert werden konnten. Im Hintergrund schwelt die systemische Unterfinanzierung bestehender Kunst-Institutionen wie die Kunst-Werke, die Berlinische Galerie, die Neue Gesellschaft für Bildende Kunst oder das Haus am Waldsee, auch wenn man die Ausstellungs-Investition schwer gegen den Bedarf anderer Häuser aufrechnen kann.
 
Künstler und Kuratoren nutzen das Format Ausstellung für die künstlerische Aussage. Das Ergebnis kann folglich nur eine Erkenntnisleitende Beeinflussung einer politischen Entscheidung sein. Diese obliegt letztendlich der Politik und Verwaltung. Zunächst trifft man sich im Monbijou-Park in der Nähe des Bode-Museums und dem Galerien-Bezirk Mitte. Der Ort ist cool und "typisch Berlin", ein Haus das kurz vor dem Abbruch steht. Der Eintritt ist frei, die Öffnungszeiten sind angenehm von mittags bis Mitternacht.
 

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